Scholz-Besuch in Washington Wie die USA den Kanzler sehen
Ein Vier-Augen-Gespräch mit US-Präsident Biden steht im Mittelpunkt des Kanzlerbesuchs in Washington - das Hauptthema überrascht nicht. Das Image von Scholz in den USA vielleicht schon.
Wenn die Rede auf Olaf Scholz kommt, gerät Jeffrey Rathke, Präsident des "American Institute for Contemporary German Studies" an der Johns Hopkins University, ein wenig ins Schmunzeln. "Nach meinem Empfinden hat Olaf Scholz etwas gemeinsam mit seiner Vorgängerin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, indem er vorsichtig die Rolle Deutschlands auf dem internationalen Parkett wahrnimmt", sagt er.
Scholz' sprichwörtliches Zögern sei die Fortsetzung des Merkel'schen Aussitzens: Beides sieht Deutschland-Kenner Rathke als Tugend der Unaufgeregtheit. Scholz sei allerdings der bessere Kommunikator - das zeige sein direkter Draht zu Kongressabgeordneten auch an den Rändern des Spektrums und zu US-Journalisten. Auch im Rahmen seiner Stippvisite ist ein Auftritt im Fernsehen geplant.
"Insofern ist der Versuch von Scholz, neue Brücken zu bauen und direkt im Gespräch mit amerikanischen Verantwortungsträgerinnen und -trägern die deutsche Sicht zu erklären, ein ganz wichtiges Unternehmen. Und das tut den Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sehr gut", sagt Rathke.
Denn die enge Verbindung beider Länder werde immer wieder infrage gestellt: vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump und seinen Anhängern in Senat und Repräsentantenhaus.
Gespräch über Kampfpanzer
Klärungsbedarf besteht noch einmal zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Denn während die deutsche Seite abstreitet, dass es je eine Abmachung gegeben hat - Deutschland liefert nur "Leopard"-Panzer, wenn die Amerikaner "Abrams" zur Verfügung stellen - haben die Amerikaner das anders in Erinnerung.
"Die Deutschen haben dem Präsidenten gesagt, sie würden keine 'Leoparden' ins Kriegsgebiet liefern, wenn Biden nicht auch 'Abrams' zusagt“, stellte Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, diese Woche klar. Um die Einheit der Allianz zu wahren, um der Ukraine zu geben was sie braucht, und obwohl die "Abrams" nicht das richtige Kriegsgerät seien, habe Biden der deutschen Forderung zugestimmt.
"Die Deutschen schätzen so was"
Bei dem Treffen in Washington wird es primär um das Signal gehen, dass in der Ukraine-Frage kein Blatt zwischen Deutschland und die USA passe. Denn Scholz und Biden brauchen einander gegenseitig in dieser krisenhaften Zeit, betont Jackson Janes vom German Marshall Fund in Washington. "Weil Herr Scholz zeigen möchte: 'Ich bin mit Biden synchronisiert. Wir sind wirklich miteinander verflochten.' Und Biden hat dann vor zu sagen: 'Wir haben unsere standhaften Partner. Und die werden auch Lasten tragen.'"
Biden und seiner Regierung sei sehr wohl bewusst, dass Scholz mit seiner zögerlich-abwägenden Art der richtige Mann zur richtigen Zeit sein könnte. Zumindest für Deutschland. "In gewisser Weise schon, denn die Deutschen schätzen so was. Schauen sie mal - 16 Jahre Merkel! Insofern war das eine Kontinuität, die ich dann sofort erkannt habe", erklärt Janes.
Da ist er wieder, der Scholz-Merkel-Vergleich. Auch Janes meint ihn überwiegend positiv: Als instinktive Fähigkeit, die Deutschen nicht zu überfordern. Scholz' Kardinaltugend, sozusagen. "Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass er ganz höllisch aufgepasst hat: Wie ziehe ich die Leute wieder mit mir, wenn das so herausfordernd ist?", sagt Janes. "Und das kam immer wieder durch, dass er irgendwie schon seine Landsleute mitziehen wollte. Und nicht zu viel auf einen Schlag."