Probleme in der Ausbildung Zweite Chance Jugendwerkstatt
Nicht alle Azubis schaffen ihre Ausbildung im ersten Versuch. Grund dafür kann etwa eine Lernschwäche sein. Hilfe finden diese Menschen in Einrichtungen wie der Jugendwerkstatt in Gießen.
Ein paar Handgriffe noch, dann hat Laura es geschafft und aus ein paar Holzbrettern eine Kiste für Schuhputz-Bürsten gebaut. Die 19-Jährige steht an einer Werkbank in der Jugendwerkstatt Gießen. In der großen Halle arbeiten noch zehn andere Jugendliche an Werkbänken - sie sägen und hämmern an ihren Projekten.
Sie alle machen ihre Ausbildung zum Schreiner hier in der Jugendwerkstatt. In einer Firma hat das nicht geklappt. Laura hat viele Bewerbungen abgeschickt, aber keinen Ausbildungsplatz bekommen, weil sie eine Lernschwierigkeit hat und dadurch keine guten Schulnoten mitbringt.
Das Tempo einer regulären Ausbildung in einem Betrieb hätte sie vermutlich nicht immer mithalten können. Deshalb ist sie froh, in der Gießener Jugendwerkstatt eine Chance bekommen zu haben: "Hier wird das Arbeitstempo an einen selbst angepasst und nicht an die Montage."
Viele schaffen Einstieg in den Job
Aktuell werden 21 Azubis ausgebildet, unter anderem als Tischler, Metallbauer und Verkäufer. Von denen, die ihre Ausbildung hier beginnen, schließen sie rund 80 Prozent erfolgreich ab und die meisten schaffen danach auch den Einstieg in den Job.
"Wir wollen nicht für die Arbeitslosigkeit ausbilden, sondern für den ersten Arbeitsmarkt", erklärt Ausbilder Waldemar Hehn. Er ist stolz darauf, Laura und den anderen eine zweite Chance geben zu können. Viele seiner ehemaligen Azubis haben sich später selbstständig gemacht oder arbeiten inzwischen in Handwerksbetrieben in der Region.
Unklare Finanzierung
Trotz der Erfolge steht die Finanzierung der Jugendwerkstatt zunehmend auf wackeligen Beinen. Seit über 40 Jahren ist sie eine feste Institution in Gießen und fängt junge Menschen auf, die einen schweren Start ins Leben hatten. Aber das kostet natürlich. Finanziert werden die Angebote der Jugendwerkstatt zum großen Teil durch die evangelische Kirche und die staatlichen Jobcenter.
Beide müssen aber aktuell sparen und deshalb ist nicht klar, wie umfangreich die Gießener Jugendwerkstatt in Zukunft weiterarbeiten kann, erklärt Leiterin Mirjam Aasman: "Im schlimmsten Fall würde das bedeuten, dass viele Jugendliche ihre Ausbildung nicht zum Erfolg bringen können."
Zweite Chance auch für Unternehmen
Heißt: Statt dass junge Menschen im zweiten Anlauf eine Ausbildung bekommen und dann einen Job finden, wären einige von Sozialhilfe abhängig. Damit würde der Staat aber an der falschen Stelle sparen, findet Marcel. Der 39-Jährige hat vor neun Jahren seine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik in der Jugendwerkstatt abgeschlossen. Als Jugendlicher musste er eine erste Ausbildung abbrechen, er hatte Probleme zu Hause und mit Aggressionen zu kämpfen. Die Jugendwerkstatt hat ihn wieder aufgebaut, sagt er heute.
Inzwischen arbeitet Marcel als Zerspanungsmechaniker in einer großen Firma im Kreis Gießen, die Maschinen für Lebensmittelverpackungen herstellt. Eine Karriere, die er sich noch vor 20 Jahren nicht hätte vorstellen können: "Das Arbeitsleben war für mich irgendwann abgeschlossen."
Die Jugendwerkstatt hat ihm eine zweite Chance gegeben, bei der er sich beweisen konnte: Während seiner Ausbildung absolvierte er ein Praktikum bei seiner heutigen Firma, die ihn anschließend übernahm. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels setzten Unternehmen in der Region gerne auf die jungen Menschen, die in der Jugendwerkstatt ausgebildet wurden. Auch für sie ist es eine zweite Chance an Nachwuchs zu kommen.
Laura, die gerade ihre Ausbildung in der Gießener Jugendwerkstatt absolviert, hat Hoffnungen auf eine gute Perspektive im Job. Nächstes Jahr will die 19-Jährige ihre Ausbildung abschließen: "Es werden immer Schreiner gesucht." Sie wünscht sich, dass für die Jugendwerkstatt weiter genügend Geld da ist, um auch anderen eine zweite Chance zu ermöglichen.