Ausbildung im Handwerk Trendberuf Tischler
Viele Handwerksbetriebe klagen über Nachwuchsprobleme. Tischler und Schreiner haben oft keine Probleme, Auszubildende zu finden. Was macht den Beruf so attraktiv für junge Menschen?
Wenn er tischlert, sagt Ingwin Bernburg, sei er oft in einem Tunnel. Dann taucht er ab und konzentriert sich ganz auf das Möbelstück, an dem er gerade arbeitet. "Es ist schön, etwas zu erschaffen", sagt Bernburg. "Am liebsten mache ich Holzmöbel aus massivem Holz: Schränke, Tische, Betten, aber ich restauriere ich auch gerne Fenster, Türen oder Treppen."
Im Fach Werken in der Schule hat Bernburg früh gemerkt, wie gerne er Holz in der Hand hat und damit arbeitet. Seit einem halben Jahr ist der 27-jährige Berliner fertig mit seiner Ausbildung. "Ich habe den Beruf gefunden, der zu mir passt", sagt Bernburg. Ein Handwerk, das nicht nur er, sondern viele junge Menschen gerne ergreifen.
Laut des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) gibt es derzeit etwa 17.800 Auszubildende im Tischler- und Schreinerhandwerk. Sie machen damit 5,2 Prozent der Handwerkslehrlinge in Deutschland insgesamt aus. Während viele Gewerke über Nachwuchsprobleme klagen, bleibt die Zahl der Tischler- und Schreiner-Auszubildenden stabil. 2023 blieben hier lediglich 5,6 Prozent der Lehrstellen unbesetzt - im Vergleich zu 13,6 unbesetzten Lehrstellen im Handwerk insgesamt.
Wo die Nachfrage nach Lehrstellen besonders hoch ist
"In ländlichen Gebieten sehen wir, dass Tischlereien sich schwerer tun Lehrstellen zu besetzen, in Ballungsräumen ist das einfacher", sagt Fridtjof Ludwig vom Bundesinnungsverband Tischler und Schreiner. In Berlin dagegen finde längst nicht jeder Bewerber einen Ausbildungsplatz. Davon können andere Gewerke nur träumen. Laut ZDH haben besonders Lebensmittelhandwerke wie Metzger und Bäcker, aber auch Gesundheitshandwerke wie Augenoptiker, Zahntechniker und Orthopädieschuhmacher Schwierigkeiten, qualifizierte, junge Menschen für ihren Beruf zu begeistern.
Was Ingwin Bernburg an seinem Beruf liebt, ist auch, dass er nachhaltige Dinge erschaffen kann. Gerade arbeitet er an einer Bank für seine Schwester. "Ich bin kein Freund von wegschmeißen", sagt er. "Die Materialien stammen unter anderem aus einem alten Steg." Bernburg hobelt das Holz herunter und bringt die verschiedenen Teile mit einer Säge auf die passende Länge. Dann verbindet er die Holzteile auf traditionelle Art miteinander und verkeilt sie. "So kann es Jahrhunderte lang halten, insofern kein Wurm reinkommt und es richtig gepflegt wird", sagt er.
Klimarelevante Gewerke beliebt
Nicht nur die Nachhaltigkeit motiviert junge Menschen wie Bernburg für den Job. "Die Beliebtheit des Tischlerhandwerks lässt sich auch auf seine Zugehörigkeit zum Klimahandwerk zurückführen", stellt der ZDH fest. Denn Tischlerinnen und Tischler können mit der energetischen Sanierung von Fenstern und Türen dazu beitragen, Emissionen im Gebäudesektor zu reduzieren. "Das ist für viele eine sinnstiftende Tätigkeit", sagt Fridtjof Ludwig vom Bundesinnungsverband. "Zudem kommt der Kontakt mit den Kunden, die die Arbeit meist anerkennen und positive Rückmeldung geben. Das macht auf Dauer was mit einem", meint Ludwig.
Laut ZDH leisten neben dem Tischler oder Schreinerhandwerk knapp 29 andere Handwerksberufe einen Beitrag zur Energiewende, diese Berufe seien bei jungen Menschen generell besonders beliebt. Doch wenn die Energiewende zügig vorangetrieben werden soll, braucht es mehr Fachkräfte im Klimahandwerk. "Der Bedarf kann nur gedeckt werden, wenn sich insgesamt noch mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden", so der ZDH. Der Verband fordert berufliche Bildung attraktiver zu machen und sie mehr zu fördern.
Betriebsnachfolger gesucht
Das sei Zukunftsmusik, meint Fridtjof Ludwig vom Bundesinnungsverband. Denn die Sanierungsquote im Gebäudesektor liegt aktuell deutlich unter den vorgenommenen Bestrebungen, die zum Erreichen der Klimaziele notwendig sind. "Ausbildung ist wichtig, aber aktuell haben wir drängendere Probleme, beispielsweise die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu stabilisieren", sagt Ludwig.
Tausende Tischler und Schreiner seien derzeit und in den kommenden Jahren auf der Suche nach einer Betriebsnachfolge, so viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Doch in der Nachfolgegeneration gebe es starke Bedenken. Zu viel Zeit fließe in Bürokratie, der Kostendruck wegen der steigenden Sozialabgaben sei vielen ein zu hohes Risiko. "Wir brauchen grundlegende Reformen für kleine Handwerksbetriebe, dann wird auch die Bereitschaft wieder steigen, in die Selbständigkeit zu gehen", sagt Ludwig. "Denn an der Attraktivität unseres Handwerks liegt es nicht."
Der Tischler Ingwin Bernburg kann sich vorstellen, einmal einen Betrieb zu übernehmen. "Aber noch nicht jetzt", sagt er. "Das wäre mir zu schnell." Erstmal will er sich als Soloselbständiger etablieren und seinen Meister machen. Er hofft, dass, wenn er dann so weit ist, Reformen für weniger Bürokratie und weniger Sozialabgaben beschlossene Sache sind.