Klage im September erwartet Droht Amazon jetzt die Zerschlagung?
FTC-Chefin Lina Khan hat Amazon schon lange im Visier - jetzt könnte sie zuschlagen. Die US-Kartellbehörde bereitet eine umfassende Klage gegen den Tech-Riesen vor, Zerschlagung nicht ausgeschlossen.
Amazon droht Ungemach. Nein, nicht von Wettbewerbern, da gibt es ja kaum ernstzunehmende. Die größte Gefahr für das Amazon-Geschäftsmodell geht derzeit von der Politik aus, genauer gesagt von der US-Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC). Deren Aufgabe ist der Verbraucherschutz und das Durchführen von Wettbewerbsuntersuchungen.
Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge will die FTC noch in diesem Monat eine umfassende Klage gegen Amazon einreichen. Diese richte sich gegen das Logistikprogramm des Unternehmens und die Preisgestaltung auf Webseiten von Drittanbietern. Die Behörde schlage "strukturelle Abhilfemaßnahmen" vor, die zur Zerschlagung des Konzerns führen könnten.
Amazon soll Händler zum Anzeigenkauf zwingen
Mit dem Bericht des für gewöhnlich gut informierten "Wall Street Journal" erhalten die Spekulationen über eine Zerschlagung des Tech-Giganten neue Brisanz. Bereits im Juli hatte das Magazin "Politico" berichtet, die FTC stünde kurz vor einer weitreichenden Klage gegen die Geschäftspraktiken von Amazon.
Doch was wirft die FTC Amazon konkret vor? Amazon soll Händler dazu zwingen, die Logistik- und Werbedienste des Konzerns zu nutzen. Das geht laut Insiderberichten aus den Details der Klageschrift hervor. Danach droht den Amazon-Verkäuferinnen und -Verkäufern ein Verlust ihrer Topplatzierungen, sollten sie andere Logistikdienstleister nutzen. Händler müssten zudem Anzeigen kaufen, wenn sie eine gute Platzierung in den Suchergebnissen anstreben.
Prime-Abonnenten als Opfer?
Es ist nicht das erste Mal, dass die FTC zum Schlag gegen Amazon ausholt - mangelnde Angriffslust kann man Behördenchefin Khan wahrlich nicht vorwerfen. Kleinere und größere Nadelstiche hatte sie bereits in der Vergangenheit gesetzt, erst im Juni reichte sie Klage gegen Amazons Geschäftspraktiken beim Prime-Abo ein. Der Konzern soll "wissentlich Millionen von Verbrauchern getäuscht" haben, damit sich diese "unwissentlich bei Amazon Prime anmelden".
Zu diesem Zweck habe Amazon "manipulative, betrügerische oder irreführende Benutzeroberflächendesigns verwendet", die als "Dark Patterns" bekannt seien. Tatsächlich verfolgen Unternehmen, die solche "dunklen Muster" einsetzen, damit nur ein Ziel: Nutzerinnen und Nutzer von Webseiten und Apps zu manipulieren. Dark Patterns bringen die User dazu, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Amazon wies die Vorwürfe damals als "faktisch und rechtlich falsch" zurück.
Was führt die FTC-Chefin gegen Amazon im Schilde?
Doch die neue Klage gegen Amazon, die nun für September erwartet wird, geht Marktbeobachtern zufolge weit über das Scharmützel rund um das Prime-Abo hinaus. Schließlich könnte sie zur Zerschlagung von Amazon führen; zumindest Teile des Unternehmens müssten dann ausgegliedert werden.
Dass es die FTC womöglich auf eine Zerschlagung Amazons abgesehen hat - das hatte sich allerdings bereits mit der Personalie Lina Khan angekündigt. Nicht umsonst hatte Amazon vor zwei Jahren völlig entsetzt auf die Ernennung der damals 32-jährigen Juristin zur FTC-Chefin reagiert. Der E-Commerce-Gigant reichte damals sogar einen 25-seitigen Antrag ein, in dem er Khan vorwarf, voreingenommen und befangen zu sein.
Hatte Khan also Amazon bereits vorverurteilt? Fakt ist: Es gibt zahlreiche öffentliche Äußerungen Khans, wonach Amazon "zerschlagen werden sollte". Zudem hatte Khan bereits als Studentin der Columbia Law School 2017 im "Yale Law Journal" einen wissenschaftlichen Artikel veröffentlicht mit dem Titel: "Amazon's Antitrust Paradox". Darin wirft sie Amazon vor, seine Monopol-Stellung auszunutzen. Kahn argumentiert, dass die gängigen Kartell-Modelle bei der Einschätzung von Tech-Giganten wie Amazon versagten.
Auch Joe Biden hat Amazon auf dem Kieker
Doch ob Khan wirklich so unbefangen ist, wie es ihre Position eigentlich erfordert, ist für Amazon letztlich nebensächlich. Was zählt, ist die volle Unterstützung des US-Präsidenten, die Khan offensichtlich genießt. Denn mit Joe Biden ist ein Präsident in den USA an der Macht, dem die in den vergangenen Jahren immer weiter gewachsene Marktmacht der großen Tech-Konzerne wie Amazon, Google und Meta sauer aufstößt.
Vor diesem Hintergrund ernannte er denn auch den langjährigen Google-Kritiker Jonathan Kanter zum Chef der Wettbewerbsabteilung im Justizministerium. Timothy Wu, ein ausgesprochener Befürworter einer aggressiven kartellrechtlichen Vorgehensweise gegen die US-Tech-Giganten, berät den Präsidenten in Wettbewerbsfragen.
Biden hat die Entmachtung von Monopolen zu einem wichtigen Ziel seiner Politik erklärt; nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt wies er selbst die Wettbewerbsbehörden per Dekret an, stärker gegen marktdominierende Unternehmen vorzugehen. Khan handelt also quasi im direkten Auftrag des Präsidenten. Das macht sie zu einer sehr gefährlichen Gegnerin für Amazon.