Rede des Fed-Präsidenten Weitere US-Zinsanhebungen wahrscheinlich
In den USA ist keine Zinspause in Sicht. Fed-Chef Powell stellte bei einer wichtigen Notenbank-Konferenz weitere kräftige Zinserhöhungen in Aussicht. Auch in Europa könnte es bald einen großen Zinsschritt geben.
Alljährlich treffen sich die führenden Notenbanker der Welt in Jackson Hole am Fuße der Rocky Mountains. Auf der Konferenz senden sie die geldpolitischen Signale für die nahe Zukunft. Dementsprechend gespannt blicken die Konjunktur-Experten und Börsenprofis nach Jackson Hole. Vor allem Fed-Präsident Jerome Powell steht im Blickpunkt.
Lockerung der Geldpolitik wäre verfrüht
Der oberste US-Währungshüter sprach sich bei seiner Eröffnungsrede gegen eine von vielen Investoren erhoffte verfrühte Lockerung der Geldpolitik aus. Powell hält weitere Anhebungen der Leitzinsen für wahrscheinlich und stimmte die Finanzmärkte auf einen langen Kampf gegen die ausufernde Inflation ein. Die Wiederherstellung der Preisstabilität werde für "einige Zeit" eine restriktive Geldpolitik nötig machen, sagte er. Dazu müssten die Werkzeuge "kraftvoll" genutzt werden.
Wie hoch der nächste Zinsschritt ausfallen wird, blieb vorerst offen. Laut Powell hänge dies von der Datenlage ab, womit insbesondere die Inflations- und Arbeitsmarktdaten gemeint sein dürften. Es könnte jedoch ein erneut "außergewöhnlich großer" Zinsschritt notwendig werden.
Nachteile für Haushalte und Unternehmen
Powell räumte ein, dass mit der weiteren geldpolitischen Straffung Nachteile für Haushalte und Unternehmen entstehen könnten, weil höhere Zinssätze die Wirtschaft verlangsamen und zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen könnten. "Das sind die unschönen Kosten dafür, die Inflation zu reduzieren", sagte Powell. Irgendwann werde es auf dem Weg der Zinserhöhungen allerdings angebracht sein, das Tempo zu verlangsamen.
Der Fed-Chef hat in jüngster Zeit Leitzinsen von 3,0 bis 3,5 Prozent bis Jahresende als anzustrebendes "moderat restriktives Niveau" bezeichnet. Die US-Notenbank hatte ihren Leitzins auf der jüngsten Sitzung im Juli um 0,75 Prozentpunkte auf 2,25 bis 2,50 Prozent angehoben. Es war die vierte Erhöhung des Leitzinses seit Ende 2021 - und der zweite ganz große Zinsschritt (0,75 Prozentpunkte) binnen zwei Monaten. Der Grund für das entschlossene Handeln der Notenbank ist die sehr hohe Inflation. Die Teuerungsrate in den USA hatte im Juli bei 8,5 Prozent gelegen. Die Fed strebt eine Rate von zwei Prozent an.
Mehr Sorge vor Inflation als vor Rezession
"Die Fed sorgt sich weiterhin mehr über eine Verfestigung der außergewöhnlich hohen Inflation als vor einer Rezession", meint Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. "Eine weitere Abschwächung der US-Konjunktur nimmt die Fed bewusst in Kauf - als kleineres Übel in Relation zur Alternative dauerhaft hoher Inflation", sagt auch LBBW-Ökonom Elmar Völker. Ein unmittelbares Ende der geldpolitischen Straffung sei nicht in Sicht. Wo die Schmerzgrenze mit Blick auf eine mögliche Rezession liege, sei eine der entscheidenden Fragen der kommenden Monate.
An den Finanzmärkten wird seit einigen Wochen befürchtet, dass die Notenbank mit einem zu aggressiven Kurs einen Wirtschaftsabschwung auslösen könnte. Das wäre ein schwerer Rückschlag für US-Präsident Joe Biden, der bei den Zwischenwahlen im Herbst um die Mehrheit der Demokraten im Senat bangen muss. Die USA stecken nach den ersten beiden Quartalen bereits in einer sogenannten technischen Rezession. Die Wirtschaftsleistung ist zwei Quartale hintereinander geschrumpft.
Börsen rutschen deutlich ab
Die Rede von Powell sorgte für herbe Kursverluste an den Börsen in den USA und in Europa. Der DAX sackte um 2,3 Prozent ab, der Dow Jones fiel um 1,6 Prozent. Anleger warfen in Erwartung großer Zinsschritte Anleihen aus den Depots. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Staatsanleihen stieg um acht Basispunkte auf ein Zwei-Monats-Hoch von 1,419 Prozent. Der Euro stieg wieder über die Parität.
Großer Zinsschritt in Europa?
Die Börsen-Talfahrt wurde zusätzlich angeheizt durch Spekulationen über einen größeren Zinsschritt in Europa. Einige Währungshüter wollen Insidern zufolge aufgrund sich verschlechternder Inflationsaussichten auf der Sitzung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) im September eine besonders kräftige Erhöhung diskutieren. Zwar hat sich bislang noch niemand aus dem EZB-Rat öffentlich für eine Anhebung um 0,75 Prozentpunkte ausgesprochen. Doch das Vorbild der Fed und ein ungebrochener Inflationsschub im Euro-Raum liefern dafür Argumente.
An den Märkten wird inzwischen fest mit einer Erhöhung um einen halben Punkt auf 1,0 Prozent auf der Zinssitzung am 8. September gerechnet. Bis Ende des Jahres wird eine Anhebung um 0,75 weitere Prozentpunkte erwartet. Im Juli hatte die EZB die Zinswende eingeläutet und erstmals seit elf Jahren die Zinsen um 0,50 Prozentpunkte angehoben.