Spitzengespräch im Kanzleramt "Notwendige Rahmenbedingungen" für Chemieindustrie?
Bei einem Chemiegipfel haben sich Vertreter der Branche und die Bundesregierung auf "notwendige Rahmenbedingungen" verständigt. Wie diese aussehen, bleibe jedoch vage, kritisieren Verbände und Länder.
Bei einem Spitzengespräch mit der Chemieindustrie im Bundeskanzleramt haben sich die Unternehmen, die Sozialpartner und die Politik auf "notwendige Rahmenbedingungen" für mehr Planungssicherheit für nachhaltiges Wachstum sowie Wettbewerbsfähigkeit verständigt. Die Branche stehe angesichts des Ukraine-Kriegs, einer schwachen Nachfrage und "hohen Energie- und Rohstoffpreisen aktuell vor sehr großen Herausforderungen und zunehmend unter internationalem Wettbewerbsdruck", teilte die Bundesregierung im Anschluss an das Treffen mit.
Wirtschaft und Gewerkschaft enttäuscht über "Chemiegipfel"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte heute Vertreter der Chemiebranche, unter anderem die Chefs der Unternehmen Covestro und Evonik, sowie mehrere Ministerpräsidenten zu Gast. Politik, Industrie und Sozialpartner hätten dabei unter anderem ihr "gemeinsames Ziel eines wettbewerbsfähigen, nachhaltigen Chemiestandort Deutschlands" bekräftigt, hieß es in der Mitteilung der Ampel-Koalition. Der Austausch zu den Rahmenbedingungen der chemischen Industrie solle fortgesetzt werden "mit dem Ziel eines Chemie-Pakts".
Darüber hinaus habe man sich auf einen beschleunigten Ausbau des Wasserstoffnetzes, die Erweiterung von Eigenverbrauchsprivilegien bei der Nutzung von Stromversorgungsanlagen, den Abbau bürokratischer Hürden, die gezielte Förderung von Innovationen sowie Fachkräftesicherung geeinigt. Dazu komme, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für ein effizientes Strommarktdesign und gegen pauschale Verbote ganzer Stoffklassen einsetze.
Wirtschaftsverbände und die Chemie-Gewerkschaft IGBCE reagierten enttäuscht auf die Ergebnisse des "Chemiegipfels". Markus Steilemann, Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), sagte nach dem Treffen das dringlichste Thema, ein "Brückenstrompreis" zur Verringerung der hohen Energiekosten, habe nicht adressiert werden können. Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis forderte, die Frage eines Brückenstrompreises müsse schnell entschieden werden. "Wir haben erste Signale dafür, dass die Situation auch Beschäftigung kosten wird und dass es zu Betriebsschließungen kommen kann, zu Verlagerungen."
"5 vor 12" für die chemische Industrie in Deutschland
Auch die Bundesländer zeigten sich ernüchtert. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte: "Es ist 5 vor 12 in Deutschland." Er könne nachvollziehen, warum Unternehmensvertreter und Gewerkschafter enttäuscht seien vom Ergebnis des Spitzengesprächs. Bei der Bundesregierung sei Problembewusstsein klar erkennbar gewesen. "Aber es ist eben nicht zu der Konkretisierung der Problemlösung gekommen, die der Lage angemessen gewesen wäre." Man wolle den Dialog fortsetzen und an einem "Chemie-Pakt" arbeiten.
Wie die anderen Länder sowie die Chemie-Industrie und die Gewerkschaft fordert Wüst einen temporär begrenzten, staatlich subventionierten Industriestrompreis ("Brückenstrompreis"). Die Grünen und die SPD-Fraktion sind dafür, Scholz ist skeptisch, die FDP dagegen. IGBCE-Vorsitzender Vassiliadis betonte, es habe von Scholz zwar keine Absage an einen "Brückenstrompreis" gegeben, aber eben auch keine Zusage.
Die Bundesregierung erklärte, sich der Bedeutung wettbewerbsfähiger Strom- und Energiepreise auch für die chemische Industrie bewusst zu sein. "Sie befindet sich in Gesprächen mit dem Parlament über Vorschläge, wie die Stromversorgung so ausgestaltet werden kann, dass Strompreise stabilisiert werden können und damit Planungssicherheit verbessert werden kann", hieß es mit Blick auf Beratungen der Koalitionsfraktionen.