Zentralbank-Hochhaus in Frankfurt Pfusch im EZB-Tower?
Keine zehn Jahre ist es her, dass die EZB in ihre neue Zentrale umzog. Der schicke Turm am Main versprach Hightech. Doch bis zuletzt sorgten technische Mängel für Probleme.
Anfang Februar 2018 rückten in der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main Prüfer vom TÜV an. Im vor vier Jahren bezogenen EZB-Tower sollte der Feuerschutz getestet werden - und das bei Ausfall der Stromversorgung von außen. Ingenieure und Techniker von Serviceunternehmen und Lieferanten waren bei den Tests vor Ort.
Das neue Hochhaus der EZB wurde dunkel und blieb es. Die Notstromautomatik sprang nicht an. Sprinkler, Entrauchungsanlagen, Beleuchtung, Computer und Lifte lagen still. Um zu retten, was zu retten war, griffen die Fachleute ein. Doch die mangelhafte Automatik funkte dazwischen. Nur weil eine große Zahl Experten vor Ort war, gelang es, die Technik zu überlisten. Nach 20 Minuten Blackout war die EZB wieder am Netz, der Test gescheitert.
"Solche Dinge sind normal"
Seitdem wird in einer umfangreichen Geheimoperation saniert. Die amtliche Projektskizze ("Project Charter") spricht von "lebensrettender Energieversorgung". Nach außen wird es als Routine dargestellt. "Solche Dinge sind normal und bei einem Gebäude dieser Größe zu erwarten", schreibt die Pressestelle der EZB, "Während des gesamten Prozesses gab es keine Gefährdungen für das EZB- Personal". Als die Zentrale wegen Installationen und Tests in diesem Sommer fünf Wochen komplett dichtgemacht wurde, wurde dem Personal mitgeteilt, es gehe um "Verbesserung des elektrischen Systems".
Der Hessische Rundfunk hat über europäische Transparenzregeln Zugriff auf interne Unterlagen erwirkt. Obwohl nur drei wesentliche Dokumente herausgegeben wurden - und dies mit Verzögerungen und weitgehenden Schwärzungen -, wird deutlich: Die EZB war seit Erstbezug im November 2014 gegen äußere Einflüsse und Unfälle schlecht gewappnet. Brandschutz und die Rettung bei Feuer funktionierten nicht richtig. Manche Mängel bestehen bis heute.
Zentrale europäischer Finanzströme
Die EZB-Zentrale ist nicht irgendein Hochhaus. Es war für den besonderen Bedarf und die hohen Sicherheitsanforderungen der EZB gebaut worden. Hier stehen die Rechner, über die Billionenwerte gebucht werden. Hier sitzen die Leute, die wesentliche Funktionen von Banken und Staatsfinanzen in ganz Europa steuern. Das markante Hochhaus ist gesichert wie kein zweites Gebäude in Frankfurt. Weder kann der Betrieb umziehen, noch können mal eben Handwerker durchlaufen.
Direkt betroffen von den Elektroproblemen waren das Datenzentrum, die Computeranlage und die Sicherheitssysteme, heißt es in der amtliche Projektskizze. Selbst bei einem kleinen Brand hätte es zu einem Domino-Effekt kommen können mit den Katastrophen-Szenarios "Verlust des Gebäudes" oder "Verlust des Computerzentrums".
Hunderte Mängel im TÜV-Bericht
Der TÜV-Bericht vom 3. Februar 2018 offenbarte 1.800 teils gravierende Mängel durch eine viel zu komplizierte Konstruktion. Er offenbart auch Pfusch und Nachlässigkeit. Die Notstromgeneratoren, so sie denn liefen, waren nicht gegen Überlastung geschützt und drohten beim hohen Strombedarf der EZB durchzubrennen. Doppelte Leitungen zur Entrauchungsanlage der Fluchtwege waren zusammen verlegt, so dass es keinen Schutz vor Zerstörung gab.
Bei Feuer befürchteten die Prüfer hohen Druck in Technikräumen in oberen Stockwerken. Da diese Räume nicht gesichert waren, drohten Teile der Glasfassade abgesprengt zu werden. Fliehende und Rettungskräfte wären gefährdet worden. Kabel hingen lose von der Decke, es waren falsche Kabel angeschlossen worden und richtige Kabel falsch. Blanke Kabelenden hingen herum.
Außerdem wurden Störmeldungen nicht beachtet. Genehmigungen, Pläne, Berechnungen und Bescheinigungen fehlten Dutzendweise, waren falsch - oder sie waren handschriftlich verbessert worden. In der internen Projektskizze der EZB ist dokumentiert, dass nach den Tests von Anfang 2018 Verantwortliche wegen Unfähigkeit gehen mussten.
Noch immer kritische Punkte
Die EZB teilt mit, die Sanierung sei mittlerweile praktisch abgeschlossen. Die meisten der 654 wesentlichen Mängel scheinen nachvollziehbar beseitigt zu sein.
Bei einer Nachprüfung bemerkte der TÜV Ende August 2023, die zentrale Neuerung zur Notfallsteuerung, das sogenannte "NOTS-System", funktioniere im Prinzip gut. Die Schaltschränke seien aber nicht gekühlt. Die Prüfer maßen Temperaturen von über 50 Grad und warnten vor "Ausfall der Bauteile". Auch könne es noch immer zu unkontrolliertem Eigenleben der Automatik kommen, wenn Techniker im Notfall Hand anlegen. Bei den beiden Notstromgeneratoren können Betriebsstörungen nicht getestet werden. Das könne im Fall der Fälle "zur Zerstörung des Aggregats führen", schrieb der TÜV im Februar 2018 und wortgleich erneut im August 2023. Nach wie vor fehlt den an sich funktionierenden Feuerwehraufzügen Schutz vor zu hoher elektrischer Spannung.
Die Europäische Zentralbank lobte noch 2021 die "technische Effizienz" des Gebäudes. Das "Energie- und Technik-Konzept" wurde hervorgehoben. Architekt und Elektroplaner hätten von Anfang an eng zusammengearbeitet, um Effizienz und Nachhaltigkeit zu optimieren. Nicht erwähnt wird, dass der Elektroplaner während des Projekts Pleite ging und auf halber Strecke ersetzt werden musste.
Das Büro Himmelb(l)au des Wiener Stararchitekten Wolf D. Prix wollte auf Anfragen nicht Stellung nehmen. Der technische Betreiber des Hochhauses, die Frankfurter Firma Wiesag Facility Service, erklärt, mit der Konstruktion nichts zu tun zu haben. Über Betriebsprobleme dürfe man keine Auskunft geben.