Pläne von Volkswagen Das Kalkül hinter dem Porsche-Börsengang
Noch in diesem Jahr will der VW-Konzern seine Sportwagentochter an die Börse bringen. Was hinter den Plänen steckt - und warum der Rivale Tesla damit zu tun haben könnte.
Die Einzelteile sind in Summe mehr wert als das Ganze - diese Börsenweisheit dürfte auch für Porsche und Volkswagen gelten. Davon geht der Auto-Experte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler aus. "Das sieht man allein daran, dass der VW-Kurs bei jeder Spekulation über einen Börsengang von Porsche steigt."
Dahinter stecke die Annahme, dass ein Unternehmen wie Porsche innerhalb des riesigen VW-Konzerns von Investoren nicht den Wert zugemessen bekomme, den es eigentlich verdiene. Autoanalyst Pieper schätzt, dass Porsche allein bei einem Börsengang eine Marktkapitalisierung von 80 Milliarden Euro erreichen könne. Das ist nicht viel weniger als der Börsenwert des gesamten Volkswagen-Konzerns, der aktuell bei etwa 107 Milliarden Euro liegt. Aus Sicht von Pieper ist Volkswagen ohnehin "krass unterbewertet".
VW will Hauptaktionär bleiben
Mit einem Börsengang würde Volkswagen seine Premium-Marke ins Schaufenster stellen. Für viele Branchenkenner ist Porsche die "Perle" im VW-Konzern. Die Marke ist ein zentraler Ertragsbringer für die Volkswagen-Gruppe. Gestern Abend hat die Führung in Wolfsburg grünes Licht gegeben, zumindest für einen Teil-Börsengang der Stuttgarter Sportwagentochter. Der Wolfsburger Autokonzern und sein Haupteigner Porsche SE einigten sich auf entsprechende Eckpunkte.
Aufgrund der komplizierten Eigentümer-Struktur soll aber nur ein Teil der Aktien als sogenannte Vorzugsaktien frei verkäuflich sein. Volkswagen will in der aktuell diskutierten Konstruktion Hauptaktionär von Porsche bleiben.
Was wollen die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch?
Porsches Grundkapital soll nach derzeitigem Stand zur Hälfte in Stamm- und in Vorzugsaktien aufspalten werden. Bis zu ein Viertel der Vorzugspapiere könnten öffentlich gehandelt werden - bezogen auf die Gesamtmenge aller Anteile wären das maximal 12,5 Prozent.
Die Dachgesellschaft Porsche SE wiederum würde 25 Prozent plus eine Aktie der stimmberechtigten Stammpapiere bekommen. Die Porsche SE ist das Machtzentrum im Wolfsburg-Stuttgarter Geflecht. Sie hält gut 53 Prozent der Stimmrechte am Volkswagen-Konzern und wird von den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch kontrolliert.
Branchenkenner Pieper vom Bankhaus Metzler glaubt, dass hinter der Abspaltung von Porsche auch der Wille der Eigentümerfamilien stehe, wieder die Kontrolle über Porsche zu bekommen und näher am Geschäft des Sportwagenbauers dran zu sein. Schließlich war Porsche bis vor der Übernahme durch Volkswagen im Jahr 2012 eigenständig.
Halb Industriekonzern, halb Luxusgüterhersteller
VW-Finanzvorstand Arno Antlitz sagte heute in einem Gespräch mit Journalisten, das Durchspielen des möglichen Porsche-Börsengangs sei "ein wichtiger Meilenstein zur Umsetzung unserer neuen Strategie." Es gehe darum, Profil und Wert der Marke im Konzern zu stärken. Vorstandschef Herbert Diess ergänzte, eine gesondert gelistete Porsche AG könne agiler werden und ihre "unternehmerische Freiheit" besser ausspielen.
Für Autoexperte Pieper ist Porsche zur Hälfte ein Großindustriebetrieb, zur anderen Hälfte aber ein Luxusgüterhersteller. Das mache das Unternehmen weniger anfällig für zyklische Schwankungen der Autoindustrie, wenn etwa Stahl teurer werde oder sich aufgrund der aktuellen Sanktionen gegen Russland ein Absatzmarkt schließe. "Ein Porsche-911-Fahrer hat in der Regel so viel Vermögen, dass ihn die steigende Inflation nicht tangiert", so Pieper.
Kampfansage an Tesla
Zumal die Luxus-Sportwagen im wichtigen Absatzmarkt China enorm gefragt sind, während andere Marken aus dem Volkswagen-Konzern wie VW und Skoda zuletzt rückläufige Verkaufszahlen in China zu verzeichnen hatten. Kapitalmarktkenner Andreas Lipkow von der Comdirect-Bank sieht in Porsche enormes Wachstumspotenzial - gerade mit Blick auf die Elektrifizierung. Zumal jedes Porsche-Modell schon als E-Auto zu haben sei.
Hinter dem Börsengang vermutet Lipkow auch eine Kampfansage an den Elektroauto-Pionier Tesla, der trotz geringerer Absatzzahlen ungleich höher bewertet ist als der Volkswagen-Konzern. Und das obwohl Volkswagen mit jährlich bis zu 10 Millionen Autos etwa zehn Mal so viel verkauft wie Tesla.
Geld für die Elektro-Offensive
Sollte die These stimmen, dass die Einzelteile an der Börse in Summe mehr wert sind als das Ganze, könnten Volkswagen und Porsche jeweils einen deutlich höheren Marktwert aufs Parkett bringen als jetzt. Das zusätzliche Kapital dürfte dann weiter in die Elektrifizierung und Expansion fließen, glaubt Lipkow.
Geplant ist der Börsengang von Porsche schon fürs vierte Quartal in diesem Jahr. Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt aber auch vom Börsenumfeld ab, das sich durch den Angriff Russlands auf die Ukraine gerade verschlechtert hat.