US-Flugzeugbauer in der Krise Boeing zieht Angebot an streikende Arbeiter zurück
Boeing hat im aktuellen Tarifstreit sein aufgebessertes Angebot zurückgenommen und die Verhandlungen abgebrochen, da sich die Gewerkschaft nicht verhandlungsbereit zeige. Diese fordert unter anderem 40 Prozent mehr Lohn.
Es ist der erste Streik seit mehr als 16 Jahren, der auch gleich mal Milliarden kostet: Seit 26 Tagen kämpfen Boeing-Mitarbeiter für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Nun aber hat der US-Flugzeugbauer nach einer ergebnislosen Verhandlungsrunde sein aktuelles Angebot an die streikenden Arbeiter zurückgezogen.
Die Gewerkschaft IAM habe Forderungen gestellt, die Boeing nicht annehmen könne, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, kritisierte die Chefin des Verkehrsflugzeug-Geschäfts, Stephanie Pope. "Leider hat die Gewerkschaft unsere Vorschläge nicht ernsthaft in Betracht gezogen." Daher seien weitere Gespräche derzeit aus Sicht des Konzerns sinnlos.
Bänder für Bestseller 737 stehen still
Boeing hatte unter anderem ein Einkommensplus von 30 Prozent über vier Jahre vorgeschlagen. Zuvor hatten die Arbeiter den vorherigen Vorschlag von 25 Prozent mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Aus Sicht der Gewerkschaftsführung ging das dann folgende Entgegenkommen nicht weit genug.
Die größte Boeing-Gewerkschaft IAM mit rund 33.000 Beschäftigten war Mitte September in den Streik getreten. Sie fordert eine Gehaltserhöhung von 40 Prozent über vier Jahre und die Wiederherstellung einer leistungsorientierten Rente, die vor einem Jahrzehnt im Vertrag gestrichen wurde. Das sei gerechtfertigt, da die Boeing-Arbeiter im vergangenen Jahrzehnt mehrere Nullrunden akzeptiert hatten.
Von der Arbeitsniederlegung ist die Boeing-Produktion rund um Seattle im Nordwesten der USA betroffen, wo unter anderem das Bestseller-Modell 737 und der Langstrecken-Jet 777 gebaut werden. Vor allem bei der 737 ist Boeing bereits im Verzug mit Lieferungen an viele Fluggesellschaften.
Kostspieliger Streik
Für Boeing ist der seit mittlerweile 26 Tagen andauernde Streik bereits jetzt eine kostspielige Angelegenheit. Nach Analystenschätzungen könnte der Ausstand pro Tag 100 Millionen Dollar kosten, obwohl der Konzern schon kostensenkende Maßnahmen vorgenommen hatte. Für die Dauer des Streiks werden betroffene Beschäftigte alle vier Wochen für eine Woche beurlaubt, wie es im September in einer Mitteilung des Boeing-Vorstandsvorsitzenden Kelly Ortberg an die Belegschaft hieß.
Außerdem nehmen Ortberg und die übrigen Mitglieder der Führungsetage für die Dauer des Streiks eine "angemessene Gehaltskürzung" hin. Zuvor hatte die Unternehmensführung bereits einen Einstellungsstopp, Sparmaßnahmen im Reisebudget und eine Verringerung der Ausgaben bei Zulieferern veranlasst.
Herabstufung durch S&P Global Rating droht
Trotzdem hat der Streik nun erste Konsequenzen: Gestern stufte die Ratingagentur S&P Global Ratings das Triple-B-Rating des Unternehmens für Kredite und vorrangige unbesicherte Schuldtitel auf negative Kreditbeobachtung herunter. "Die Notierung von CreditWatch spiegelt die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Herabstufung wider, wenn der Streik gegen Ende des Jahres anhält", so S&P.
Ein CreditWatch wird eingesetzt, wenn eine Änderung des Rating möglich, aber noch nicht endgültig beschlossen ist. Als Grund nannte S&P das erhöhte finanzielle Risiko für das Unternehmen durch den Streik. Das schränke "die Erholung der Cashflow-Generierung des Unternehmens weiter ein".
Für Boeing könnte eine Herabstufung des Ratings die Finanzierung und damit ihre Bewältigung ihrer Probleme deutlich erschweren. Der Konzern kämpft darum, seine Finanzen und seinen Betrieb nach fünf schwierigen Jahren zu verbessern, in denen zwei tödliche Abstürze, eine Pandemie, die die Reisenachfrage einschränkte, und zuletzt ein Vorfall, bei dem eine Türverkleidung während des Fluges von einem seiner Flugzeuge weggeweht wurde, das Unternehmen belastete.