Online-Konkurrenz wächst Modehandel im Umbruch
Der Verkauf von Mode im Internet boomt: Die Otto-Tochter About You, die heute erfolgreich an der Börse startete, wächst rasant. Stationäre Modehändler dagegen verschwinden zunehmend. Haben sie noch eine Zukunft?
Längst ist in deutschen Innenstädten der einstige Glamour der Modebranche verflogen. Es herrscht die nackte Existenzangst. Viele Modehändler fühlen sich bis aufs letzte Hemd ausgezogen. In der Corona-Pandemie mussten gleich reihenweise Textilhändler- und hersteller aufgeben. Bekannte Namen wie Escada, Hallhuber, Bonita, Appelrath Cüpper und Adler-Modemärkte meldeten Insolvenz an.
Weitere Modehändler werden bald folgen, prophezeien der Kreditversicherer Euler Hermes und der Handelsverband Textil (BTE). Euler Hermes rechnet erst 2023 mit einer Rückkehr auf das Vorkrisenniveau.
"Home-Office und Anzug passen nicht zusammen"
Während der Lockdown waren neue Klamotten kaum gefragt. Wer braucht für die Arbeit zu Hause schon ein neues teures Outfit? "Home-Office und Anzug passen nicht zusammen", sagt Gerd Oliver Seidensticker, Präsident von German Fashion.
Der Umsatz der Modebranche schrumpfte im Corona-Jahr um mehr als 20 Prozent auf rund zwölf Milliarden Euro. "Die Pandemie hat die Modebranche in eine tiefe Krise gestürzt", klagt German-Fashion-Chef Seidensticker. "Viele unserer Unternehmen sind auf Hilfe vom Staat angewiesen."
Strukturkrise schon vor Corona
Doch schon vor der Pandemie standen die stationären Modehäuser unter Druck. Corona hat die Strukturkrise der Branche noch beschleunigt. Die Umsätze im stationären Handel sind seit Jahren rückläufig. Das Sterben der Modehändler hat schon lange begonnen. Zwischen 2010 und 2019 ist die Anzahl der Betriebe in der Bekleidungsbranche um 31 Prozent gesunken, hat die Unternehmensberatung PwC in einer Studie herausgefunden. Handelsexperte Gerrit Heinemann, Handelsexperte der Hochschule Niederrhein, spricht auf tagesschau.de von einem "kollektiven Sanierungsfall".
Die zunehmende Billig-Konkurrenz durch Textildiscounter wie Primark und der Siegeszug des Onlinehandels machen der klassischen Modebranche schon lange zu schaffen. Online-Händler wie Zalando oder auch About You florieren. Einzig H&M und Zara haben sich erfolgreich gegen die Online-Konkurrenz gestemmt und sich auch in der Corona-Krise behauptet.
Immer mehr Mono-Labels
Zudem geht der Trend hin zu Mono-Labels. Immer mehr Modehersteller wie Hugo Boss oder auch der Sportartikelausrüster Adidas gründen ihre eigenen Flagship-Stores und vertreiben dort ihre Produkte - zum Leidwesen der klassischen Modehändler, die traditionell den Multi-Label-Ansatz verfolgen.
Das Ende des mehrmonatigen Lockdowns und die Rückkehr der Laufkundschaft in den Städten dürften kurzfristig dem stationären Modehandel wieder etwas Luft verschaffen. Auf Dauer aber müsse sich die Branche neu erfinden, fordern Experten. Nur wer mit innovativen Konzepten die Bedürfnisse der Kunden treffe werde überleben, sagt PwC-Handelsexperte Stefan Schwertel.
Regionale oder nachhaltige Konzepte als Ausweg?
Als positives Beispiel sieht Experte Heinemann der Mannheimer Modehändler Engelhorn. Das Unternehmen hat sich auf einen regionalen Markt fokussiert und verkauft inzwischen schon gut die Hälfte seiner Kleidung übers Internet.
Andere Modehändler konzentrieren sich auf Nischen wie zum Beispiel Nachhaltigkeit. Einige flüchten auch in die Arme ihres größten Konkurrenten Zalando. Gut 2400 stationäre Modehändler verkaufen inzwischen ihre Kleidung auch über die Zalando-Plattform "Connected Retail".
Vorbild H&M und Zara
Das nütze aber vor allem Zalando und reiche nicht, um das stationäre Geschäft dauerhaft zu retten, monieren Experten wie Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. "Das ist eine Einbahnstraße." Seiner Meinung nach sollten die stationären Modehändler künftig vorrangig On-Demand operieren - nach dem Vorbild von H&M und Zara. Tatsächlich beginnt C&A derzeit, in Deutschland wieder Jeans "on demand" am Standort Mönchengladbach zu produzieren.
Neue Wege geht das Modetraditionshaus Köhler aus Hessen. Es bietet Modeberatung und -verkauf per Video an. Der Kunde füllt im Internet einen Fragebogen aus, bevor er dann eine Videoberatung bekommt. Beim Videotelefonat entscheidet sich der Kunde dann, was er nach Hause geliefert haben will. Das Konzept lohne sich vor allem bei Stammkunden, sagt Paula Vordemfelde, Geschäftsführerin von Köhler. Ihr Motto: "Wir müssen kreativ werden und schnell reagieren können."