Wege in den Beruf Handwerk statt Studium - warum sich das lohnen kann
Im Handwerk fehlen Mitarbeiter, viele Firmen suchen händeringend. Doch viele junge Menschen studieren lieber statt eine Ausbildung zu machen. Dabei kann sich ein Handwerksjob durchaus lohnen - auch finanziell.
Pia Dobelke ist 24 Jahre alt und Juniorchefin in einem Sanitär- und Heizungsfachbetrieb in Troisdorf bei Köln. Der Betrieb hat 33 Mitarbeiter. Mindestens ein Dutzend mehr seien eigentlich nötig, um alle Aufträge zeitnah abarbeiten zu können, sagt die junge Frau. Betrieben in anderen Branchen geht es ähnlich. Doch das Handwerk ist besonders vom Personalmangel betroffen.
Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren um mehr als fünf Prozent gestiegen. Im Handwerk ist die Zahl im selben Zeitraum hingegen gesunken. Lange gab es in Deutschland ungefähr gleich viele Studenten und junge Menschen in beruflicher Ausbildung. Seit gut zehn Jahren jedoch steigt die Zahl der Studentinnen und Studenten kontinuierlich, während die Zahl der Azubis sinkt. Inzwischen gibt es mehr als doppelt so viele Studierende wie Lehrlinge.
Möglichst wenig körperliche Arbeit
Pia Dobelke hat Abitur und sich trotzdem für das Handwerk entschieden. In einer speziellen "Trialen Ausbildung" legte sie Gesellen- und Meisterprüfung ab und machte dazu noch einen Bachelor in Betriebswirtschaft. Die Schule, in der sie Abitur gemacht hatte, lud sie ein, im Rahmen eines Berufsorientierungstages für heutige Schüler einen Vortrag über die Chancen im Handwerk zu halten. An diesem Tag gab es viele Vorträge, die Schüler sollten sich vorab für einige davon eintragen. Kein Schüler wollte den Vortrag über das Handwerk hören, er wurde kurzfristig storniert.
Im Institut für Ausbildungs- und Berufsforschung (IAB) werden regelmäßig Schüler nach Ihren Präferenzen bei der Berufswahl befragt. Resultat: Ihnen gehe es vor allem um Spaß an der Arbeit, um ein gesundes Arbeitsumfeld und möglichst wenig körperliche Tätigkeiten. Bei einer spontanen Umfrage unter Studenten der TH Köln erfuhr Plusminus zudem: Vielen sei mit dem Abitur klar gewesen: "Wenn schon Abi, dann auch Studium." Auch, weil man mit Studium bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe und bessere Löhne erziele.
Löhne im Handwerk sind gestiegen
Ein Kollege von Pia Dobelke reagiert darauf spontan: Spaß an der Arbeit habe er, körperliche Tätigkeit wäre natürlich teilweise vorhanden, doch die Geräte würden immer kleiner, und mit steigendem Elektronikanteil würde der körperliche Anteil deutlich sinken. Vor allem aber seien die Löhne im Zuge der Personalengpässe auch gut gestiegen. Als Geselle könne er sich durchaus ein eigenes Haus leisten.
Natürlich wird es in Ausbildungsberufen einiger Branchen immer auch körperliche Arbeit und teilweise niedrige Löhne geben. Silke Anger vom IAB verweist aber ausdrücklich darauf, dass es durchaus Ausbildungsberufe gebe, in denen man gleich oder sogar besser verdienen könne als in Berufen mit abgeschlossenem Studium.
Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) hatte bereits im Jahr 2020 Sozialversicherungsdaten praktisch aller in Deutschland Beschäftigten ausgewertet. Das Ergebnis: Wer nach einer Ausbildung einen Abschluss als Techniker oder Meister hatte, erzielte im Durchschnitt ein ähnliches Lebenseinkommen wie der Durchschnitt der Studierten.
Eigenen Handwerksbetrieb gründen
Robert Mülleneisen begann nach dem Abitur ein Studium der Biochemie, war im Labor gut, verzweifelte jedoch an der Theorie. Er berichtet, dass er sich damals an einen Ferienjob in einem Handwerksbetrieb erinnerte, das Studium abbrach und eine Lehre als Kaminbauer begann. Nach der Gesellenprüfung dann habe er zielstrebig den Meister gemacht.
Heute ist er 33 Jahre alt, hat einen eigenen Betrieb mit Showroom und fünf Angestellten. Auf den Baustellen ist er nur noch selten, zahlt sich einen ähnlichen Lohn wie ein Berufsanfänger nach dem Studium aus. Und einmal im Jahr, wenn der Betrieb gut gelaufen ist, kommt noch ein Gewinn obendrauf. Da es aktuell gut laufe und sein Betrieb weiter wachsen könnte, habe er gute Hoffnung auf ein künftig noch höheres Einkommen.
Der Zentralverband des deutschen Handwerks verweist darauf, dass allein in den kommenden fünf Jahren 125.000 existierende Handwerksbetriebe dringend einen Nachfolger suchen. Auf die Frage, wie man als junger Mensch eine Betriebsgründung oder auch Übernahme finanzieren solle, hat Robert Mülleneisen eine plausible Antwort. Er konnte als Geselle und Meister durchaus Geld beiseite legen, hat sich mit 28 Jahren von der Handwerkskammer bei der Konzeption seiner Betriebsgründung beraten lassen. Als er dann mit Konzept zur Bank ging, habe die gesehen, dass Handwerk goldenen Boden habe und ihm mit Kredit geholfen. Den müsse er nun zwar zurückzahlen, aber das ginge durchaus. Als Lohn winke die Unabhängigkeit im eigenen Betrieb.