Nebenkostenabrechnungen Nur ein Drittel fehlerfrei?
Vielen Mietern flattert in diesen Tagen ihre Nebenkostenabrechnung ins Haus. Wer blind zahlt, verschenkt vielleicht Geld. Denn viele Abrechnungen sind nicht korrekt.
Kerstin Steinert schaut auf die Aufschlüsselung der Nebenkosten auf der Abrechnung von ihrem Vermieter: "Mich irritiert das, ich muss da jemanden draufschauen lassen, der etwas davon versteht", sagt sie. Sie sitzt im Büro von Dietrich Rühle, er ist Anwalt beim Mieterbund Mittelrhein, einem der größeren Mietervereine in Deutschland. "Ihr Vermieter hat hier teilweise nach Wohnfläche umgelegt, teilweise nach Verbrauch und teilweise nach Wohneinheiten, das hat er ganz oben aufgeschlüsselt." Er erklärt ihr, dass das so durchaus in Ordnung sei, vorausgesetzt der Vermieter könne sämtliche Forderungen durch Belege erklären.
Kerstin Steinert ist seit einigen Jahren Mitglied im Mieterverein, eine Nachbarin hatte sie davon überzeugt. Seit dieser Zeit kommt sie jedes Jahr mit ihrer Nebenkostenabrechnung hierher. Außerdem hat sie beim Einzug den Mietvertrag prüfen lassen. Und sollte sie irgendwann ausziehen, bekäme sie auch Hilfe bei Fragen rund um Mietkaution, Renovierung und Wohnungsübergabe. Das alles ist in ihrem Jahresbeitrag von 120 Euro enthalten.
Der Mitgliedsbeitrag unterscheidet sich allerdings von Mieterverein zu Mieterverein. Auch die angebotenen Leistungen sind unterschiedlich. Der Mieterbund Mittelrhein fertigt bei Bedarf auch Schriftsätze für gegnerische Anwälte oder das Gericht an, wenn es zum Rechtsstreit kommt. "Das Gute ist", sagt Dietrich Rühle, "wenn es vor Gericht geht, haben unsere Mitglieder gute Chancen zu gewinnen, schließlich haben wir den Fall dann ja schon geprüft".
Höhere Nebenkosten aus 2023 nicht unüblich
Steinert erzählt, sie habe im vergangenen Jahr wegen der gestiegenen Energiekosten die monatlichen Vorauszahlungen zu den Nebenkosten gemeinsam mit ihrem Vermieter angehoben. Dennoch soll ihre Nachzahlung diesmal höher sein als im Vorjahr. Das kommt ihr komisch vor. Der Mieterbund-Anwalt kann auf den ersten Blick keine Fehler erkennen, das heißt aber noch nicht, dass alles in Ordnung ist. "Wenn wir drei Nebenkostenabrechnungen haben, dann ist durchschnittlich eine komplett in Ordnung. Eine ist nur formal fehlerhaft, und die dritte ist auch inhaltlich fehlerhaft. Das wäre so meine Schätzung", sagt er.
Im Fall von Kerstin Steinert sind alle Formalien eingehalten, Angaben, Fristen, berechnete Leistungen und die Aufteilung auf alle Wohnungen in dem Haus. Was aus der Nebenkostenabrechnung nicht hervorgeht ist, ob die Höhe der abgerechneten Leistungen stimmt, dafür braucht man Einsicht in die Rechnungen. "Was ich jetzt mache", erklärt Anwalt Rühle, "ich werde Ihren Vermieter anschreiben und um die Offenlegung der einzelnen Rechnungen bitten. Wenn ich das habe, melde ich mich mit dem Ergebnis und wir besprechen, was zu tun sein wird." Anders als bei einem freien Anwalt werden bei dem Folgetermin keine weiteren Kosten anfallen. Auch der Schriftverkehr ist im Jahresbeitrag enthalten.
In Deutschland sind 1,3 Millionen Haushalte Mitglied in einem der vielen Mietervereine. Wer das nicht möchte, der kann seine Nebenkostenabrechnung auch von einem freien Dienstleister prüfen lassen. Auch manche Rechtschutzversicherungen bieten so einen Service an. Wenn, wie Dietrich Rühle schätzt, nur ein Drittel aller Abrechnungen korrekt sind, zahlen Jahr für Jahr Millionen Mieter zu viel Nebenkosten.
Was gehört in die Betriebskosten?
Zunächst darf nur als Nebenkosten abgerechnet werden, was im Mietvertrag festgehalten wurde. Das können sein: Grundsteuer, Wasser, Abwasser, Heizung, Warmwasser, Aufzug (auch wer im Erdgeschoss wohnt, muss für die mögliche Nutzung zahlen - nicht für eine angefallene Reparatur), Straßenreinigung inklusive Räum- und Streudienst, Müllabfuhr, Gartenpflege, Gebäudereinigung, Innen- und Außenbeleuchtung in gemeinsam genutzten Flächen, Schornsteinfeger, verschiedene Versicherungen, der Hausmeister (aber nicht für Reparaturarbeiten) und Fernsehempfangsgeräte. Es lohnt sich also, was im Mietvertrag steht mit der Abrechnung zu vergleichen. Was nicht übereinstimmt, muss auch nicht bezahlt werden.
Es gilt außerdem der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Vermieter sind nicht verpflichtet, das billigste Angebot bei Waren, Dienstleistungen oder Versicherungen anzunehmen. Ist der Mieter aber der Meinung, er zahlt stets mehr als nötig, darf er hier widersprechen.
Schätzbeträge dürfen gekürzt werden
Sollten Kosten nicht belegt sein, sondern hat der Vermieter beispielsweise den Verbrauch von Gas, Öl oder Warmwasser geschätzt, darf der Betrag pauschal um 15 Prozent gekürzt werden. Hier macht allemal Sinn, Belege für die Ausgaben anzufordern. Der Vermieter muss keine Kopien machen. Er kann vom Mieter verlangen, bei einem Ortstermin Einsicht in seine Unterlagen zu nehmen.
Kosten können pro Wohneinheit, nach Quadratmeter oder nach Verbrauch abgerechnet werden. Ein Single in einer großen Wohnung sollte versuchen, seinen Verbrauch abrechnen zu lassen. Eine große Familie liegt meist mit der Abrechnung nach Wohneinheiten günstiger.
Wurde eine Wohnung erst Mitte des Jahres bezogen oder ist jemand vor Jahresende ausgezogen, dürfen nicht die Nebenkosten für ein ganzes Jahr in Rechnung gestellt werden.
Der Vermieter hat zwölf Monate Zeit, seine Kosten auf die Mieter umzulegen. Verspätet er sich, ist die Forderung unwirksam und muss nicht bezahlt werden. Auch Mieter haben zwölf Monate Zeit, der Nebenkostenabrechnung zu widersprechen, egal ob sie bereits bezahlt haben oder nicht.
Um böse Überraschungen zu vermeiden, können nicht nur Vermieter, sondern auch Mieter ihre Abschläge - also die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten - für das Folgejahr erhöhen. So fällt die Nachzahlung auf jeden Fall niedriger aus.
Was gehört nicht in die Betriebskosten?
Einige Kosten haben in der Betriebs- oder Nebenkostenabrechnung überhaupt nichts zu suchen: Reparaturen, auch wenn sie der Hausmeister erledigt. Sollte der Hausmeister Reparaturen ausführen, so muss der Vermieter diese Leistung aus dessen Gehalt herausrechnen, denn sie darf nicht in den Nebenkosten erscheinen.
Auch Hausverwaltung, die Rechtsschutzversicherung des Vermieters oder dessen Bank- und Kontogebühren sowie Mietkosten für Geräte wie Feuerlöscher dürfen nicht berechnet werden.
Lieber Hilfe holen, als zu viel zahlen
"Nebenkostenabrechnungen sind bei uns in den letzten Jahren der Renner geworden", sagt Dietrich Rühle vom Mieterverein, "das war früher nicht so". Wahrscheinlich liegt das an den gestiegenen Preisen für Energie. Hier lohnt es sich, heute mehr als noch vor einigen Jahren, die Nebenkosten prüfen zu lassen. "Aber unsere Mitglieder kommen auch mit anderen Problemen, mit der Kündigung vom Vermieter oder mit Schikane", so Rühle.
Oft sei es auch hier besser, eine dritte Partei auf den Streit schauen zu lassen. "Nur wenn unsere Mitglieder mit Nachbarschaftsstreitigkeiten kommen, sind uns die Hände gebunden - vor allem, wenn beide Parteien bei uns Mitglied sind. Ein paar schlichtende Worte hätten wir aber auch in diesem Fall."