Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Thema Taiwan abgehakt Börsen wieder auf Erholungskurs

Stand: 03.08.2022 22:15 Uhr

Getreu dem Motto "politische Börsen haben kurze Beine" trat das Thema Taiwan im Tagesverlauf in den Hintergrund. Eine Reihe von Zahlen sorgte an den Märkten für eine willkommene Ablenkung.

In einer Phase hoher geopolitischer Unsicherheit waren die Marktteilnehmer zur Wochenmitte dankbar, sich den robusten Wirtschafts- und Unternehmensdaten zuwenden zu können. Demgegenüber traten die Sorgen um Taiwan in den Hintergrund.

Zwar meldete Taiwan zahlreiche Verletzungen seines Luftraums durch China, und die Volksrepublik erließ erste Wirtschaftssanktionen gegen den Inselstaat. Zuvor hatten viele Investoren aber eine schärfere Reaktion Chinas erwartet, das den USA wegen des Besuchs der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan mit "Bestrafung" gedroht hatte. Der Dow Jones konnte sich um 1,3 Prozent erholen.

Noch stärker ging es mit den Technologiewerten bergauf, die ihre Kursverluste zum Monatsbeginn mehr als wettmachten. Der Technologieindex Nasdaq 100 verbuchte ein Plus von 2,7 Prozent.

Überraschend starke Konjunkturdaten wurden positiv aufgenommen. So stieg der Auftragseingang der Industrie im Juni mit 2,0 Prozent deutlich stärker als erwartet. Auch der Einkaufsmanagerindex aus dem US-Dienstleistungssektor für den Juli fiel mit 56,7 Punkten höher als prognostiziert aus. Offenbar erschüttern die Daten nicht die Hoffnung, dass die US-Notenbank bei ihrem Zinskurs ein wenig das Tempo herausnehmen könnte.

Auch in Frankfurt wagten sich viele Anleger getreu dem alten Börsenmotto "politische Börsen haben kurze Beine" wieder an den Markt. Nach zwei verhaltenen Börsentagen konnte sich der DAX fast kontinuierlich erholen. Der deutsche Leitindex ging ein Prozent höher aus dem Handel.

Die Konjunkturdaten des Tages aus Europa waren insgesamt etwas verhaltener. Die Wirtschaft der Eurozone ist im Juli trotz Energiekrise und rekordhoher Inflation nur auf einem moderaten Kontraktionskurs. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft gab um 2,1 auf 49,9 Zähler nach. Er fiel damit erstmals seit Februar 2021 unter die Wachstumsschwelle von 50, wie der Finanzdienstleister S&P Global zu seiner Umfrage unter Tausenden Firmen auf Basis endgültiger Daten mitteilte.

Update Wirtschaft vom 03.08.2022

Stefan Wolff, HR, tagesschau24

Die deutschen Exporteure haben im Juni wegen der guten Nachfrage aus den EU-Ländern, den USA und China Rekordeinnahmen verbucht. Die Ausfuhren wuchsen um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat und summierten sich damit auf 134,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Wachstum von 1,0 Prozent gerechnet. Sie führen das höhere nominale Exportvolumen allerdings zum Teil auf Preiserhöhungen zurück. Der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, warnte deshalb vor zu viel Euphorie bei der Interpretation der Zahlen.

Die starken US-Daten setzten den Euro weiter unter Druck, nachdem die Gemeinschaftswährung bereits unter den Spannungen mit China gelitten hatte. Am späten Abend notiert der Euro bei 1,0170 Dollar.

Die Ölpreise notierten am Abend deutlich tiefer. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete 97,50 Dollar. Dabei will das erweiterte Ölkartell OPEC+ seine Fördermengen im Herbst vorerst nur geringfügig steigern. Nach den größeren Erhöhungen der vergangenen Monate werde das gemeinsame Tagesproduktionsziel im September um weitere 100.000 Barrel (159 Liter) ausgeweitet, teilte die von Saudi-Arabien und Russland dominierte Allianz nach ihrer heutigen Sitzung mit. Die Allianz verfüge nur über "extrem limitierte Kapazitätsüberschüsse" und müsse diese deshalb äußerst vorsichtig nutzen, argumentierte die OPEC+.

Unter den Quartalsbilanzen an der Wall Street stach PayPal heraus. Die Aktie gewann knapp zehn Prozent. Der Zahlungsabwickler hob angesichts eines überraschend starken Quartalsergebnisses seine Gewinnziele an. Zusammen mit den Einsparungen und den Aktienrückkäufen hätte die Aktie ihre Talsohle durchschritten, prognostizierte Analyst Christopher Brendler vom Research-Haus D.A. Davidson. Daher bekräftige er seine Kaufempfehlung und das Kursziel von 120 Dollar.

Am Abend geriet die Aktie der Adler Group unter Druck. Der angeschlagene Immobilienkonzern muss bei der Verringerung seiner Schulden einen Rückschlag hinnehmen. Der angepeilte Verkauf eines 63-prozentigen Anteils der Tochtergesellschaft Brack Capital Properties (BCP) kommt nicht zustande. Der Branchenkollege LEG will eine entsprechende Option nicht ausüben. Das Geschäft hätte ein Volumen von mindestens 765 Millionen Euro gehabt.

Im DAX war die BMW-Aktie mit einem Minus von 5,6 Prozent Schlusslicht. Der Autobauer hatte am Morgen einen Gewinnrückgang gemeldet. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag im zweiten Quartal mit 3,43 Milliarden Euro um knapp ein Drittel unter dem Vorjahreswert. Unter dem Strich verblieb ein Konzernüberschuss von 3,05 Milliarden Euro. Der Konzernumsatz legte im zweiten Quartal trotz des Rückgangs bei den Auslieferungen um 21,6 Prozent auf fast 34,8 Milliarden Euro zu. Für das Gesamtjahr senkte BMW allerdings seinen Ausblick für die Pkw-Absätze.

Auch die Anteilsscheine von Siemens Healthineers gaben nach. Höhere Kosten in der Beschaffung und der Logistik sowie die Lockdowns in China haben zu einem Gewinnrückgang im vergangenen Quartal geführt. Das bereinigte operative Ergebnis sank um knapp ein Fünftel auf 765 Millionen Euro. Nach Steuern verblieben 364 Millionen Euro und damit acht Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der Umsatz stieg um 3,7 Prozent auf knapp 5,2 Milliarden Euro.

Der Chiphersteller Infineon blickt nach einem Umsatzplus im dritten Quartal optimistischer auf das Gesamtjahr. Im Geschäftsjahr, das Ende September endet, rechnen die Münchner nun mit einem Umsatz von rund 14 Milliarden Euro, das ist eine halbe Milliarde Euro mehr als bislang erwartet. Im abgelaufenen Vierteljahr verbesserten sich die Erlöse um ein Drittel verglichen auf 3,6 Milliarden Euro. Steigende Rohstoffpreise, Energiekosten und Zinsen belasteten aber das Wachstum, so Infineon-Chef Jochen Hanebeck.

Zu den gefragteren Titeln im DAX gehörte Vonovia. Die Übernahme der Deutsche Wohnen hat Deutschlands größtem Immobilienkonzern weiter Auftrieb gegeben. Im ersten Halbjahr 2022 legte das operative Ergebnis (FFO) vor allem dank der Übernahme im Jahresvergleich um 36 Prozent auf 1,06 Milliarden Euro zu. Die Miete stieg per Ende Juni im Schnitt auf 7,44 Euro pro Quadratmeter - das waren zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Zum Zuwachs trugen vor allem modernisierte Wohnungen bei. Zudem profitiert das Unternehmen von seinen Neubauten. Die Jahresziele für Umsatz und Ergebnis bestätigte Vonovia.

Die Commerzbank hat im zweiten Quartal einen überraschend hohen Gewinn erzielt. Unter dem Strich stand ein Überschuss von 470 Millionen Euro. Das waren 100 Millionen mehr als von Analysten im Schnitt erwartet. Ein Jahr zuvor hatten Kosten für Stellenabbau und Filialschließungen die Großbank mit 527 Millionen Euro tief in die roten Zahlen gerissen. Im zweiten Quartal sprangen die Erträge - also die gesamten Einnahmen der Bank - im Jahresvergleich um 30 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro nach oben.

Hugo Boss kommt auch dank der im vergangenen Jahr gestarteten Markenerneuerung mit seiner Mode wieder besser an. Der Metzinger Modekonzern meldete einen Nettogewinn im zweiten Quartal von 58 Millionen Euro, was mehr als einer Verdopplung entspricht. Mit einem Plus von 40 Prozent auf 878 Millionen Euro erzielte der MDAX-Konzern zudem den höchsten Umsatz, den Hugo Boss je in einem zweiten Quartal erwirtschaftet hat. Das Management erwartet dieses Jahr einen Rekordumsatz von 3,3 bis 3,5 Milliarden Euro. Verglichen mit 2021 wäre das ein Plus von 20 bis 25 Prozent.

Der Solar- und Windpark-Betreiber Encavis wird angesichts gesteigerter Kapazitäten und hoher Strompreise optimistischer für das Gesamtjahr. Der Vorstand rechnet nun mit einem Umsatz von über 420 Millionen Euro nach bisher über 380 Millionen. Als um Sondereffekte bereinigtes operatives Ergebnis (bereinigtes Ebit) sollen davon mehr als 185 Millionen Euro bleiben, nachdem zuvor gut 166 Millionen erwartet wurden. In den vergangenen Jahren ist das MDAX-Unternehmen vor allem dank Übernahmen und neu eröffneter Parks mit Wind- und Solaranlagen gewachsen.

Die Aktie von Auto1 legte um bis zu 16 Prozent zu. Der Online-Gebrauchtwagenhändler setzt sich höhere Ziele und will im laufenden Jahr einen Umsatz von sechs bis sieben Milliarden Euro statt der bisher anvisierten 5,7 bis 6,8 Milliarden erreichen. Von April bis Juni erwirtschaftete Auto1 dank mehr verkaufter Fahrzeuge 1,74 Milliarden Euro, ein Plus von rund 63 Prozent. Firmenchef Christian Bertermann sieht das Unternehmen auf einem guten Weg, die Profitabilität weiter zu steigern.

Der Lieferando-Eigner Just Eat Takeaway.com kommt auf seinem Weg aus den roten Zahlen voran. Im ersten Halbjahr schrumpfte der bereinigte Betriebsverlust (Ebitda) auf 134 Millionen Euro von 189 Millionen Euro, wie der niederländische Konzern mitteilte. Der Umsatz legte aber nur um sieben Prozent auf 2,78 Milliarden Euro zu. Die Zahlen seien schlechter als erwartet, sagte Jefferies-Analyst Giles Thorne. Gut sei hingegen, dass Just Eat den Ausblick bestätigt habe. Die Aktie steigt leicht.

Der Softwareanbieter Teamviewer wird bei den Wachstumsaussichten etwas vorsichtiger. Bei den sogenannten Billings, den in Rechnung gestellten Umsätzen, geht das MDAX-Unternehmen in diesem Jahr nun von einem Wert um das untere Ende der Prognosespanne von 630 bis 650 Millionen Euro aus. Im zweiten Quartal wuchsen die Billings gegenüber dem Vorjahresquartal um zwölf Prozent auf 136,1 Millionen Euro - und damit nicht so kräftig wie am Markt erwartet. Der Umsatz legte um zwölf Prozent auf 137,5 Millionen Euro zu.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. August 2022 um 07:35 Uhr.