Streit um Vorschriften für Klimaschutz Berlin setzt auf Einsehen der EU-Kommission
Im Streit um Klimaschutzauflagen will Berlin ein Entgegenkommen der EU-Kommission erreichen. Wirtschaftsstaatssekretär Wuermeling sagte, auf eine Klage solle verzichtet werden. Gleichzeitig geht der Streit um die Drohung deutscher Autobosse mit Jobverlusten als Konsequenz aus EU-Vorschriften weiter.
Die Bundesregierung will im Streit über Klimaschutzauflagen für die Industrie doch erreichen, dass ihr die EU-Kommission entgegenkommt. Berlin setze auf konstruktive Gespräche und wolle der Kommission nochmals alle Positionen und Argumente unterbreiten, sagte der Sprecher des Bundesumweltministeriums, Michael Schroeren, nach der Ministerrunde unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Wirtschaftsstaatssekretär Joachim Wuermeling bestätigte, dass auf eine Klage beim Europäischen Gerichtshof möglichst verzichtet werden solle. "Es wird nochmals eine Initiative gegenüber der Kommission geben", fügte Wuermeling hinzu. Die Kommission hatte ultimativ von Deutschland verlangt, seine Obergrenze für den künftigen Kohlendioxid-Ausstoß auf 453 Millionen Tonnen pro Jahr zu begrenzen. Die Bundesregierung will mit Rücksicht auf die energieintensive Industrie 467 Millionen Tonnen zulassen.
"Wer sich zu spät anpasst, gefährdet Arbeitsplätze"
Gleichzeitig geht der Streit um den CO2-Ausstoß deutscher Pkw weiter. Das Umweltbundesamt kritisierte scharf die Drohung der Autoindustrie, die EU-Klimaschutzmaßnahmen mit massivem Jobabbau zu quittieren. Der Präsident der Behörde, Andreas Troge, warnte die Autoindustrie davor, die Einführung klimafreundlicher Technik zu verschlafen und auf diese Weise Arbeitsplätze zu gefährden. "Wer sich zu spät anpasst, gefährdet Arbeitsplätze", sagte Troge der "Neuen Presse" aus Hannover.
Die Konzerne hätten über die Pläne der Europäischen Union, die eine gesetzliche Regelung anstrebt, von Anfang an Bescheid gewusst. "Statt auf immer mehr Leistung und größere Fahrzeuge zu setzen, hätte die Industrie seit langem vorhandene klimafreundliche Technik konsequent einsetzen sollen", meinte der Behördenchef. Alle Potenziale für sparsamere und klimafreundliche Fahrzeuge müssten genutzt werden, forderte Troge. Der durchschnittliche Flottenverbrauch in Deutschland zugelassener Fahrzeuge liege deutlich über dem EU-Durchschnitt.
"Nicht den Kopf in den Sand stecken"
Die EU-Kommission wies die Kritik der deutschen Autokonzerne ebenfalls zurück. Angesichts der globalen Erwärmung könne man "den Kopf nicht in den Sand stecken", erklärte ein Sprecher und fügte hinzu: "Arbeitsplätze gehen nicht verloren, wenn man sich rechtzeitig auf Veränderungen einstellt, sondern wenn man sich in rückwärts gewandter Weise dagegen sperrt."
"Umweltvorgaben sind keine Bedrohung"
Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer forderte die Autoindustrie auf, neue Umweltvorgaben als Chance für Innovation und nicht als Bedrohung zu verstehen. "Die Autobranche muss aufpassen, dass sie ihre Zukunft nicht verspielt", sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Die deutschen Automobilunternehmen hätten schon den Dieselrußfilter verschlafen und dadurch nicht etwa Arbeitsplätze gesichert, sondern verloren.
Drohbrief nach Brüssel
Deutschlands Autobosse waren gestern auf Konfrontationskurs zu Brüssel gegangen. In einem Brief an die EU-Kommission warnten die Chefs der großen deutschen Autobauer vor einem drastischen Verlust von Arbeitsplätzen, sollte Brüssel einen scharfen Grenzwert für den CO2-Ausstoß vorschreiben. Es drohten "schwerste Verwerfungen in der Automobil- und Zulieferindustrie", heißt es nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" in dem Brief von Norbert Reithofer (BMW), Bernhard Mattes (Ford), Hans Demant (Opel), Martin Winterkorn (VW) und Dieter Zetsche (DaimlerChrysler). Eine Abwanderung zahlreicher Arbeitsplätze aus Deutschland und anderen Produktionsstandorten in Europa wäre die unmittelbare Folge, heißt es in dem Brief.
Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der FH Gelsenkirchen merkte dagegen an, dass Verantwortung für den Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg der Autobauer sehr wohl vereinbar seien. Ausländische Hersteller wie Toyota mit seinem Hybrid-Antrieb "machen uns vor, wie es gehen kann".
Das Ziel: 120 Gramm CO2 pro Kilometer
EU-Umweltkommissar Stavros Dimas will gesetzlich vorschreiben, dass von 2012 an die neu zugelassenen Autos in der EU einen Durchschnittswert von 120 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Kilometer erreichen. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Autobauer, 140 Gramm pro Kilometer bis 2008, droht zu scheitern. Noch liege der Wert bei knapp 160 Gramm, heißt es in dem Bericht.