Frauen transportieren Waren in Ghanas Haupstadt Accra

Wirtschaftskrise in Ghana Wie Afrikas Musterland abrutschte

Stand: 05.03.2023 15:28 Uhr

Vor nicht mal fünf Jahren war Ghana noch eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Nun versickern die Staatseinnahmen im Schuldendienst, Investitionen liegen brach. Wie kam es dazu?

Die Eier stapeln sich im Kofferraum von Rhodas Auto. Die Heckklappe ist auf, mehr als 1000 Eier wollen verkauft werden. Sie steht mit orangefarbener Schürze und ernstem Geschichtsausdruck an ihrem mobilen Pop-up-Stand, mitten in der Hauptstadt Accra. Denn die Nachfrage bei den Passanten ist verhalten - kein Wunder. "Die Wirtschaft läuft schlecht. Für den normalen Ghanaer ist es schon schwer geworden, einmal am Tag ein Essen auf dem Tisch zu haben," sagt sie. Beispiel Eier: "Die Farmer füttern ihre Hühnern schon weniger, weil das Futter so teuer geworden ist. Sonst könnte man sich die Eier gar nicht mehr leisten."

"Wir verstecken unsere hausgemachten Probleme"

Ghana - vom Vorzeigeland zum Problemfall. Das ist schlimm vor allem für jene, die bislang ohnehin nicht viel mehr hatten als das Nötigste. Dazu zählt in Ghana Kenkey, fermentiertes Maismehl, ein Grundnahrungsmittel in vielen Ländern des Kontinents. "Ich habe gerade Kenkey gekauft, weil ich mir den Fisch dazu nicht mehr leisten kann." Sie müsse ja auch noch die umgerechnet 200 Euro Schulgeld für ihre Tochter bezahlen.

Für Rhoda liegt die Schuld bei den Politikern - und für John Gartchie Gatsi, Professor für Wirtschaft an der Universität in Cape Coast, auch: "Genau so ist es - wir haben einfach Politikansätze, die in der Schublade waren, nicht umgesetzt." Der Krieg in der Ukraine habe Importe verteuert, Covid habe die Wirtschaft zuvor bereits ins Schlingern gebracht, sagt Gatsi. "Aber wir verstecken unsere hausgemachten Probleme dahinter."

Rhonda

"Für den normalen Ghanaer ist es schon schwer geworden, einmal am Tag ein Essen auf dem Tisch zu haben": Eierhändlerin Rhonda hat große Probleme, ihre Ware auf dem Markt zu verkaufen.

Gemüseimport statt eigener Anbau

So habe Ghana den Plan gehabt, 30 Prozent des im Land konsumierten Reises selbst zu produzieren. Umgesetzt wurde das Vorhaben nicht - stattdessen wird weiter importiert. "Wir importieren für 100 Millionen Euro Tomaten aus dem Wüstenstaat Burkina Faso im Norden", schimpft Gatsi. "Die könnten wir selbst anbauen." So sei es auch mit Fruchtsäften. Neue Industrien aufzubauen oder auch nur zu ertüchtigen, dürfte in der jetzigen Situation aber schwer fallen, denn neue Investition kann der angeschlagene Finanzsektor kaum stemmen.

Einfach gesagt: Der Staat hat sich über die vergangenen Jahre so viel Geld im öffentlichen Sektor geliehen, dass für investitionswillige Unternehmen kaum Kredite zu akzeptablen Bedingungen möglich sind. Grund dafür war eine Politik, die zu viele Wahlversprechen machte, vor allem im Sozialbereich. Gleichzeitig wurden ab 2017 laut Regierungspartei "lästige Steuern" gestrichen oder abgesenkt, darunter auf Finanzdienstleistungen, Autoteile oder Flugtickets. Gleichzeitig den Armen geben und den Reichen auch - das funktionierte nicht.

Die Öl-Blase ist auch geplatzt

Dann platzte auch noch die Öl-Blase: Neue Ölquellen waren vor der Küste entdeckt worden, doch bevor die sprudeln konnten, versiegte die Staatskasse. Nicht mal für eines der Lieblingsprojekte und Wahlversprechen des Präsidenten - eine stattliche Kathedrale - war plötzlich mehr Geld da.

Zwar haben die Preise für Rohöl angezogen, doch das Geld versickert nun im Schuldendienst: Mit fast 50 Milliarden Dollar steht der Staat bei den Schuldnern in der Kreide - das sind fast 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dabei sollte es dem Land eigentlich besser gehen: Ghana liegt etwa bei der Goldförderung auf Platz elf, bei der Kakaoproduktion auf Platz zwei, 90 Prozent der im Land benötigten Nahrungsmittel produziert es selbst.

Rohbau-Ruine einer Kathedrale

Vom Prestige-Projekt zur Bauruine: Ob die Kathedrale in Accra noch fertig gestellt werden kann, ist unklar, weil dem Staat die Mittel fehlen.

Keine Umsturz-Stimmung in der Krise

Die Lage ist dennoch schwierig, auch vor dem Hintergrund, dass jeder dritte Jugendliche und junger Erwachsene in der Statistik als "arbeitslos" geführt wird. Eine Art von revolutionärer Umsturzstimmung kommt trotzdem nicht auf, weil das Stimmungsbild unter den vielen Stämmen und ethnischen Gruppen des Landes nicht einheitlich ist.

"Instabilität könnte aber insofern durch die wirtschaftliche Lage entstehen, so dass die für Dezember 2024 geplanten Wahlen vielleicht vorgezogen werden müssten", glaubt Wirtschaftswissenschaftler Gatsi. Allerdings könnte das für die Ghanaer ein weiterer teurer Posten auf der Ausgabenliste werden, meint er: "Möglicherweise ist 2020 einiges von dem Geld für die Covid-Bekämpfung in den Wahlkampf geflossen. Wir brauchen mehr Zurückhaltung bei den Ausgaben."

Karte: Ghana

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. März 2023 um 21:58 Uhr.