Zulieferer Schaeffler "Wir tun das eine, ohne das andere zu lassen"
Schaeffler und Vitesco sind zu einem der größten Automobil-Zulieferer der Welt verschmolzen. Im Interview spricht Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld über die größten Herausforderungen.
tagesschau24: Durch die Fusion von Schaeffler und Vitesco ist einer der weltgrößten Autozulieferer entstanden. Aber es könnte der ein oder andere Arbeitsplatz überflüssig werden. Welche Bedeutung hat der Zusammenschluss jetzt für ihre Mitarbeiter?
Klaus Rosenfeld: Wir sind davon überzeugt, dass die Kombination - der Zusammenschluss von Schaeffler und Vitesco - ein größeres, stärkeres und zukunftsfähiges Unternehmen schafft. Und ich glaube, das ist nicht nur gut für unsere Kunden, für unsere Lieferanten. Das ist vor allen Dingen gut für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in einem attraktiven Unternehmen arbeiten wollen. Insofern macht dieser Zusammenschluss für alle Beteiligten Sinn.
"Es wird auch Anpassungen beim Personal geben"
tagesschau24: Wird es dennoch Stellenstreichungen geben?
Rosenfeld: Wir haben bereits erwähnt, dass wir Synergien schaffen möchten. Die Synergien sind im Wesentlichen auf der Ertragsseite und bei den Kosten, zum Beispiel im Einkauf. Aber ja, es wird auch Anpassungen beim Personal geben. Das ist selbstverständlich. Denn es gibt natürlich auch Funktionen, die doppelt besetzt sind. Aber das werden wir wie immer sozialverträglich und fair tun. Das wird in den nächsten Monaten festgelegt. Und ich bin da zuversichtlich, dass wir das auch gut vermitteln können.
tagesschau24: Schaeffler sitzt in Herzogenaurach, Vitesco in Regensburg. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wo der zukünftige Firmensitz sein soll? Wo gefällt es Ihnen denn persönlich besser?
Rosenfeld: Das wurde bereits vor dem Zusammenschluss festgelegt. Der Firmensitz wird selbstverständlich in Herzogenaurach bleiben. Das ist die Heimat des Unternehmens. Da sitzt die Familie Schaeffler. Insofern ist es auch vollkommen selbstverständlich, dass wir nicht nach Regensburg gehen, sondern dass wir in Herzogenaurach bleiben. Und da gefällt es mir auch gut.
Klaus Rosenfeld (geb. 1966) ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Schaeffler AG. Unter seiner Führung erfolgte im Oktober 2015 der Börsengang der Schaeffler AG. Rosenfeld startete seine berufliche Karriere mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Dresdner Bank und studierte anschließend an der Universität Münster Betriebs- und Volkswirtschaftslehre.
"Über viele Jahre hinweg eine strategische Lücke"
tagesschau24: Bei Schaeffler herrscht Euphorie über die Fusion. Das kann man momentan von ihrer Branche nicht behaupten. Die Automobilzulieferer und die gesamte Automobilindustrie haben schwerwiegende Probleme. Was sind die größten Herausforderungen?
Rosenfeld: Natürlich gehen wir durch eine Phase von großen geopolitischen und makroökonomischen Herausforderungen. Auch in unserer Branche gibt es die große Klima-Transformation, die wir bewältigen müssen. Genau deswegen wollen und müssen wir den Ausbau der E-Mobilität verstärken. Da gab es über viele Jahre hinweg eine strategische Lücke, die wir jetzt schließen müssen. Und ich glaube, es ist jetzt genau der Moment, in dem man mit Zuversicht und Optimismus die Zukunft gestalten muss.
Zweigleisige Firmenstrategie
tagesschau24: Das Thema E-Mobilität treibt auch die Autohersteller um. Die leiden unter einem großen Konkurrenzkampf in China. Wie stellen Sie sich auf, um davon nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden?
Rosenfeld: Unsere Strategie ist, in die E-Mobilität zu investieren. Genau das tun wir jetzt mit Vitesco, ohne dabei allerdings unser klassisches Geschäft mit Verbrennungsmotoren aufzugeben. Damit stehen wir sozusagen auf zwei Beinen, und das ist bei Gegenwind keine schlechte Basis. Das heißt, wir tun das eine, ohne das andere zu lassen, und versuchen, damit auch flexibel zu sein, um auf die weiteren Entwicklungen richtig reagieren zu können. Ich kann sagen, unsere Kunden mögen das.
Am Ende des Tages geht es immer um Innovation und Technologie. Und da muss man auch immer bedenken, dass das, was über Jahre geschaffen wurde, auch in Zukunft verlängert werden kann und sollte. Wir glauben, dass es mit der Strategie, mehr in die E-Mobilität zu investieren und gleichzeitig das klassische Geschäft weiterzuführen, genau der richtige Weg nach vorne ist.
Auf zehn Sektoren aktiv
tagesschau24: Und fernab der Automobilindustrie. Welche Industriezweige sind für Sie noch interessant?
Rosenfeld: Schaeffler ist mehr als ein reiner Automobilzulieferer. Ich glaube, das kann man gar nicht genug unterstreichen. Wir haben natürlich weitere Sektoren, die wir bedienen. Beim Thema Windkraft sind wir einer der großen Hersteller, aber auch in der Bahnindustrie und Flugzeugindustrie. Es sind insgesamt zehn Sektoren, die wir bedienen, und das gibt uns natürlich noch mal zusätzlich Stabilität und Diversifikation. Das war immer die Strategie der Familie Schaeffler.
tagesschau24: Im Moment ist Schaeffler im SDAX gelistet. Wie sind Ihre Chancen, in den MDax aufzusteigen?
Rosenfeld: Schaeffler und Vitesco zusammen werden jetzt einen Umsatz von mehr als 25 Milliarden Euro haben. Ich glaube, da ist es eigentlich selbstverständlich, dass wir in den MDax aufsteigen sollten. Wir werden auf jeden Fall jetzt alles dafür tun, dass das klappt. Die Firma ist jetzt jedenfalls groß genug.
Die Fragen stellte Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.