Ein autonom fahrender Lkw des Forschungsprojekts ATLAS-L4
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Serienproduktion ab 2030 MAN testet fahrerlosen Lkw auf der Autobahn

Stand: 18.04.2024 11:34 Uhr

Ab 2030 will der Lkw-Bauer MAN autonome Lastwagen in Serie produzieren. Heute findet der erste Praxistest auf der A9 bei München statt. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum fahrerlosen Lkw.

MAN testet heute Nachmittag seine fahrerlosen Lastwagen auf der Autobahn. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wagt sich an Bord. Auf der A9 nördlich von München will er in einem computergesteuerten Sattelschlepper von Allershausen knapp zehn Kilometer bis zur Raststätte Fürholzen-West mitfahren und für die neue Technik werben.

Wie sieht der Test aus?

Der Lastwagenbauer MAN hat das Testfahrzeug zusammen mit elf verschiedenen Partnern entwickelt und auf dem werkseigenen Testgelände erprobt. Das Projekt läuft bereits seit Januar 2022. Beteiligt sind die Zulieferer Knorr-Bremse, Leoni, Bosch, Fernride, BTC Embedded Systems, Institute der Fraunhofer-Gesellschaft und der Technischen Universitäten München und Braunschweig, der TÜV Süd, die Autobahn GmbH und das Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften.

Mit einer Sondergenehmigung geht es nun zur weiteren Erprobung auf die Autobahn. Dabei wird der Lkw stets von Mitarbeitern in einem Kontrollzentrum aus der Ferne überwacht und notfalls gesteuert, wie MAN-Sprecher Gregor Jentzsch betont. Außerdem sitzt auch noch ein Sicherheitsfahrer am Lenkrad, der jederzeit eingreifen kann. Gefördert wird das Projekt unter anderem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Was ist das Ziel?

MAN hat autonome Lastwagen schon beim Umschlag im Hamburger Hafen und beim Verladen auf die Bahn getestet und von bis zu 40 Prozent Effizienzgewinn berichtet. Der Pendelverkehr zwischen zwei Logistikpunkten an der Autobahn soll bis Jahresende laufen, dann sind praxisnahe Projekte mit Kunden geplant, und etwa 2030 könnten die Fahrzeuge dann in Serie gehen.

Was macht die Konkurrenz?

Der Autokonzern Daimler will schon 2027 so weit sein und setzt dafür auf den viel größeren US-Markt. Die Frachtmenge dort dürfte sich bis 2050 verdoppeln. "Die USA bieten mit ihren langen Highways, dem steigenden Bedarf an Gütertransport, großen Lkw-Flotten und den zukunftsorientierten Regulierungsbehörden ein ideales erstes Anwendungsfeld für den Einsatz dieser neuen Technologie", sagt Konzernsprecher Paul Mandaiker.

Die USA stünden dem Einsatz autonomer Fahrzeuge insgesamt sehr positiv gegenüber. Im nächsten Schritt könnte Daimler mit autonomen Lkw dann auch in Europa in Serie gehen. Für die Kommerzialisierung entscheidend sei aber, dass der Einsatz grenzüberschreitend möglich sei.

Auch Continental setzt auf die USA. Mit der US-Softwarefirma Aurora will der deutsche Zulieferkonzern 2027 ein autonomes Fahrsystem in Serie produzieren. Aurora arbeitet mit großen Lkw-Herstellern wie Paccar zusammen. Die Nachfrage sei groß, "wegen der langen Strecken, wegen des Fahrermangels - das wird der erste Markt für uns", sagte Conti-Sprecherin Jennifer Weyrich.

Was erhoffen sich die Hersteller und Zulieferer?

In erster Linie ein großes Geschäft. Daimler Trucks ist auf Highways in den USA schon seit einem Jahr mit selbstfahrenden Lastwagen in Pilotprojekten mit Kunden unterwegs, will sie 2027 regulär auf den Markt bringen und 2030 bereits drei Milliarden Dollar Umsatz und eine Milliarde Dollar Gewinn vor Zinsen und Steuern damit erwirtschaften, wie Konzernsprecher Paul Mandaiker sagt. So konkrete Pläne sind von MAN noch nicht bekannt.

"Am Ende muss es sich für einen Spediteur lohnen, sich die Technik anzuschaffen", sagte MAN-Sprecher Gregor Jentzsch. Er listet eine ganze Reihe von Vorteilen auf: In Europa und in den USA herrsche ein riesiger Fahrermangel. Autonome Lastwagen müssten keine Lenkzeiten und Ruhepausen beachten, sie können theoretisch rund um die Uhr fahren. Zudem werden sie demnach weder müde noch unaufmerksam, die Zahl der Unfälle dürfte sinken.

Statt Sattelschlepper mit Containern im Linienbetrieb auf der Autobahn zwischen Hamburg und München hin und her zu fahren und regelmäßig weit weg von daheim in der Fahrerkabine zu übernachten, könnten mehr Fahrer künftig im Regionalverkehr arbeiten, Fahrzeuge beladen und Ware ausliefern. Dazu kommen weitere Vorteile wie eine höhere Sicherheit und weniger Staus.

Wie reagiert die Speditionsbranche?

Die Kunden sind noch etwas skeptisch. Selbstfahrende Lastwagen, "das hört sich in der Theorie gut an", sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Grundsätzlich sehe er das auch positiv - aber mit vielen Fragezeichen: "Wie oft gibt es Ausfälle im Funknetz? Wie funktioniert das bei starkem Regen, Nebel, Schnee? An Baustellen? Wenn die Fahrbahnmarkierung verblasst ist?"

Dazu kommen die hohen Investitionskosten. Sowohl die Lkw-Hersteller als auch die Spediteure müssen auch in den nächsten Jahren sehr viel Geld in die Umstellung auf E-Mobilität investieren - das schreibt der Gesetzgeber vor. Allein in Deutschland fehlen laut BGL allerdings schon heute 120.000 Lkw-Fahrer. Jedes Jahr gingen 30.000 in Rente, nur 15.000 kämen neu dazu, sagt Engelhardt.

Der Verbandschef bezweifelt jedoch, dass autonome Lastwagen in absehbarer Zeit dabei helfen können, den Fahrermangel zu beheben. Frühestens in zehn Jahren dürften sie auf öffentlichen Straßen richtig unterwegs sein. Aber ohne Fahrer? Der Autopilot habe den Piloten im Flugzeug nicht überflüssig gemacht, Züge würden weiterhin von Lokführern gefahren. "Warum das autonome Fahren gerade im Straßenverkehr, der viel komplexer ist, Einzug halten soll, das erschließt sich mir nicht", sagt Engelhardt.

Was ist die gesetzliche Grundlage?

Den Rahmen für das ATLAS-L4 genannte Projekt bildet das Gesetz zum autonomen Fahren, das autonomes Fahren auf fest definierten Strecken unter einer technischen Aufsicht grundsätzlich ermöglicht. Es wurde schon 2021 erlassen - noch unter Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Der neue Test soll dahingehend auch Erkenntnisse für Detailregelungen liefern. Zumindest beim Lkw wäre dann anders als bei Elektroautos mit dem US-Pionier Tesla oder BYD aus China die deutsche Industrie der Trendsetter.