Händler mit Reparaturservice Flicken lassen statt wegwerfen
Auch große Modehändler wie Zalando bieten inzwischen Reparaturdienste für das Loch in Jeans oder Kleid an. Wächst bei Verbrauchern wieder der Wunsch, Kleidung möglichst lange zu tragen?
"Jeder zweite Verbraucher glaubt, dass Marken und Einzelhändler, wenn sie Besserungsdienste anbieten würden, nachhaltiger handeln könnten - also testen wir diese Theorie", sagt Laura Coppen, Head of Circularity bei Zalando. In der Praxis heißt das "Care & Repair", ein in Berlin gestartetes Pilotprojekt. Egal, ob die Hose oder das Kleid einen Riss hat, die Sneaker verschmutzt oder verblichen sind, der Schuhabsatz abgelaufen ist - wer seine Kleidungsstücke trotzdem weitertragen möchte, kann sie über Zalando reparieren lassen.
Der Versandhändler arbeitet dafür mit dem Start-up Save Your Wardrobe zusammen, über dessen Plattform die Reparatur online gebucht werden kann. Der Versand erfolgt über das Zalando Logistiknetzwerk. Die Kosten für Reparatur oder Reinigung legen die Betriebe fest. Sole Fresh ist eines von bisher vier. Es berechnet für die Reinigung und Wiederaufbereitung von Sneakern zwischen 20 und 45 Euro. Dazu kommen für die Kunden Lieferkosten und Servicegebühren.
Früher eine Selbstverständlichkeit
Das Familienunternehmen Schöffel blickt auf eine mehr als 200-jährige Geschichte als Bekleidungsunternehmen zurück. Einen Reparaturservice bietet es seit der ersten Wanderhose an, die vor über 50 Jahren produziert wurde. "Früher waren Reparaturen eine Selbstverständlichkeit, zwischenzeitlich waren sie in den Hintergrund geraten und gewinnen nun mit wachsendem Bewusstsein für Nachhaltigkeit wieder an Relevanz", erklärt Sprecherin Katrin Lörch. Inzwischen bietet Schöffel auch Reinigung, Imprägnier- und Änderungsservices an.
Damit ist die Firma kein Einzelfall. Andere Anbieter zeigen auf ihren Internetseiten, wie sich Fahrradtaschen oder auch Jeans schnell und einfach reparieren lassen. "Das ist für viele Unternehmen gelebte Nachhaltigkeit und gehört zu ihrer Unternehmensphilosophie", sagt eine Sprecherin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie.
Kritik an "Fast Fashion"
Die so genannte "Fast Fashion", der immer schnellere Wechsel von Modeartikeln, sorgt dafür, dass Klamotten immer kürzer getragen werden: Was nicht gefällt, landet in der Tonne. Mehr als 70 Prozent der Fasern, die von der globalen Modeindustrie jährlich hergestellt werden, wandern nach einer Schätzung der in Großbritannien registrierten Wohltätigkeitsorganisation Ellen MacArthur Foundation in den Müll. Nicht einmal ein Prozent werde für neue Bekleidung wiederverwendet.
Das Kölner Modelabel Armedangels kritisiert genau das. "Der Modeindustrie fehlt es an skalierbaren Lösungen, um mit den wachsenden Bergen unerwünschter Kleidung fertig zu werden," erklärt deren Corporate Responsibility Managerin Lavinia Muth. Das Unternehmen hat deshalb seit kurzem Shirts mit einer "Circularity.ID" im Angebot. Mit Hilfe dieses NFC-Tags testet Armedangels Systeme für Alttextilsortierung, Wiederverkauf sowie hochwertiges Recycling. Ziel ist ein echtes Kreislaufsystem in der Modebranche zu etablieren. Das Projekt läuft vorerst bis Ende kommenden Jahres.
Kleidung als "ein Stück Geschichte"
Reparatur, Wiederverwendung, Upcycling, Recycling - Orientierung hierzu bietet beispielsweise die Berliner Internetplattform A-gain Guide an. Auf einem digitalen Stadtplan lässt sich nach den einzelnen Angeboten wie Änderungsschneiderei, Taschenreparatur, Flohmarkt oder auch Leihservices suchen - und das für jeden Bezirk. Die selbsternannten und vom Berliner Senat unterstützten Textilretter glauben nach eigenen Angaben "an eine Zukunft, in der unsere Kleidungsstücke wieder geliebt werden, ein möglichst langes Leben führen und ein Stück Geschichte bewahren - die von Generation zu Generation weitergetragen und wiederverwertet oder gar aufgewertet werden".
Ganz so weit geht Zalando nicht. "Care & Repair" ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Kurzfristig will der Versandhändler damit bis 2023 die Lebensdauer von mindestens 50 Millionen Modeartikeln verlängern.