Inflationsdaten wirken nach Zinssorgen belasten weiter
Derzeit gibt es kein Entrinnen vor der Sorge, dass eine entschlossene Geldpolitik die Konjunktur ausbremst. Während die Börse in Frankfurt weiter nachgab, machte die Wall Street ein paar Punkte gut.
Noch eine Woche des Rätselratens steht den Anlegern bevor: Wie stark wird die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) auf die hartnäckige Inflation im Land reagieren? Mit einem weiteren großen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten oder sogar noch mehr? Nach den überraschend hohen US-Inflationsdaten gestern wird nichts mehr ausgeschlossen. "Die Leute hatten erwartet, dass sich die Teuerung abschwächt, aber die Daten zeigen, wie hartnäckig sie ist", sagte Seema Shah, Anlagestrategin beim Vermögensverwalter Principal Global. "Die Fed muss einen Gang hochschalten."
Nach zwischenzeitlich deutlichen Verlusten schaffte der Dow Jones am Ende doch noch ein kleines Plus von 0,1 Prozent. Die Technologiewerte des Nasdaq 100 erholten sich nach ihrem gestrigen Einbruch um 0,7 Prozent.
Die Erzeugerpreise für August, die langsamer als erwartet stiegen, konnten den Markt kaum stützen. Denn ohne Energie und andere im Preis schwankungsanfällige Waren ging die Inflation der Erzeugerpreise weniger zurück als gedacht. Das unterstrich die Tendenz der gestrigen Inflationsdaten.
Auch der DAX stand angesichts der Zinssorgen erneut unter Druck und büßte weitere 1,2 Prozent ein. Die runde Marke von 13.000 Punkten, die er mehrmals unterschritt, konnte der deutsche Leitindex aber verteidigen.
Trotz der kurzfristigen Zinserwartungen, die eher den Dollar stützen, näherte sich der Euro mehrmals wieder der Parität zum US-Dollar an. Am späten Abend prallte die Europäische Gemeinschaftswährung aber erneut nach unten ab und notierte bei 0,9970 Dollar.
Die Ölpreise haben sich von ihrem gestrigen Einbruch erholt. Das könnte auch an den ins Stocken geratenen Atomverhandlungen mit dem Iran liegen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht die Gespräche "in einer Sackgasse" und erwartet kurzfristig keinen Durchbruch. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete am Abend knapp 95 Dollar. Die US-Lagerbestände an Rohöl sind in der vergangenen Woche überraschend deutlich gestiegen. Sie legten im Vergleich zur Vorwoche um 2,4 Millionen Barrel (159 Liter) auf 429,6 Millionen Barrel zu. Analysten hatten nur mit einem Anstieg um 1,9 Millionen Barrel gerechnet.
Die Gaspreise zogen noch deutlicher an. Die neu aufgeflammten Kämpfe zwischen Aserbaidschan und Armenien gefährden wichtige Öl- und Gaspipelines vom Kaspischen Meer nach Europa.
Materialengpässe, die schwache Weltkonjunktur und steigende Energiepreise haben die Industrieproduktion im Euroraum im Juli unerwartet stark schrumpfen lassen. Die Unternehmen stellten 2,3 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang von 1,0 Prozent gerechnet. Besonders die Hersteller von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeuge produzierten 4,2 Prozent weniger. Der Branche machen Materialengpässe zu schaffen, etwa bei Halbleitern.
Nachdem der Bund seine Beteiligung an der Lufthansa vollständig verkauft hat, verlor die Aktie der Airline im MDAX über drei Prozent. Gestern hatte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) seine Beteiligung von zuletzt knapp zehn Prozent an internationale Investoren veräußert. Der Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne gehört dazu. Die schweizerische Kühne Holding teilte mit, sie habe ihren Anteil von zuletzt 15,01 auf 17,5 Prozent ausgebaut.
Die Uniper-Aktie brach um 18,3 Prozent ein. Die Bundesregierung erwägt laut einem Medienbericht eine mehrheitliche Verstaatlichung des angeschlagenen Energiekonzerns. Die geplante Beteiligung könne über 50 Prozent liegen, meldete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Der finnische Mutterkonzern Fortum erklärte, mit der Bundesregierung weiter über Uniper im Gespräch zu sein. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Rekord-Geldbuße für den US-Internetgiganten Google wegen illegaler Praktiken beim Android-Betriebssystem wird nur leicht auf 4,125 Milliarden Euro reduziert. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg bestätigte heute den Beschluss der EU-Kommission von 2018 weitgehend. Google habe den Herstellern von Android-Handys und den Betreibern von Mobilfunknetzen rechtswidrige Beschränkungen auferlegt, um die beherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu stärken. Die EU-Kommission hatte gegen das Unternehmen seit 2017 schon dreimal Geldbußen verhängt, die sich auf acht Milliarden Euro summieren.
Eine Gewinnwarnung ließ die Kion-Aktie im MDAX um knapp 30 Prozent einbrechen. Der Gabelstaplerhersteller rechnet im dritten Quartal wegen gestiegener Kosten im Projektgeschäft mit einem Verlust im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Störungen in den Lieferketten und deutlich gestiegene Kosten wirkten sich negativ aus. Der Auftragseingang wird dem Unternehmen zufolge deutlich unter dem Niveau des Vorjahresquartals liegen. Analyst Fabian Semon von der Investmentbank Oddo BHF nannte die Warnung "hässlich".
Auch der Online-Modehändler About You musste seine Jahresziele deutlich zurückschrauben. Das im SDAX notierte Unternehmen hat die Kaufzurückhaltung infolge der Inflation zu spüren bekommen und erwartet 2022 nun ein Umsatzplus zwischen zehn und 20 Prozent auf 1,9 bis 2,078 Milliarden Euro statt zwischen 25 und 35 Prozent. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wird ein Minus zwischen 140 und 120 Millionen Euro angepeilt statt minus 70 bis minus 50 Millionen Euro.
Die Zara-Muttergesellschaft, die spanische Inditex, hat im ersten Halbjahr kräftig zugelegt. Die Erlöse schnellten um knapp ein Viertel auf 14,8 Milliarden Euro nach oben. Das operative Ergebnis stieg mit einem Plus von 30 Prozent auf vier Milliarden Euro noch stärker. Unter dem Strich blieben 1,8 Milliarden Euro, 41 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Auch im zweiten Halbjahr hat sich das Wachstum laut dem Unternehmen mit der Herbst/Winter-Kollektion fortgesetzt.