Scholz-Reise nach Washington Vertrauensvoller denn je?
Der Bundeskanzler wird heute im Weißen Haus erwartet - ohne Presse im Schlepptau, die Partner geben sich betont vertraut. Doch beim Thema Waffenlieferungen gab es zuletzt auch unterschiedliche Sichtweisen.
Für Gesprächsstoff hatte zunächst das Outfit von Olaf Scholz gesorgt. Auf dem Weg zum ersten Besuch in Washington vor gut einem Jahr trug er im Regierungsflieger Jeans zu grauem Pullover - und ließ sich so auch während eines Hintergrundgesprächs mit Medien fotografieren. Diesmal hat der Kanzler keine Journalistinnen und Journalisten dabei, auch eine Pressekonferenz ist nicht geplant. Scholz will sich ganz auf sein Gespräch mit US-Präsident Joe Biden konzentrieren.
In seiner Regierungserklärung bilanzierte der Bundeskanzler am Donnerstag: "Ein Jahr 'Zeitenwende', das heißt auch ein Jahr transatlantische Partnerschaft - enger und vertrauensvoller denn je." Enge Abstimmung mit den Verbündeten bei der Unterstützung der Ukraine - in keiner Kanzlerrede darf dieses Grundprinzip unerwähnt bleiben. Und der wichtigste Verbündete sind eben die USA.
Eine vertrauensvollere Partnerschaft denn je? Zu einem vollkommen anderen Befund kommt der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul. Im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio sagt er: "Die Beziehungen zu den USA sind schwer gestört". Wadephul bezieht sich auf einen Vorgang, über den die Darstellungen weit auseinandergehen. Es geht um die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine.
Ohne "Abrams" keine "Leoparden"?
Was genau ist passiert während der Verhandlungen zwischen Berlin und Washington, zwischen Scholz und Biden? Hat der Bundeskanzler im Telefonat mit dem US-Präsidenten die Lieferung von "Leopard 2" daran geknüpft, dass die USA Panzer des Typs "Abrams" schicken - wissend, dass die amerikanische Regierung das eigentlich nicht für sinnvoll hält? Regierungssprecher Steffen Hebestreit verneint das. Eine solche Verknüpfung habe es nicht gegeben.
Das will jedoch nicht so recht zu einem TV-Interview des nationalen Sicherheitsberaters Jake Sullivan passen. Die Deutschen hätten klar gemacht: Ohne "Abrams" keine "Leoparden". Im Interesse "der Einheit des Bündnisses" und "um sicherzustellen, dass die Ukraine bekommt, was sie will", habe Biden dann aber doch zugestimmt. Ungewohnt offene Worte.
CDU-Mann Wadephul kritisiert: Scholz habe das Gegenteil dessen gemacht, was die USA erwarten würden, nämlich "dass die Europäer eine größere Verantwortung zur Sicherung der europäischen Sicherheit leisten." Einziges Glück für Scholz - und damit für Deutschland - sei, so Wadephul, "dass Joe Biden der transatlantischen Geschlossenheit höchste Priorität einräumt und aus diesem Grund zu außergewöhnlichen Schritten bereit ist".
Potenzieller Handelskonflikt
Ohne Frage hat sich aus Sicht der Bundesregierung vieles zum Besseren verändert, seit Vorgänger Donald Trump das Weiße Haus verlassen hat und Biden dort eingezogen ist. Scholz respektiert Biden. Und beim G7-Gipfel in Elmau im vergangenen Jahr lobte der US-Präsident den Gastgeber auf offener Weltbühne in höchsten Tönen.
Neben der Unterstützung für die Ukraine könnte ein weiteres Thema Raum im Vieraugengespräch einnehmen. In Deutschland, in der gesamten EU, sorgt der "Inflation Reduction Act" für Diskussionen. Das US-Programm zur Bekämpfung der Inflation sieht Milliardeninvestitionen in den Klimaschutz vor. Subventionen und Steuergutschriften sind allerdings daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren.
Die deutsche Industrie fordert Verbesserungen. "Beide Seiten sollten unbedingt sicherstellen, dass es nicht zu einem Handelskonflikt kommt", sagt Siegfried Russwurm, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und spricht von einer "Bewährungsprobe für die transatlantischen Beziehungen". Der BDI sieht im US-Paket jedoch auch ein Vorbild für die EU, einen pragmatischen Ansatz, um schnell und unbürokratisch klimafreundliche Technologien zu fördern.
Der "Inflation Reduction Act" der USA ist ein 370-Milliarden-Dollar-Hilfsprogramm, mit dem unter anderem Erneuerbare Energien und die Industrie im Kampf gegen den Klimawandel gestärkt werden sollen. Es ist das bislang größte Subventionspaket der Vereinigten Staaten gegen die Erderwärmung.
Um Gelder aus dem Hilfsprogramm zu erhalten, müssen Unternehmen in den Vereinigten Staaten investieren und produzieren. Die EU reagierte alarmiert: Die Europäische Union befürchtet, dass auch europäische Unternehmen ihre Produktion nach Übersee verlagern könnten, um von den Subventionen zu profitieren.
"Ab und zu direkt miteinander sprechen"
Mit dem "Inflation Reduction Act" würden die USA unterstreichen, dass Wirtschaft und Klimaschutz "zwei Seiten derselben Medaille" seien, sagt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner, dem ARD-Hauptstadtstudio: "Das ist gut, aber wir sollten dabei gemeinsam grüne und resiliente Wertschöpfungsketten aufbauen und nicht gegeneinander". Das kann man als Botschaft an beide Seiten des Atlantiks verstehen - einerseits an die USA, von Alleingängen abzusehen, andererseits an die EU, selbst aktiv zu werden.
An Gesprächsstoff dürfte es in Washington also nicht mangeln. Selbstverständlich hätte der Bundeskanzler auch zum Hörer statt zum Regierungsflieger greifen können. Welche Entscheidungen so wichtig seien, dass es ein Gespräch unter vier Augen sein müsse, wird Scholz am Donnerstag in Berlin gefragt. Es gebe intensiven und regelmäßigen Austausch, antwortet der Bundeskanzler. Aber: "Wir wollen ab und zu auch mal - wie sich das gehört in einem guten Leben - direkt miteinander sprechen."