Händler an der New York Stock Exchange
Marktbericht

DAX deutlich höher Wall Street zieht nicht mit

Stand: 04.01.2023 22:18 Uhr

Die fulminante Kursrally zu Jahresbeginn steht vor einer Bewährungsprobe. Denn die Weltleitbörse in New York präsentiert sich weiterhin lethargisch.

Das neue Jahr beginnt mit einer seltenen Uneinigkeit unter den großen Weltbörsen: Während die Märkte in Europa insgesamt sehr gut gestartet sind, tun sich die US-Börsen deutlich schwerer. Auch zur Wochenmitte blieb die Wall Street hinter den europäischen Märkten zurück. Nach zwischenzeitlich deutlichen Gewinnen schloss der Dow Jones nur noch 0,4 Prozent höher.

Auch das Wahlchaos im US-Repräsentantenhaus trübte die Stimmung. Die Technologietitel an der Nasdaq erholten sich etwas deutlicher von ihrem gestrigen Rückschlag. Der Auswahlindex Nasdaq 100 legte um 0,48 Prozent zu.

Für Verstimmung sorgte das im Verlauf veröffentlichte Protokoll der jüngsten Sitzung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Die Mitglieder im geldpolitischen Ausschuss warnten vor einer "ungerechtfertigten" Lockerung der Finanzmarktkonditionen, hieß es in den so genannten Minutes zur Zinsentscheidung vom 14. Dezember. Dies könnte den Kampf um die Preisstabilität beeinträchtigen. Ansonsten gab es keine neuen Erkenntnisse zum weiteren Zinskurs, der wahrscheinlich einen kleineren Zinsschritt von 0,25 Prozent im Februar bringen wird.

Zudem hat sich die Stimmung in der US-Industrie im Dezember den vierten Monat in Folge eingetrübt. Der Einkaufsmanagerindex ISM fiel im Vergleich zum Vormonat um 0,6 Punkte auf 48,4 Zähler, wie das Institute for Supply Management (ISM) mitteilte. Dies ist der tiefste Stand seit Mai 2020. Analysten hatten im Schnitt einen Wert von 48,5 Punkten erwartet. Der Indikator ist damit noch weiter unter die Schwelle von 50 Punkten gefallen, deutet also weiterhin auf eine Schrumpfung der Wirtschaft hin.

Der DAX hatte zuvor mit einem Plus von 2,18 Prozent seine Kursrally zum Jahresstart noch einmal beschleunigt. Während die dreitägige Aufwärtsbewegung noch gut in das statistische Phänomen der "Weihnachtsrally" rund um den Jahreswechsel passt, wurde sie heute auch von ermutigenden Daten von der Konjunktur und der Autobranche flankiert.

Mit den Kursavancen hat der DAX die Marke von 14.000 Punkten, die er am Montag zurückerobert hatte, deutlich hinter sich gelassen. Es sei ein gutes Zeichen, dass der Index nun auch die Marke von 14.200 Punkten wieder überschreiten konnte, meinte Jochen Stanzl, Marktanalyst von CMC Markets. "Damit keimt die Hoffnung auf, dass nun auch die nächste runde 15.000-er Marke bald in Angriff genommen werden kann."

Die neue Zuversicht am deutschen Markt wurde auch von aktuellen Konjunkturdaten genährt. So ist die Unternehmensstimmung im Euroraum im Dezember weiter gestiegen. Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global legte im Vergleich zum November um 1,5 Punkte auf 49,3 Zähler zu. Eine erste Erhebung wurde damit nach oben revidiert. Der stark beachtete Konjunkturindikator signalisiert allerdings den sechsten Monat in Folge ein Schrumpfen der wirtschaftlichen Aktivitäten.

Ein Rekordrückgang der Preise für Importe lässt zudem auf ein Abebben der Inflation in Deutschland hoffen. Die Einfuhren verbilligten sich im November um 4,5 Prozent im Vergleich zum Oktober. "Einen Preisrückgang gegenüber dem Vormonat in dieser Höhe hat es bisher nicht gegeben", teilte das Statistische Bundesamt mit. Da die deutsche Wirtschaft viele Vorprodukte und Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, kommen sinkende Einfuhrpreise mit Verzögerung auch bei den Verbrauchern an. Gemessen am Vorjahresmonat stiegen die Importpreise nur noch um 14,5 Prozent.

Der Rückgang der Inflationsrate in Deutschland, der gestern gemeldet wurde, sorgte zunächst für Druck auf den Euro. Die Aussicht auf eine langsamere Gangart der Europäischen Zentralbank (EZB) ließ die Gemeinschaftswährung gestern gegenüber dem Dollar sinken. Heute schaffte es der Euro mit Kursen über 1,06 Dollar aber wieder aufwärts.

Am Ölmarkt wurde die konjunkturelle Zuversicht am Aktienmarkt nicht geteilt. Die Ölpreise weiteten ihre Verluste im Tagesverlauf deutlich aus. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Abend 78,52 US-Dollar. Das waren 3,59 Dollar weniger als am Dienstag. Die Energiemärkte blicken besonders auf die massive Corona-Infektionswelle in China. Weiter steigende Infektionen könnten die Nachfrage belasten, sagte Rohstoffexperte Warren Patterson von der ING Bank. Zudem wird am Markt auf die ungewöhnlich milden Wintertemperaturen in Europa verwiesen, die für eine geringere Nachfrage nach Rohöl sorgten.

Der größte US-Autobauer General Motors (GM) hat seinen Absatz auf dem Heimatmarkt im vergangenen Jahr leicht gesteigert und den Rivalen Toyota dort als verkaufsstärksten Hersteller abgelöst. GM brachte 2022 nach eigenen Angaben 2,27 Millionen Neuwagen an die US-Kunden und legte damit gegenüber dem Vorjahr um drei Prozent zu. Toyota musste einen Rückgang um 9,6 Prozent verkraften und wurde nur 2,1 Millionen Fahrzeuge los. 2021 hatten die Japaner knapp die Nase vorn gehabt - GM verlor damit erstmals seit 1931 die Marktführerschaft in den USA.

Zu der neuen Zuversicht am deutschen Aktienmarkt trugen auch gute Nachrichten für die Autobranche bei. So ist der Autoabsatz in Deutschland nach den beiden schwachen Corona-Jahren wieder leicht gestiegen. 2022 kamen rund 2,65 Millionen Neuwagen auf die Straße, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilte. Das sind 1,1 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Allerdings ist damit nur ein kleiner Teil der Verluste aus der Corona-Krise aufgeholt. Im Vor-Pandemiejahr 2019 hatten die deutschen Hersteller und Importeure noch 3,6 Millionen Fahrzeuge abgesetzt. Insbesondere die Nachfrage nach Elektroautos legte kräftig zu. Bei den Marken verteidigte VW trotz eines Rückgangs seine Spitzenposition und kam auf einen Marktanteil von 18,1 Prozent, gefolgt von Mercedes mit 9,2 Prozent, Audi mit 8,0 und BMW mit 7,9 Prozent. Der US-Elektroautobauer Tesla erreichte einen Marktanteil von 2,6 Prozent, allerdings mit steigender Tendenz.

Auch der chinesische Automarkt konnte im vergangenen Jahr dank der zweiten Jahreshälfte leicht zulegen. Die Auslieferungen von Pkw legten in der Volksrepublik nach vorläufigen Zahlen um 1,8 Prozent auf 20,7 Millionen Autos zu, wie der Branchenverband PCA in Peking mitteilte. Mit dem Plus gelang dem weltweit wichtigsten Automarkt das zweite Wachstumsjahr in Folge, nachdem es zuvor einige Jahre abwärts gegangen war.

Details zum Absatzjahr gab es unter anderem von BMW: Der Münchener Autobauer hat 2022 rund 2,4 Millionen Autos verkauft, das waren fast 100.000 Fahrzeuge weniger als im Vorjahr. Der Absatz vollelektrischer Fahrzeuge sei aber mehr als verdoppelt worden, so BMW. Somit erreichte der Anteil vollelektrischer BMWs und Minis am Gesamtverkauf annähernd zehn Prozent. Ziel für das laufende Jahr ist ein Anteil von 15 Prozent. Die Kernmarke BMW verkaufte 2,1 Millionen Autos nach 2,2 Millionen im Jahr zuvor.

Die Aktie der Münchener Rückversicherung gehörte zu den größten DAX-Gewinnern. Zwischenzeitlich erreichte der Finanztitel mit 322,20 Euro den höchsten Stand seit 2001.

Deutlich gegen den Trend schwächer präsentierte sich die Aktie von RWE. Gestern war der Energietitel, einer der größten Gewinner des vergangenen Jahres, unter die 200-Tage-Linie bei knapp unter 40 Euro gefallen, die als Indikator für den längerfristigen Trend gilt. Möglicherweise steht dies im Zusammenhang mit dem sich zuspitzenden Konflikt um den Braunkohleabbau, dem das Dorf Lützerath zum Opfer fallen soll.

Rheinmetall hat vom ungarischen Staat den Auftrag zum Bau eines neues Sprengstoffwerks erhalten. Das Auftragsvolumen für die Fabrik am Rheinmetall-Standort in Varpalota liege im niedrigen dreistelligen Millionen-Bereich, so der Rüstungskonzern. Der in dem neuen Werk produzierte Sprengstoff könne etwa für Artillerie- oder Panzermunition genutzt werden. Der Sprengstoff solle nach Europa und an die NATO gehen.

Die Grenke-Aktie setzte im SDAX ihre Erholung der vergangenen Tage fort. Mit einem Neugeschäftsvolumen von 2,3 Milliarden Euro erreichte der Leasingspezialist 2022 das obere Ende der im Oktober angehobenen Zielspanne. Ein Händler merkte hierzu an, dass sich das Wachstum beschleunige, allerdings bei einer geringeren Profitabilität.

Europas größter Billigflieger Ryanair rechnet nach einem überraschend gut verlaufenen dritten Geschäftsquartal mit einem höheren Jahresgewinn als bisher. Nach Steuern und Sondereffekten sollen nun 1,325 bis 1,425 Milliarden Euro hängen bleiben, wie Europas größter Billigflieger am Abend mitteilte. Zuvor war Ryanair von 1,00 bis 1,20 Milliarden Euro ausgegangen. Voraussetzung sei, dass es keine unvorhersehbaren negativen Ereignisse gebe. Im dritten Quartal dürfte ein Gewinn von knapp 200 Millionen Euro erzielt worden sein, hieß es weiter. In der Urlaubssaison sei ein starker Nachholbedarf der Kunden festgestellt geworden.

Ein Gericht hat den Einspruch von Google gegen eine Strafe der indischen Kartellbehörde CCI heute zurückgewiesen. Die Tochter des Internet-Konzerns Alphabet war zur Zahlung von 161 Millionen Dollar verurteilt worden, weil sie ihre marktbeherrschende Stellung beim Smartphone-Betriebssystem Android ausnutze. Das Unternehmen hatte den Widerspruch unter anderem damit begründet, dass die CCI bei dem Verfahren eine ähnliche Entscheidung der EU fast eins zu eins übernommen habe, ohne zu prüfen, ob die Grundlagen hierfür auch in Indien zuträfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 04. Januar 2023 um 12:00 Uhr.