Frankreich startet Reparaturbonus Geld für den Gang zu Schuster und Schneiderin
260.000 Tonnen Kleidung wandern in Frankreich jedes Jahr in die Tonne. Das soll sich ändern. Wer beschädigte Kleidung oder Schuhe reparieren lässt, erhält Rabatt - finanziert durch einen Fonds.
Schneider Hassan Amadassan schaut ungläubig von seiner Arbeit an der Nähmaschine auf. Ein Reparaturbonus, mit dem er zwischen 6 und 25 Euro Rabatt geben kann? Davon hört er das erste Mal. In seinem kleinen chaotischen Laden in der Rue Letort im Norden von Paris stapeln sich Jeans, Röcke und Jacken. Seine nicht gerade gut betuchten Kunden könnten den Rabatt sicher gut gebrauchen, meint er: "Das ist interessant. Für die Reparatur einer Hose nehme ich acht bis zehn Euro, für eine Jeans 15 Euro, die Reparatur einer Jacke kann auch schon mal 30 Euro kosten. Ich versuche dann zu erklären, wie viel Arbeit das ist."
Auch Turnschuhe kann man flicken
Nadja kommt gerade aus dem Laden und steckt sich eine Zigarette an. Die junge Frau Ende 20 bringt hier regelmäßig reparaturbedürftige Sachen vorbei: "Unter uns jungen Leuten ist das ziemlich verbreitet. Sogar Sneaker und Sportschuhe lasse ich reparieren, wenn da so ein kleines Loch drin ist. Wenn dieser neue Bonus richtig saftig ist, dann ist das schon interessant."
Das findet auch Anne-Marie. Die Rentnerin stellt ihre schweren Einkaufstaschen vor der Ladentür ab. Sie ist hier Stammkundin, hat sich bei Monsieur Amadassan gerade die Winterstiefel flicken lassen. Aber die Mantelreparatur fand sie zu teuer, da hat sie es lieber gelassen: "Der Reißverschluss war kaputt. Das sollte 40 Euro kosten, dafür kann ich ja fast einen neuen Mantel kaufen, das lohnt sich nicht mehr. Und leider kann ich den kaputten so nicht verschenken. Was mache ich jetzt damit?"
Anne-Maries Wintermantel hätte vielleicht doch noch eine Chance auf ein zweites Leben, sollte sich Schneider Hassan Amadassan entschließen, bei dem Reparaturbonus-Programm mitzumachen. Wie genau es funktioniert und wie der Bonus finanziert wird, erklärt Elsa Chassagnette. Sie hat den Reparaturbonus mit aus der Taufe gehoben.
Bei der Pressekonferenz im Öko-Café La Recyclerie stellt sie erst einmal klar: "Nicht der Staat kommt für den Rabatt der Kunden auf, sondern das von Textilherstellern finanzierte Non-Profit-Unternehmen Refashion. Wir repräsentieren Kleider- und Schuhhersteller in ganz Frankreich. Die beteiligten Marken zahlen alle einen Öko-Beitrag an Refashion, um solche Projekte wie den Reparaturbonus umzusetzen."
Mehr als 150 Millionen Euro im Topf
154 Millionen Euro sind so in einem Fonds zusammengekommen. Handelsketten wie Zara, Eram oder Le bon marché machen mit. Gezwungenermaßen: Seit der Verabschiedung des Anti-Verschwendungsgesetzes im Jahr 2020 sind die Hersteller in Frankreich verpflichtet, nachhaltiger zu arbeiten. Abfälle nicht nur zu entsorgen, sondern dazu beizutragen, dass weniger Abfälle entstehen.
Pro Jahr werden in Frankreich 700.000 Tonnen Kleidung gekauft und 260.000 Tonnen Klamotten weggeschmissen. Das soll sich ändern. Bis zum Jahr 2028 will Refashion die Zahl der Kleider- und Schuhreparaturen um 35 Prozent steigern. Elsa Chassagnette und ihrem Team war es deshalb wichtig, die Hürden für Schneider und Schuster so niedrig wie möglich zu halten: "Sich bei dem Bonusprogramm anzumelden ist kostenlos, man muss nichts zahlen. Und die Registrierung funktioniert online. Keine Inspektion vor Ort. Sie müssen nur die steuerlichen und sonstigen Papiere hochladen, die beweisen, dass Sie den Laden wirklich betreiben."
Den Rabatt bekommen die Kunden dann direkt im Laden, die Rückerstattung übernimmt Refashion. Das geht mit einer eigens entwickelten App, erklärt Mary Lanos. Sie ist die Vorsitzende der Schneider und Schneiderinnen in Frankreich und hat das Verfahren in Zusammenarbeit mit Refashion getestet: "Mein Kunde bringt mir beispielsweise eine Jacke, dann tippe ich in der App auf das Icon 'Jacke'. Weil ich ja vorher meine Preisliste in der App hinterlegen muss, muss ich nur noch ein Foto der kaputten Jacke und die Rechnung mit dem ausgewiesenen Rabatt hochladen. Das dauert wirklich nicht lange."
600 Werkstätten sind angemeldet
Am Monatsende dann bekommt Madame Lanos die Rabatte von Refashion zurückbezahlt. Landesweit haben sich bis heute 600 Schneider- und Schusterwerkstätten für das Reparaturbonus-Programm angemeldet. 2025 sollen es 1500 sein, so das Ziel. Zu finden sind sie über eine eigene Website.
Mary Lanos sieht nur Vorteile. "Ich hoffe, dass die Kunden das richtig annehmen. Denn der beste Müll ist der, den wir gar nicht erst produzieren. Mit diesem Bonus unterstützen wir die Kaufkraft der Leute, sie haben mehr im Portemonnaie und brauchen keine neuen Dinge zu kaufen", sagt sie. "Ich hoffe, dass wir auf diese Weise viel mehr Kunden gewinnen, dass wir in den Schneidereien mehr Mitarbeiter anstellen können. Vielleicht ein oder zwei, je nach Betrieb."
Zurück in der Rue Letort, wo der Schneider Amadassan seinen Laden hat. Anne-Marie greift ihre Einkauftüten. Eine schöne Welt wäre das: Mehr Geld in der Tasche und weniger Klamotten auf dem Müll. "Wenn auf dieser Erde alle ihren Teil tun, dann schaffen wir das." Anne Marie glaubt fest daran.