Wirecard-Affäre Musterverfahren gegen Wirtschaftsprüfer EY
Das Landgericht München hat ein Kapitalanleger-Musterverfahren gegen EY eingeleitet. Die Rolle der Wirtschaftsprüfer im Wirecard-Skandal soll jetzt zentral geklärt werden.
Alle Schadenersatz-Klagen gegen den Wirtschaftsprüfer EY in Zusammenhang mit der Wirecard-Pleite werden gebündelt. Das Landgerichts München hat beschlossen, dass sich EY einer Art Sammelklage nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) stellen muss. Zuständig für das Verfahren ist das Bayerische Oberste Landesgericht. Es muss jetzt klären, ob EY bei der Prüfung von Bilanzen des Zahlungsdienstleisters Wirecard Pflichtverletzungen begangen hat, die Ansprüche von Anlegern und institutionellen Investoren auf Schadenersatz begründen können.
Tausende Klagen werden ausgesetzt
Die Einleitung des Musterverfahrens hat zur Folge, dass derzeit laufende Klagen gegen EY in Zusammenhang mit Wirecard erst einmal ausgesetzt werden und somit künftig nicht mehr tausende Prozesse parallel laufen. Die dafür wesentlichen Fragen für Anleger und Investoren klärt jetzt das Verfahren.
Dabei geht es laut dem Beschluss des Landgerichts München zum einen um die sogenannte Haupttat - also die Frage, ob Wirecard unter dem Vorstandsvorsitzenden Markus Braun falsche Bilanzen vorgelegt hat. Welche Rolle die Wirtschaftsprüfer von EY dabei gespielt haben und ob bei ihnen Vorsatz vorlag, sind die zentralen Fragen in einem weiteren Teil des Verfahrens.
Festgestellt werden soll beispielsweise, ob die Wirtschaftsprüfer billigend falsche Bilanzen in Kauf genommen haben, weil sie bei den sogenannten Treuhandkonten für Drittpartner-Geschäfte keine Originalbelege anforderten. Auf den Treuhandkonten in Singapur und später auf den Philippinen sollten angeblich 1,9 Milliarden Euro liegen. Mittlerweile ist jedoch klar, dass es die Gelder nie gab. EY hat wiederholt betont, das Unternehmen habe die Wirecard-Bilanzen nach bestem Wissen und Gewissen geprüft.
Anwaltskanzlei erwirkte den Beschluss
Erwirkt hat den Beschluss zum Musterverfahren, der BR Recherche vorliegt, die Anwaltsfirma TILP aus Kirchentellinsfurt in Baden-Württemberg. Derartige Verfahren erhöhen laut TILP die Erfolgschancen der Anleger, da sie Kräfte bündeln und Kosten sparen. Auch Kleinanleger könnten so von einem umfangreichen Verfahren profitieren, das sich ansonsten meist nur institutionelle Investoren leisten könnten.
Auch könnten geschädigte Anleger, die bisher nicht geklagt haben, ihre Ansprüche durch einen Rechtsanwalt im Musterverfahren anmelden. Dadurch werde die Verjährung möglicher Ansprüche kostengünstig gehemmt.
Kritiker eines KapMuG-Verfahrens wiederum bemängeln, dass diese oft lange dauern. So endete das Verfahren gegen die Deutsche Telekom im Dezember vergangenen Jahres erst nach rund 20 Jahren mit einem Vergleichsangebot für die Kläger. Ein weiterer Vorteil jedoch ist, dass hier alle Anwälte ihre Kompetenz bündeln und gemeinsam gegen die Beklagten vorgehen können.
Auch Wirecard-Ex- Chef Braun im Fokus
Das Wirecard-Musterferfahren richtet sich nicht nur gegen den Wirtschaftsprüfer EY, sondern auch gegen den ehemaligen Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Markus Braun. Dabei geht es um zivilrechtliche Ansprüche auf Schadenersatz.
Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft München gegen Braun und zwei weitere Angeschuldigte Anklage erhoben. Sie wirft Braun unter anderem Untreue und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. In dem Strafverfahren droht Braun eine lange Haftstrafte. Sein Verteidiger weist allerdings alle Vorwürfe zurück.