Zecke Gemeiner Holzbock

Klimawandel Gefahr durch Zecken immer größer

Stand: 15.04.2025 14:45 Uhr

Mildere Winter machen es möglich: Zecken sind mittlerweile fast das ganze Jahr über aktiv. Weiter südlich beheimatete Arten, wie die Riesenzecke, breiten sich immer weiter aus - und übertragen neue Krankheiten.

Von Oliver Bemelmann, SWR

"Die Zeckensaison hat längst angefangen", sagt Förster Christian Sanders. Seit etwa drei Wochen pflückt er bei seinem Hund Findus wieder regelmäßig die kleinen Blutsauger aus dem Fell. "Bestimmt zwei bis drei Zecken pro Tag", manchmal seien es sogar bis zu fünfzehn, wenn Findus durch ein Zeckennest läuft. Er selbst habe auch schon mal so viele am Bein kleben. Sein Revier ist rund um Idar-Oberstein, eine waldreiche Region in Rheinland-Pfalz.

Milde Winter und wärmere Temperaturen - ideale Zustände für Zecken, sagen Experten. Das ermögliche den Larven auch im Winter zu überleben. Ursprünglich war nur von März bis Oktober Zeckenzeit, doch die bis zu fünf Millimeter kleinen Tiere sind immer früher im Jahr unterwegs.

Schon ab Temperaturen von sieben Grad. Sie mögen es feucht und sind vor allem in Wäldern und an Feldwegen sowie an Seen und Flüssen anzutreffen. Aber auch auf Spielplätzen, in Freibädern und im Garten sitzen sie im Gras und an Blättern, meist in einer Höhe von bis zu anderthalb Metern, und warten auf einen neuen Wirt - egal ob Mensch oder Tier.

 

Zahl der FSME-Erkrankungen nimmt zu

2024 war das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, so der Deutsche Wetterdienst. Durch die Auswirkungen des Klimawandels breiteten sich in Deutschland auch durch Insekten und Parasiten übertragene Krankheiten immer stärker aus. Etwa FSME - die durch Zeckenstiche übertragbare Frühsommer-Meningoenzephalitis.

Die Viruserkrankung beginnt oft mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und kann auch einen schweren Verlauf nehmen. Dazu zählen eine Entzündung der Hirnhaut und des Rückenmarks. Nur in seltenen Fällen endet sie tödlich. 

Im vergangenen Jahr wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit 686 FSME-Fälle gemeldet - die zweithöchste Zahl an Infektionen bisher. Zeckenforscherin Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim erkennt darin einen klaren Trend: Die Zahl der Fälle nehme seit acht Jahren kontinuierlich zu, deutschlandweit.

Auffällig sei, dass Zecken inzwischen das ganze Jahr über aktiv seien, was die Forscherin auf den Klimawandel zurückführt. Für 2025 erwartet sie ein zeckenreiches Jahr. Bisher hat das RKI zehn FSME-Erkrankungen registriert, die ersten zwei Fälle wurden im Februar in Baden-Württemberg gemeldet. Süddeutschland ist besonders betroffen, besonders Bayern und Baden-Württemberg gelten als Risikogebiete. Doch zunehmend seien auch Gegenden in Nord- und Ostdeutschland betroffen.

 

Riesenzecke breitet sich weiter aus

Etwa 20 Zeckenarten gibt es in Deutschland. Der gemeine Holzbock ist die am häufigsten vorkommende Zeckenart und überträgt die meisten Krankheitserreger. Daneben ist auch die Auwaldzecke weit verbreitet. Sie kann Krankheiten übertragen, die allerdings eher für Hunde gefährlich sind.

Doch die Klimaerwärmung bringe neue, tropische Zeckenarten nach Deutschland, wie etwa die Hyalomma-Zecke, auch Riesenzecke genannt. Sie ist laut Zeckenforscherin Mackenstedt durch Zugvögel eingereist und größer als der heimische Holzbock, fast spinnenartig.

Im Gegensatz zu heimischen Arten, die im Gras lauern, kann die Hyalomma-Zecke sogar sehen und ihren Wirt verfolgen. Diese neue Zeckenart könne teils lebensbedrohliche Krankheiten wie das Krim-Kongo-Fieber und Fleckfieber übertragen. Dagegen gibt es, anders als gegen FSME, bisher keine Impfungen.

Weiter steigende Temperaturen und eine geringere Luftfeuchtigkeit könnten dazu beitragen, dass auch hierzulande langfristig eine Hyalomma-Population entsteht, so das RKI.

 

Feste Kleidung und Impfung als wirksamer Schutz

Eigentlich sei mittlerweile ganz Deutschland Risikogebiet, erzählt Allgemeinmediziner Ingo Wiedenlübbert im SWR-Fernsehen. Die Regionen, die bisher als Risikogebiet galten, betrachte man inzwischen eher als Hochrisikogebiete. Denn die Gefahr einer Ansteckung mit FSME sei dort relativ groß.

Beim Wandern oder Spazieren im Wald oder auf Wanderwegen empfiehlt Wiedenlübbert lange, helle Kleidung, die die Beine bedeckt. Das schütze zwar nicht vor Zecken, aber man sieht sie so besser. Auch Anti-Zecken-Sprays könnten helfen, deren Wirkung halte allerdings nur für wenige Stunden.

Wichtig sei, die Kleidung nach dem Wandern zu kontrollieren und den Körper auf mögliche Parasiten zu untersuchen, etwa beim Duschen. Bei Frauen und Kindern stechen Zecken am häufigsten am Kopf zu, bei Männern eher im Achsel- und Intimbereich. Wer eine Zecke entdeckt, solle sie vorsichtig mit einer Zeckenzange entfernen. Wenn sich die Stelle anschließend röte und anschwelle, solle man sofort zum Arzt gehen.

Allerdings sticht die Zecke oft nicht sofort, sagt Ingo Wiedenlübbert, sie kann erst mal bis zu zwei Tage unbemerkt auf dem Körper rumkrabbeln.

Behandlungesmöglichkeiten und Impfungen

Experten raten zu einer Impfung, um sich vor einer Ansteckung mit FSME zu schützen. Besonders Menschen, die in Risikogebieten leben oder dorthin reisen - nach Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen und ins südliche Hessen. Laut RKI ist die Impfquote in den Risikogebieten weiter gering, besonders bei Menschen über 60 Jahren. Bei diesen sei jedoch das Risiko einer schweren Erkrankung deutlich höher. Bundesweit lag die Impfquote bei FSME im Jahr 2022 bei 19,6 Prozent.

Bei einem Zeckenstich sei aber die weitaus häufigere Erkrankung immer noch die Borreliose, sagt Allgemeinmediziner Wiedenlübbert. Diese sei mit Antibiotika gut behandelbar. Eine mögliche Impfung wird zurzeit getestet.

Revierförster Christian Sanders aus Idar-Oberstein ist schon mehrfach an Borreliose erkrankt, das sei eben "Berufsrisiko", scherzt er. Die Borreliose kann unterschiedlich schwer verlaufen und schädigt überwiegend Nervensystem, Gelenke und Herz. Einige seiner Kollegen seien durch Borreliose chronisch krank geworden. Gegen FSME ist er natürlich geimpft, bekräftigt Sanders. Er habe "keine Lust auf eine Hirnhautentzündung und deren Nachwirkungen". Aber beruflich sei er nun mal viel im Wald unterwegs.

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR SACHSEN - Das Sachsenradio am 11. April 2025 um 14:00 Uhr.