Ein Bauarbeiter geht über ein Baustellengerüst.

Verbände alarmiert Stillstand am Bau - auch bei Gebäudesanierungen

Stand: 19.07.2023 14:33 Uhr

In Deutschland entstehen zu wenige Neubauten, die Branche leidet unter gestiegenen Preisen und hohen Zinsen. Auch Gebäudesanierungen werden massiv zurückgefahren. Diverse Verbände fordern nun ein "Klimakonjunkturpaket".

Von Hans-Joachim Vieweger, ARD-Hauptstadtstudio

In Corona-Zeiten war der Bausektor so etwas wie der Fels in der Brandung: Während viele Industriebetriebe Kurzarbeit anmelden mussten, lief der Bau im Großen und Ganzen weiter. Die Zeiten sind vorbei: Gestiegene Preise, hohe Zinsen und schlechtere Förderbedingungen belasten die Branche.

Aber nicht nur der Neubau, auch klassische Gebäudesanierungen wie der Austausch alter Fenster oder Dämmmaßnahmen werden massiv zurückgefahren, so die Beobachtung von Christian Noll von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz.

Das Bewusstsein für die Energieeffizienz sei auf einem historischen Maximum - alle wüssten, dass etwas dafür getan werden müsse, "doch die Investitionen in Energieeffizienz sind auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt", erklärt Noll. Die Energiepreise und die politische Situation führten zu Attentismus als zu Investition.

 

Verunsicherung bei Verbrauchern

Abwarten ist angesagt - und das hängt mit mehreren Faktoren zusammen, zum Beispiel mit der Beruhigung bei den Energiepreisen. Dadurch sinkt der Druck, schnell zu sparsameren Lösungen zu kommen. Zugleich sind viele Maßnahmen teurer geworden genauso wie etwa der Einbau von Wärmepumpen.

Und schließlich habe auch die monatelange Diskussion um das Heizungsgesetz für Verunsicherung gesorgt, beklagt Jutta Gurkmann vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.  

Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher aber zur Energiewende beitragen sollen und das sollen und wollen sie auch - das wissen wir aus zahlreichen Umfragen - dann brauchen sie vor allem Planungs- und Investitionssicherheit.
Jutta Gurkmann, Bundesverband der Verbraucherzentralen

Verbände fordern "Klimakonjunkturpaket"

Der Vertreter der Gebäudeenergieberater, Stefan Bolln, geht sogar noch einen Schritt weiter. In der Diskussion um das Heizungsgesetz sei der Eindruck entstanden, künftig werde ganz Deutschland an das Nah- und Fernwärmenetz angeschlossen bzw. mit Wasserstoff versorgt.

Dem sei aber nicht so - auch 2045 würde man immer noch 60 Prozent Individualheizungen haben und müsse den Wärmebedarf senken. Das sei politisch gesehen in eine Schieflage geraten, betont Bolln.

Die 15 Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherverbände, die sich mit ihrem Appell an die Politik zusammengetan haben, fordern daher ein "Klimakonjunkturpaket", unter anderem mit einem Sanierungsprogramm für alle öffentlichen Gebäude. Außerdem sollten die Förderbedingungen für umfassende energetische Modernisierungen, die im vergangenen Jahr gekürzt wurden, wiederhergestellt werden.

Mit Sorge sehe man, dass sich die entsprechenden Förderanträge im Mai gegenüber dem Vorjahr halbiert hätten. Wenn die Politik nicht gegensteuere, drohten, wie es in dem offenen Brief heißt, die Klimaziele noch stärker verfehlt zu werden als schon absehbar.

Zudem drohten Entlassungswellen - mit der Folge, dass Fachkräfte für die Gebäudesanierung künftig nicht mehr zur Verfügung stünden. Eine Sorge, die die Verbände mit der gesamten Bauwirtschaft teilen.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 19.07.2023 13:24 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 19. Juli 2023 um 11:22 Uhr.