Deutsche Produktion sinkt erneut "In Talsohle angekommen"
Die deutsche Industrie kämpft weiter mit einer schwachen Entwicklung. Zum vierten Mal in Folge ist die Gesamtproduktion im Vergleich zum Vormonat gesunken. Ist der Tiefpunkt nun erreicht?
Deutsche Unternehmen haben ihre Produktion im August den vierten Monat in Folge gedrosselt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 0,2 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte.
Analysten hatten im Schnitt einen Rücksetzer um 0,1 Prozent erwartet, nachdem es im Juli bereits einen Rückgang von 0,6 Prozent gegeben hatte. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ging die Herstellung im August deutlich um 2,0 Prozent zurück. Auch im Dreimonatsvergleich von Juni bis August deutet die Produktion mit einem Minus von 1,9 Prozent klar nach unten.
Zuletzt gestiegene Aufträge deuten dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge aber darauf hin, "dass die Industrieproduktion an der Talsohle angekommen sein könnte und Richtung Jahreswechsel wieder Fahrt aufnimmt".
Ökonomen vorsichtig optimistisch
Auch Ökonomen teilen diese Ansicht. "Immerhin sieht es nach einer gewissen Stabilisierung auf niedrigem Niveau aus, nicht mehr nach Absturz", sagte etwa LBBW-Volkswirt Jens-Oliver Niklasch. Dennoch spricht das erneute Minus dafür, dass die deutsche Wirtschaft im zurückliegenden dritten Quartal geschrumpft ist.
"Der Rückgang des Bruttoinlandsproduktes wird zwar nicht besonders groß ausfallen, doch dies zeigt einmal mehr, dass die deutsche Wirtschaft derzeit nicht recht vom Fleck kommt", so der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Es bedürfte vor allem eines besseren weltwirtschaftlichen Umfeldes, damit es aufwärts gehe. Damit sei aber erst 2024 zu rechnen, wenn etwa der größte deutsche Exportkunde USA wieder Fahrt aufnehmen dürfte.
Kräftiger Zuwachs in der Autoindustrie
Die Entwicklung war in den verschiedenen Branchen unterschiedlich. Überdurchschnittlich starke Produktionsrückgänge gab es im August im Baugewerbe, bei der Energieerzeugung und im wichtigen Maschinenbau. Der Baubranche machen etwa die steigenden Zinskosten zu schaffen. In der Autoindustrie dagegen, wo die Produktion im Juni und Juli noch stark gesunken war, wuchs sie im August wieder kräftig mit 7,6 Prozent. Auch in den Bereichen Möbel und Textilien legte die Produktion zu.
Für die Industrie insgesamt hat sich das Neugeschäft zuletzt merklich belebt: Von Juni bis August legten die Industrieaufträge um 4,9 Prozent im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten zu. Daraus lasse sich aber "noch keine bevorstehende Trendwende bei der Industrieproduktion ableiten", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Dafür spreche, dass die Unternehmen Umfragen zufolge die während Corona liegen gebliebenen Aufträge nun abgearbeitet haben. "Die konjunkturelle Lage bleibt bis auf weiteres schwierig", so das Fazit des Commerzbank-Chefvolkswirts.
Herbstprognose am Mittwoch vorgestellt
Die deutsche Industrie leidet schon seit einiger Zeit unter einer Vielzahl von Problemen. Dazu zählt vor allem die schwächelnde Weltwirtschaft, die der stark exportorientierten Industrie Deutschlands besonders zu schaffen macht. Hinzu kommen die hohen Energie- und Rohstoffpreise. "Die Industrieproduktion lahmt", resümiert Gitzel von der VP Bank. "Sie ist derzeit das Hinkebein der deutschen Wirtschaft."
Die Bundesregierung rechnet angesichts der Inflation, schwächelnder Weltwirtschaft und der Produktionsaussichten in diesem Jahr mit einer leichten Rezession in Deutschland. Erwartet wird ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,4 Prozent gegenüber 2022. Darüber berichteten das "Handelsblatt" und die Nachrichtenagenturen dpa und Reuters unter Berufung auf Insidern. Wirtschaftsminister Robert Habeck stellt die Prognose am Mittwoch vor.
Danach geht die Bundesregierung davon aus, dass sich die Konjunktur in den kommenden Jahren wieder etwas erholt. Die Regierung erwarte 2024 wieder ein leichtes BIP-Wachstum von 1,3 Prozent. Für 2025 wird mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent gerechnet.