Untersuchungen von US-Behörden Boeing weist Whistleblower-Vorwürfe zurück
Mal wieder Ärger bei Boeing: Einem ehemaligen Mitarbeiter zufolge soll der US-Flugzeugbauer Qualitätsprobleme bei der Produktion ignoriert haben. Unterdessen wirft die Pannenserie den Konzern weit hinter Airbus zurück.
Boeing muss sich gegen neue Vorwürfe zur Qualität seiner Flugzeuge verteidigen. Der Konzern wies Kritik eines Mitarbeiters zurück, einige Maschinen des Modells 787 "Dreamliner" könnten eine verkürzte Lebensdauer haben, weil sich der Konzern technische "Abkürzungen" erlaubt habe, um die Produktion zu beschleunigen. Die Behauptungen seien nicht korrekt und bereits unter Aufsicht der US-Luftfahrtbehörde FAA untersucht worden, betonte ein Boeing-Sprecher.
Untersuchungen von Luftfahrtbehörde und Senat
Trotzdem kommen auf den Konzern nach Bekanntwerden der Vorwürfe neue öffentliche Debatten über seine Qualitätsaufsicht zu. Die FAA traf sich nach eigenen Angaben mit dem Whistleblower getroffen habe. Die Flugaufsicht schaue sich die Behauptungen eines Informanten an, wonach Boeing die Sicherheits- und Qualitätsprobleme bei der Produktion der 787-Jets ignoriert habe, teilte ein Sprecher mit.
Die Anwälte des Boeing-Ingenieurs hatten bekannt gegeben, ihr Mandant habe auf technische Probleme aufmerksam gemacht, die die strukturelle Integrität der Flugzeuge beeinträchtigten. Auch soll Boeing ein abgekürztes Verfahren verwendet haben, um Engpässe bei der 787-Montage zu verringern. "Anstatt seine Warnungen zu beherzigen, hat Boeing der schnellstmöglichen Markteinführung der Flugzeuge den Vorrang gegeben, trotz der bekannten, gut begründeten Probleme, die er angesprochen hat", hieß es in der Erklärung.
Ein Unterausschuss des US-Senats plant nun für Mitte kommender Woche eine Anhörung mit dem ehemaligen Boeing-Mitarbeiter als Zeugen. Der Vorsitzende, der Demokrat Richard Blumenthal, will dazu auch Konzernchef Dave Calhoun einladen. Boeing erkläre dazu, man sei bereit, Stellungnahmen sowie Unterlagen beizusteuern und sei in Gesprächen mit dem Unterausschuss über weitere Schritte.
Immer wieder Zwischenfälle mit Boeing-Maschinen
Schon länger hat Boeing mit Qualitätsproblemen und Fertigungsfehlern bei seinen Flugzeugen zu kämpfen. Nach mehreren Zwischenfällen steckt der Konzern auch deshalb in der Krise. Bei einer so gut wie neuen Boeing 737-9 Max der US-Fluggesellschaft Alaska Airlines war Anfang Januar kurz nach dem Start im Steigflug ein Rumpf-Fragment an der Sitzreihe 26 herausgebrochen. Glücklicherweise waren die beiden Sitze in der Nähe des Lochs im Rumpf leer geblieben und das Flugzeug befand sich noch in relativ geringer Höhe.
Die Unfallermittlungsbehörde NTSB geht mittlerweile nach ersten Untersuchungen davon aus, dass vier Befestigungsbolzen an dem Rumpfteil fehlten. Es gebe Hinweise darauf, dass das Fragment immer weiter hochgerutscht sei, bis es dann beim 154. Flug der Maschine herausbrach, sagte NTSB-Chefin Jennifer Homendy kürzlich in einer Anhörung im US-Senat. Boeing muss nach dem Vorfall einen Plan zur Verbesserung der Qualitätskontrollen vorlegen und Konzernchef Calhoun kündigte seinen Rückzug an.
Auch am Wochenende hatte es wieder Probleme an einer Maschine des US-Flugzeugherstellers Probleme gegeben. Eine 737-800 musste am Sonntag auf dem Weg nach Houston im US-Bundesstaat Texas in der Luft umkehren, nachdem die Besatzung berichtet hatte, dass sich die Verkleidung eines Triebwerks während des Starts gelöst und eine Flügelklappe getroffen hatte.
Boeing liefert weit weniger Flugzeuge aus als Airbus
Angesichts der zahlreichen Skandale fällt der US-Flugzeugbauer derweil immer weiter hinter den Marktführer Airbus zurück. Im März lieferte der europäische Hersteller Airbus 63 Verkehrsflugzeuge aus und damit mehr als doppelt so viele wie sein Rivale aus den USA, wie aus Mitteilungen beider Unternehmen hervorgeht. Für sein Ziel von 800 Flugzeug-Auslieferungen in diesem Jahr muss sich Airbus-Chef Guillaume Faury zwar noch strecken - nach den ersten drei Monaten des Jahres sind erst 142 Stück geschafft.
Boeing kämpft jedoch nach dem Beinahe-Unglück mit ganz anderen Problemen. So steht der US-Konzern seit Januar unter verschärfter Aufsicht der Behörden und darf die Produktion seiner Mittelstreckenjets aus der 737-Max-Reihe vorerst nicht mehr ausweiten. Im ersten Quartal warfen die staatlichen Kontrollen den Konzern stark zurück.
So lieferte Boeing nur 66 Exemplare seines meistgefragten Flugzeugtyps aus und damit rund 60 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Über alle Typen hinweg übergab das Unternehmen 83 Passagier- und Frachtflugzeuge an seine Abnehmer, davon 29 im März. Abseits der 737 Max entfiel der Großteil der Auslieferungen im ersten Jahresviertel mit 13 Jets auf das Langstreckenmodell 787 "Dreamliner".