Jahresrückblick Welche medizinischen Fortschritte gab es 2024?
Gelähmte lernen wieder laufen, KI unterstützt die Psychotherapie und ein Diabetesmedikament könnte bei Alzheimer helfen. Diese Durchbrüche gab es 2024 in der Medizin.
2024, das Jahr in dem die Ampel auseinanderbrach, Donald Trump wieder zum US-Präsidenten gewählt wurde und in dem die Erderwärmung erstmals durchschnittlich über der 1,5 Grad Marke lag. Doch daneben ist auch viel in der Wissenschaft passiert. Wir blicken auf die wichtigsten Fortschritte in der Medizin 2024.
Gehirn-Chip für Mensch mit Querschnittslähmung
Bereits Anfang des Jahres sorgte ein bekannter Name für die ersten Schlagzeilen: Elon Musk. Statt um Tesla oder den US-Wahlkampf ging es um "Neuralink". Dem Unternehmen von Musk gelang es erstmals, einem Patienten erfolgreich einen drahtlosen Hirn-Chip einzusetzen.
Mit dem Implantat sollen querschnittsgelähmte Menschen in der Lage sein, elektronische Geräte nur mit ihren Gedanken zu steuern. Neuralink postete Monate später ein Video von dem Patienten, wie er bei einem Online-Schachspiel den Cursor ausschließlich mit seinen Gedanken bewegt haben soll.
Teilweise Gelähmte lernen wieder Laufen
Bei der Behandlung von Menschen mit einer teilweisen Lähmung kommt ein möglicher Durchbruch von einem Forschungsteam aus Lausanne. Dem Team ist es gelungen, mittels tiefer Hirnstimulation die Genesung einer Rückenmarksschädigung zu beschleunigen.
Ist das Rückenmark nur teilweise durchtrennt, können Betroffene durch intensives Training wieder das Laufen lernen. Durch spezielle Hirnimplantate kann dieser Lernprozess unterstützt werden. Die eingesetzten Elektroden können von außen mit einem Gerät angesteuert werden und so bestimmte Hirnareale elektrisch Stimulieren. Dadurch fiel es den zwei Patienten einer Pilotstudie leichter, das Laufen wieder zu erlernen.
Ob sich diese Ergebnisse auf weitere Betroffene ausweiten lassen, ist noch offen. Weitere Tests sollen zeigen, ob und wie viele Patienten nachhaltig von der Methode profitieren können.
Lenacapavir schützt langfristig vor Infektion mit HIV
Auch im Kampf gegen HIV gab es dieses Jahr eine gute Nachricht: Ein neues Medikament bietet sechs Monate lang Schutz vor einer Infektion. Bislang gab es zur Prävention zwar schon Tabletten. Die müssen aber jeden Tag eingenommen werden.
In zwei Testverfahren konnte festgestellt werden, dass der Wirkstoff Lenacapavir bei zahlreichen Studienteilnehmenden vor einer HIV-Infektion schützt - und zwar noch zuverlässiger als die herkömmlichen Tabletten. Die Ergebnisse der Studien seien bahnbrechend und würden die Prävention im Bereich HIV grundlegend verändern, erklärt die Infektiologin Prof. Clara Lehmann, vom Uniklinikum in Köln in einem Gespräch mit dem SWR.
Der Wirkstoff Lenacapavir wird per Spritze verabreicht und ist seit 2022 zugelassen - allerdings nur zur Behandlung einer bestehenden HIV-Infektion. Als Prophylaxe ist der Wirkstoff noch nicht zugelassen. Dieser Schritt könne bei der aktuellen Studienlage allerdings bald folgen, so Lehmann. Einen Haken gibt es allerdings noch: Das Medikament ist noch sehr teuer.
Abnehmspritzen wie Ozempic sollen vor Alzheimer schützen
Die Abnehmspritze wurde eigentlich für die Behandlung von Diabetes entwickelt, hilft aber auch bei Adipositas. Doch darüber hinaus hat das Medikament dieses Jahr für weitere Schlagzeilen gesorgt: Es soll das Risiko vieler Erkrankungen, darunter auch Alzheimer, senken.
Adipositas und Diabetes begünstigen Alzheimer. Eine Behandlung der Erkrankungen durch die Abnehmspritze senkt so auch indirekt das Alzheimer-Risiko. Der Wirkstoff könnte aber auch direkt Alzheimer vorbeugen, indem er auf Entzündungsvorgänge im Gehirn wirkt. Das legen erste Studienergebnisse diesen Jahres nahe.
Noch ist die Datenlage aber sehr dünn. Aktuell laufen die ersten großen Studien, die den Effekt der Wirkstoffe zum Beispiel auf Alzheimer untersuchen. In zwei Jahren wird mit den ersten belastbaren Ergebnissen gerechnet.
Stammzelltherapie heilt Typ-1-Diabetes
Forschenden verzeichneten dieses Jahr einen Fortschritt bei der Behandlung von Typ-1-Diabetes. Eine Patientin erhielt eine Transplantation eigens gezüchteter Inselzellen. Diese Zellen sind für die Insulinproduktion verantwortlich.
Mehrere Monate nach der Behandlung ist die Patientin ohne eine zusätzliche Einnahme von Insulin ausgekommen. Doch die Stammzelltherapie wurde bisher nur an einer einzigen Person getestet. Abzuwarten bleibt, ob sie auch bei mehr Menschen Erfolg hat.
Denn Experten bemängeln, dass die Patientin, bei der der Behandlungserfolg festgestellt wurde, zusätzlich Immunsuppressiva einnimmt. Da es sich bei Typ-1-Diabetes um eine Autoimmunerkrankung handelt, könnten diese einen Einfluss auf den Therapieerfolg haben. Weitere Forschung soll in den nächsten Jahren klären, ob eine Stammzelltherapie wirksam in der Behandlung von Typ-1-Diabetes ist.
KI soll Risiko für psychische Krankheiten senken
Um Psychotherapie zu ergänzen und Menschen mit psychischer Belastung im Alltag zu unterstützen, könnten in Zukunft Chatbots mit Künstlicher Intelligenz eingesetzt werden. Eine KI-App vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) leitet Übungen an und gibt Tipps, um die psychische Gesundheit zu stärken.
Die App wurde mit Jugendlichen entwickelt und soll auch das Risiko der Entstehung von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen senken. Zwar sind KI-Apps noch nicht als Medizinprodukt zugelassen, doch das Potenzial für den Einsatz von KI in der Psychotherapie sei groß, so ein Psychiater des Mannheimer Instituts.