EU-Wettbewerbsrecht Brüssel blockiert - China profitiert
Das gescheiterte Joint Venture von Thyssenkrupp und Tata Steel oder die untersagte Fusion von Siemens und Alstom - die EU nimmt das Wettbewerbsrecht sehr genau. Davon profitiert vor allem China.
Es war eine merkwürdige Situation: Während Thyssenkrupp und Tata Steel via Twitter bekannt gaben, dass sie die Untersagung ihres geplanten Joint Ventures durch die EU erwarten und die Stahlfusion aus Konzernsicht damit vom Tisch ist, tat die Kommission in Brüssel so, als werde die Fusion weiterhin ergebnisoffen geprüft. "Momentan geht die Untersuchung weiter", betonte ein Sprecher von Wettbewerbskommissarin Margarete Vestager. "Und der späteste Termin, an dem die Kommission ihre Entscheidung bekannt gibt, ist der 17. Juni." Die Wettbewerbskommission habe also noch über einen Monat Zeit ihre Position über die Fusion zu veröffentlichen.
Doch seit Wochen ist in Brüssel klar, dass Vestager von dem neuen Stahlverbund nichts hält, der mit einem Umsatz von rund 17 Milliarden Euro und mehr als 48.000 Beschäftigten zum zweitgrößten Stahlkonzern in der EU geworden wäre. Ob bei beschichtetem Stahl für Verpackungen oder bei Lieferungen für die Autoindustrie - Vestager fürchtete Wettbewerbsverzerrungen und stellte Forderungen auf, die weder Tata Steel noch Thyssenkrupp zu erfüllen bereit waren. Denn aus Konzernsicht laufen diese dem Sinn der 50:50-Partnerschaft diametral zuwider.
Harte Auslegung des Wettbewerbsrechts
Mit einem derart harten Widerstand hatten die beiden Stahlgiganten nicht gerechnet, als sie vergangenes Jahr in der altehrwürdigen Solvay-Bibliothek im Brüsseler Leopold Park - nur wenige hundert Meter von Vestagers Büro entfernt - ihre Pläne bekannt gaben. "Wichtig ist nur, dass wir die gleiche Philosophie haben und das Joint Venture integriert führen", betonte damals der ehemalige Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger. Weder Hiesinger noch Tata-Chef Chandasekaran sahen bei ihrer Pressekonferenz im Juli 2018 in Brüssel dieses Prinzip der integrierten Führung und die Fusion insgesamt durch die EU-Kommission gefährdet.
Doch spätestens nach Vestagers Nein zum Joint Venture der beiden Zughersteller Siemens und Alstom gingen in den Konzernzentralen und im Kanzleramt die Alarmleuchten an. Wirtschaftsminister Peter Altmaier eilte nach Brüssel, um Vestager seine Hochachtung und tiefen Respekt zu versichern. Aber auch seine große Sorge, ob die buchstabengetreue Interpretation eines aus Sicht mehrerer Mitgliedsstaaten völlig veralteten EU-Wettbewerbsrecht der europäischen Industrie beim globalen Überlebenskampf hilft. Vor allem beim Konkurrenzkampf mit China.
Vestager fährt einen harten Kurs gegen große Konzerne.
EU zahlt, China baut
Wettbewerbskommissarin Vestager erlebt zur Zeit, wie chinesische Staatsfirmen in Europa den Kampf für sich entscheiden, wenn es um von EU-Steuerzahlern mitfinanzierte Großprojekte geht. Zum Beispiel um das zur Zeit größte Brückenbauprojekt in der EU, das mit rund 350 Millionen Euro aus Brüssel finanziert - jedoch von einer chinesischen Baufirma errichtet wird. Die Pelješac-Brücke soll eine direkte Verbindung zum südlichen Zipfel Kroatiens ermöglichen und die Kontrollen am bosnischen Landstreifen überflüssig machen.
Vergeblich hatte eine österreichische Spezialfirma zu konkurrieren versucht: Das staatssubventionierte chinesische Unternehmen legte ein Angebot vor, das rund 80 Millionen Euro günstiger war. Das EU-Projekt ging an China, kein europäisches Unternehmen hatte auch nur den Hauch einer Chance. Von Vestager kam dazu kein Wort: Schließlich gelten die Regeln des EU-Wettbewerbsrechts nicht für China.