Stapel mit abgdecktem Kaffeegeschirr auf dem Tresen in einem Restaurant
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Unternehmens-Nachfolge Wer schmeißt den Laden, wenn die Boomer abtreten?

Stand: 16.06.2024 16:03 Uhr

Vielen Familienbetrieben droht die Schließung, weil niemand das Geschäft übernehmen will. Doch der Nachwuchsmangel kann auch eine Chance für den Einstieg sein.

Von Lars Ohlinger, SR

Claudia und Christoph Schommer haben fünfzehn Jahre lang eine erfolgreiche Landbrauerei mit Gastronomie im saarländischen Körprich geführt. Aus Gesundheitsgründen wollen sie nun kürzertreten. Sie haben eine renommierte Küche, treue Stammgäste und eine sehr schöne Gastwirtschaft.

Zwei Jahre lang haben sie Nachfolger gesucht - vergebens. Weder ihre Töchter noch die längst befreundeten langjährigen Mitarbeiterinnen wollen so viel Verantwortung übernehmen und die langen Arbeitszeiten - insbesondere an den Wochenenden - in Kauf nehmen. Es gibt keine andere Möglichkeit, als die schöne Lokalität zu schließen.

Viele Schließungen drohen

Tatsächlich wird das Problem der Nachfolge-Suche bundesweit immer größer. Nach aktuellen Zahlen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) denken inzwischen 28 Prozent der Unternehmen, die Beratung suchen, über eine Schließung nach. Hauptgrund ist eine fehlende Nachfolge - mit weitem Abstand vor anderen Problemen wie hohen Energiekosten, Bürokratie oder Fachkräftemangel beim Personal.

Für Ilja Nothnagel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der DIHK, ist das ein Trend, der seit Jahren anhält und der letztlich die gesamte Gesellschaft trifft. "Jedes gut laufende Unternehmen, das nicht in neue Hände kommt, fehlt am Markt, fehlt als Angebot für Verbraucher und Kunden - und fehlt im Zweifel auch in der Innenstadt. Es fehlt im Zweifel auch beim Ausflug am Wochenende." Das bekämen auch die Verbraucher zu spüren.

Nachteile für den Wirtschaftsstandort

Darius Nadery, der im Auftrag der saarländischen Handwerkskammer Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen berät, sieht es aus seiner praktischen Erfahrung ganz ähnlich und befürchtet schon bald echte Engpässe. Denn die Betriebe aus den Bereichen Elektrotechnik und Sanitär, Heizung und Klima tragen die Energiewende mit. "Stellen Sie sich vor, dass die Hälfte der Betriebe in den nächsten Jahren nicht übergeben wird, dass kein Nachfolger gefunden wird, dass Arbeitsplätze im schlimmsten Fall dadurch verloren gehen", sagt Nadery. Das habe natürlich enorme Nachteile für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

So weit sollte es in einer freien Kfz-Werkstatt in Spiesen-Elversberg im Saarland nicht kommen. Sie ging an einen jüngeren Mitarbeiter aus der eigenen Belegschaft. Der alte und der neue Chef haben sich volle zehn Jahre Zeit genommen, um einen nahtlosen Übergang hinzubekommen. Aber der Kampf mit der Bank war lang und zäh. Denn die deutlich gestiegenen Zinsen hauen bei größeren Investitionssummen mächtig ins Kontor. Die Banken sind ebenfalls zurückhaltend, solange die Konjunktur wackelig erscheint.

Nachfolger-Suche sollte rechtzeitig beginnen

Günther Sprunck berät seit Jahrzehnten Firmen in Deutschland und Österreich. Oft erlebt er auch hausgemachte Gründe für einen schwierigen oder gescheiterten Übergang: Investitionen würden aufgeschoben, das Loslassen falle schwer oder man setze falsche Hoffnungen in den Nachwuchs. Nicht jede Tochter und jeder Sohn sei zum Unternehmer geboren, nur weil die Eltern selbständig waren. So könnten auch kerngesunde Unternehmen ins Straucheln kommen, sagt der Berater. Günther Sprunck rät deshalb: Spätestens, wenn die Firmenchefin oder der Firmenchef 55 Jahre alt wird, sollte die Suche nach einer qualifizierten Nachfolge beginnen.

Umgekehrt gilt: Für interessierte Nachwuchskräfte waren die Chancen selten so gut wie heute, in eine perfekt funktionierende Firma einzusteigen statt mühsam ein neues Unternehmen aufzubauen. Die staatliche Förderung - zum Beispiel über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) - hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verbessert.

"Die Wertschätzung fehlt"

So sieht es auch Sarna Rösser, die frühere Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer. Die 36-Jährige wird das Rohr-Betonwerk ihres Vaters übernehmen und hat sich daneben an mehreren Start-ups beteiligt. Sie fordert mehr Aufklärung schon in den Schulen und mehr Unterstützung für Eigeninitiative.

"Die Wertschätzung fehlt auf vielen Ebenen für Unternehmer, für die Fleißigen, für diejenigen, die die Ärmel hochkrempeln und in diesen schwierigen Zeiten auch Verantwortung übernehmen", sagt Rösser. Sie wünsche sich deshalb in der Gesellschaft eine Veränderung des "Mindsets": "Dass der Unternehmer nicht immer der Böse ist, nicht der Bösewicht vom Tatort, sondern dass Unternehmer wirklich sehr viel für die Gesellschaft tun und auch für unser Land."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD in der Sendung "plusminus" am 12. Juni 2024 um 21:55 Uhr.