Das Gelände der Rhein Petroleum GmbH mit dem Turm für Erkundungsbohrungen.
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Ölförderung in Deutschland Wirklich Dallas bei Darmstadt?

Stand: 17.10.2023 10:40 Uhr

In Südhessen wird nach Erdöl gesucht. Das Bohrunternehmen und die Lokalpresse verbreiten viel Optimismus. Doch lohnt sich die Förderung in einem der kleinsten Ölfelder Deutschlands überhaupt?

Peter Appel berichtet gern und detailreich über Technik, Aufsicht und Genehmigungen von Ölbohrungen. Ein spannendes Geschäft, das wegen gestiegener Preise und dem Wunsch nach Quellen im Land interessant geworden ist. Eine neue Bohrung im südhessischen Riedstadt, in der Nähe von Darmstadt, soll besonders ertragreiche Gesteinsschichten mit außergewöhnlich hochwertigem Erdöl angezapft haben. Optimistische Prognosen werden verbreitet.

Gibt es Belege?

Die Lokalpresse hat die anschaulichen Schilderungen des Geschäftsführers der Rhein Petroleum GmbH aufgenommen: "Dallas in Südhessen", "Schwarzes Gold aus dem Rheingraben", "Mehr hochwertiges Erdöl als erwartet" war dort zu lesen. Der Bürgermeister von Riedstadt spricht von "Texas im Ried". Wenn es um Belege und Dokumente geht, ist wenig zu erfahren. Das seien Insiderinformationen, sagt Geschäftsführer Appel. Sein Mutterunternehmen sei schließlich an der Londoner Börse notiert.

Es sei jedenfalls sehr leichtes Öl, das physikalisch fernab von Teer und Bitumen und dicht an Benzin und Kerosin liege. Verwendet werde es mitnichten in Motoren und Turbinen, sondern für Windräder, orthopädische Prothesen, Impfspritzen und Medikamente. "Das heißt, es kann Leben retten", zitierte die "Frankfurter Rundschau" den Sprecher der örtlichen Grünen, die die Ölförderung unterstützen.

Zweitkleinstes deutsches Ölfeld

Nach Angaben des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) wurden bei Darmstadt vergangenes Jahr 786 Tonnen Öl gefördert. 786 Tonnen sind zwar ein Vielfaches der Menge früherer Jahre. Es ist aber nur ein halbes Promille der deutschen Ölförderung. Das Feld "Schwarzbach" westlich von Darmstadt ist das zweitkleinste im Land.

Die Heidelberger Rhein Petroleum GmbH beschäftigt elf Angestellte. Sie war vor 15 Jahren von der Deutschen Rohstoff AG gegründet worden, einem mittelgroßen Unternehmen aus Mannheim. Mit technisch ausgefeilten Methoden untersuchte Rhein Petroleum längst ausgebeutete Ölfelder. Ist dort noch etwas zu holen? Bisher hat das für mehr als 90 Millionen Euro Verlust gesorgt. Seit fünf Jahren fördert das Unternehmen im Ried bei Darmstadt und - mit einem Partner - aus einer Quelle im Allgäu.

Ernüchternde Zahlen

Das wirtschaftliche Ergebnis ist ernüchternd. Jahr für Jahr spülen die Ölquellen weniger Geld in die Kasse: Sind für 2018 bei Rhein Petroleum 2,4 Millionen Euro Umsatz dokumentiert, waren es 2019 noch 1,4 Millionen und 2020 eine Million. Geschäftsführer Appel sagt, das sei im Großen und Ganzen so geblieben. Dokumentierte neue Zahlen sind nicht zu ermitteln.

2019 stellten die damaligen Eigentümer fest, dass Buchungen von 2 Millionen Euro wertlos geworden waren. Bohr- und Förderlizenzen, die bisher mit optimistischen Aussichten hoch bewertet worden waren, mussten abgeschrieben werden. 2020 buchte Rhein Petroleum dann selbst zwei Drittel ihres Vermögens aus - gut 10 Millionen Euro. Der niedrige Ölpreis sei schuld gewesen, erklärt Geschäftsführer Appel. Seit der wieder deutlich steigt, werde das Vermögen langsam wieder höher bewertet.

Aktie ein "Penny Stock"

Die Gründer hatten schnell Interesse an der Rhein Petroleum eingebüßt. 2011 wurde sie an ein kleines niederländisches Unternehmen verkauft. Vor einem halben Jahr ging die Rhein Petroleum dann an die noch kleinere Beacon Energy plc mit Sitz in der "Steueroase" Isle of Man.

Vor zwei Jahren hatten sich die Briten schon in ein anderes Ölfeld eingekauft. Schnell wurde klar: Es gibt dort kein Öl. Der Aktienkurs von Beacon Energy am Londoner "Alternativen Investment Markt" fiel von 5,30 englischen Pfund ins Bodenlose. Seitdem ist die Beacon-Aktie ein sogenannter "Penny- Stock" und notierte bei 9 Pence.

Als die neue Tochtergesellschaft Rhein Petroleum der Presse ihre "Dallas-im-Ried"-Geschichte erzählt hatte, verdreifachte sich der Kurs kurzzeitig. Aktuell ist er auf 14 Pence zurückgegangen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die hessenschau im HR-Fernsehen am 22. August 2023 um 19:30 Uhr.