Nach Kritik von Arbeitgebern Ärzte verteidigen telefonische Krankschreibung
In Politik und Wirtschaft gibt es Bestrebungen, die telefonische Krankschreibung wieder abzuschaffen - sie sei ein Grund für hohe Krankenstände. Ärzte verteidigen das Modell und warnen vor Bürokratie.
Der Verband der Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland hat die telefonische Krankschreibung gegen Kritik verteidigt. Ihre Einführung sei aus medizinischer Sicht sinnvoll gewesen und bisher "eine der ganz wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens", sagte die Bundesvorsitzende des Verbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, der Rheinischen Post. "Sie jetzt abzuschaffen, wäre schlichtweg absurd."
Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sprach sich für die Beibehaltung aus. Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagte er: "Ich bin sehr dafür, dass die telefonische Krankschreibung erhalten bleibt." Das habe er auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor einigen Wochen bei einem Treffen gesagt, so Reinhardt. Er halte es "nicht für klug, das wieder abzuschaffen".
Reinhardt begründet das mit einem Mehraufwand, den Praxisbesuche bedeuten: "Wenn wir jeden, der eine banale Erkältung hat, aber nicht arbeitsfähig ist oder die andere Belegschaft nicht anstecken soll, immer in die Praxis kommen lassen, dann werden wir das in der Dichte, in der wir das jetzt aktuell erleben, natürlich irgendwie bewältigen, aber das ist keine Erleichterung unserer Arbeit."
Kritik von Arbeitgebern an telefonischer Krankschreibung
Wer die telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) abschaffen wolle, gefährde die Patientenversorgung in den kommenden Monaten mit zahlreichen Infektionserkrankungen, so die Bundesvorsitzende des Verbandes der Hausärztinnen und Hausärzte. "Unsere Praxen haben definitiv nicht die Kapazitäten, die Folgen irgendwelcher Scheinlösungen einzelner Politiker auszubaden", sagte Buhlinger-Göpfarth. "Die Unterstellungen, dass sich die Menschen mithilfe der Telefon-AU einen schlanken Fuß machen, können wir aus unserer täglichen Arbeit nicht bestätigen."
Die Möglichkeit, sich per Telefon krankschreiben zu lassen, war in der Corona-Pandemie eingeführt worden. Im Dezember 2023 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken eine dauerhafte Regelung. Patientinnen und Patienten können sich dann telefonisch krankschreiben lassen, wenn sie in der Praxis bekannt sind und keine schweren Symptome haben. Vorher war in der Regel Voraussetzung für eine Krankschreibung, dass die Patientin oder der Patient persönlich in die Praxis kamen.
Korrelation mit Krankenstand?
Im Zuge ihrer Wachstumsinitiative für die Wirtschaft hat die Bundesregierung wegen des erhöhten Krankenstands eine Überprüfung der Maßnahme vereinbart. Finanzminister Lindner hatte unlängst gesagt: "Man wird für die Krankmeldung zukünftig wieder zum Arzt gehen müssen und das nicht einfach nur telefonisch erledigen können." Er wolle niemandem vorwerfen, die Regelung auszunutzen. Es gebe aber leider "eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme, die als guter Bürokratieabbau gedacht war".
Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) fordert eine Abschaffung der Telefon-AU. "Lasst uns zurückkehren zum bewährten Verfahren. Ungerechtfertigte Praktiken von digitalen Geschäftemachern müssen unterbunden werden. Das lässt Missbrauch wahrscheinlich erscheinen", sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Reinhardt, sagte im Bayerischen Rundfunk auf die Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen hohen Krankenständen und der erleichterten Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen sieht: "Nein, den gibt es für mich definitiv nicht."