Bäume im Klimawandel Dem Wald mit Sensoren "zuhören"
Der Klimawandel setzt den Wäldern weltweit zu. Welche Baumarten überleben trotz schwierigster Bedingungen? Mithilfe von Technik wollen Forschende Bäume zum "Sprechen" bringen.
In ihrem Projekt "Ecosense" haben Forschende der Universität Freiburg Sensoren entwickelt, die die Reaktionen von Bäumen auf Stressfaktoren wie Hitze, Trockenheit oder Schädlinge erfassen. Das Projekt zum Klimawandel soll kritische Veränderungen im Ökosystem Wald präziser und schneller erkennen und vorhersagen können - so das Ziel.
"Die Dürren der letzten Jahre haben gezeigt, wie unterschiedlich die Effekte des Klimawandels auf den Wald sind", erklärt Christine Werner, Professorin für Ökosystemphysiologie an der Uni Freiburg und eine der Projektleiterinnen im SWR.
Christiane Werner ist seit 2015 Professorin für Ökosystemphysiologie am Institut für Forstwissenschaften und erforscht die Reaktionen von Pflanzen und Ökosystemen auf den Klimawandel.
Während die eine Baumgruppe abgestorben sei, stünden direkt daneben gesunde Bäume der gleichen Art. "Solche heterogenen Prozesse können wir in Zukunft mithilfe hochaufgelöster Messungen viel besser verstehen", sagt Werner.
"Ecosense" ist ein interdisziplinäres Projekt zum Klimawandel, das das Ökosystem Wald untersucht. Beteiligt sind Fachleute aus den Gebieten Hydrologie, Bodenphysik, Bodenkunde, Umweltmeteorologie, Ökosystemphysiologie und Mikrosystemtechnik. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert "Ecosense" über vier Jahre mit rund 10,5 Millionen Euro.
Winzige Sensoren für Blätter und Wurzeln
Die Forschungsgruppe hat Mikrosensoren entwickelt, die sich direkt an den Blättern oder Wurzeln anbringen lassen - eine Neuheit. So lassen sich Prozesse untersuchen, die in den Pflanzen und im Boden ablaufen, wie die Photosynthese oder Interaktionen zwischen Pflanzen. Die Sensoren messen auch, wie das Stresslevel der Bäume durch Umweltveränderungen wie Wassermangel oder extreme Hitze steigt.
Um möglichst viele Messdaten zu sammeln, werden die Bäume vom Waldboden bis zur Krone mit Sensoren bestückt. Je nach Messort unterscheiden sich Mikroklima und Lichtverhältnisse stark. Eine weitere Besonderheit des Projekts ist die flächendeckende Verteilung von Sensoren, so entsteht ein richtiges Netzwerk, erläutert Christine Werner.
Sensoren sind auf dem Waldboden zu sehen. Künftig will das Forscherteam, dass das Netzwerk mobil wird und sich schnell auf- und abbauen lässt.
Spezielle Blatt-Küvetten messen an den Bäumen
Die Forschenden haben eine sogenannte Blatt-Küvette entwickelt, um den Gasaustausch der Blätter zu messen. Sie ist eine kleine Messeinheit und schützt die Mikrosensoren vor Hitze, Frost und Sturm. Die Blatt-Küvette ist eine Halbkugel aus klarer Plastikfolie - hergestellt im 3D-Drucker. Diese Halbkugel wird mit einem magnetischen Metallring am Blatt befestigt. So die Lösung für Laubbäume. Für Nadelbäume müssen sich die Forschenden noch etwas überlegen.
Die am Blatt befestigten Mikrosensoren messen die Temperatur des Blatts und der Umgebung sowie die Feuchtigkeit. Die Messdaten sollen unter anderem zeigen, wie Veränderungen in der Umwelt die Photosynthese der Pflanzen beeinflussen und ab wann ein Baum zu sterben beginnt.
Messtürme im Wald ergänzen das Sensoren-Netzwerk
In einem Wald bei Ettenheim nahe Freiburg testen die Forschenden derzeit verschiedene Sensoren. Zudem hat das Forschungsteam drei Messtürme im Wald installiert. Der größte Turm ist 45 Meter hoch. Die Türme dienen dazu, Daten in den Baumkronen und um sie herum zu sammeln. Alle gesammelten Messdaten aus dem Netzwerk der Sensoren werden in Echtzeit an eine Datenbank geschickt.
Nicht nur am Boden werden Daten gesammelt, sondern auch in den Baumkronen.
Mobiles Warnsystem für Wälder im Hitzestress
Am Ende des Projekts soll ein mobiles System stehen, das sich schnell auf- und wieder abbauen lässt - so die Vision der Forschenden. Dadurch wäre das Sensoren-System in jedem Wald einsetzbar und könnte zum Beispiel bei extremer Hitze schnell installiert werden, um dem Wald genau "zuzuhören".
Die gesammelten Messdaten könnten irgendwann Prognosen ermöglichen, wie sich die Gesundheit eines Waldes entwickelt. Sie könnten auch als Warnsystem fungieren, wenn ein Wald zu kippen droht.