Kolumne Euroschau EZB hat geliefert - Politik ist am Zug
Der Fall der Banco Espirito Santo ist symptomatisch für die Branche in Südeuropa. Faule Kredite ziehen sich durch die Bilanzen. Das billige Geld der EZB kommt bei den Unternehmen nicht an. Doch schuld sind nicht nur die Banken.
Die Avenida da Liberdade ist die Prachtstraße Lissabons. Angelehnt an das Pariser Vorbild Champs-Elysées verbindet sie das Zentrum mit den nördlichen Stadtteilen der portugiesischen Hauptstadt. Wer etwas auf sich hält flaniert hier, um zu sehen und gesehen zu werden. Wer noch mehr auf sich hält, hat hier sein Büro. Und wer ganz viel auf sich hält, unterhält hier sogar seinen Firmensitz.
Auch Portugals größte Bank, die Banco Espirito Santo, hielt ganz viel auf sich. Sie residiert in einem modernen Gebäude an der schönen Avenida mit der Hausnummer 195. Nun ist der Ruf dahin: Das Institut mit dem frommen Namen "Heiliger Geist" raste auf die Pleite zu. Flugs verpasste es sich ein neues Antlitz. NovoBanco heißt es seit Anfang der Woche. Dies soll die fast fünf Milliarden Euro verschleiern, die von der portugiesischen Zentralbank in den maroden Laden gepumpt wurden. Nur so konnte ein Kollaps verhindert werden. Auslöser sind faule Kredite und offenbar auch illegale Geschäfte.
EZB-Mitarbeiter raufen sich die Haare
Der Fall ist symptomatisch für den Zustand der Branche in südeuropäischen Ländern. Schon jetzt raufen sich Hunderte neuer Mitarbeiter der EZB im Frankfurter Japan-Tower die Haare. Als hätte sie nicht schon genug zu tun, übernimmt die Notenbank im November auch noch die Bankenaufsicht. Was derzeit bei der Prüfung der Kreditinstitute zum Vorschein kommt, lässt viele der neuen Aufseher schaudern: Faule Kredite ziehen sich wie ein Pfuhl durch die Bilanzen.
Die Zentralbank erfindet zwar immer neue Notmaßnahmen. Bei Unternehmen und Verbrauchern kommt das Geld aber nicht an. Denn die Banken versagen. Weil ihnen das Wasser bis zum Hals steht, geben sie das billige Geld der EZB nicht weiter. Darum kommt die Wirtschaft nicht in Schwung.
Kein Vertrauen in klamme Volkswirtschaften
Tief im Inneren wissen die Währungshüter: Dies ist nur die halbe Wahrheit. Denn Unternehmen investieren auch deshalb nicht, weil sie kein Vertrauen in die Wirtschaftsentwicklung der klammen Volkswirtschaften Südeuropas haben. Warum sollte ein Unternehmer sich vom billigen Geld locken lassen, wenn er davon ausgeht, ohnehin auf seinen Waren sitzen zu bleiben?
Den Währungshütern ist klar: Sie sind mit ihrem Latein am Ende. Die EZB hat ihren Job getan, jetzt ist die Politik am Zug. Diese Botschaft kommt immer deutlicher aus dem Euro-Tower. Sparanstrengungen, Strukturreformen, bessere Wettbewerbsbedingungen - nur so kommt die Wirtschaft wieder in Fahrt. Diese Rahmenbedingungen zu schaffen ist aber Aufgabe der politisch Verantwortlichen. Billiges EZB-Geld allein hilft nicht.
Draghi fordert europäisches Aufsichtsgremium
Zentralbank-Präsident Mario Draghi geht noch weiter. Ausgerechnet im Europa-skeptischen London forderte er Mitte Juli stärkere Integration der Eurostaaten: Ein europäischen Aufsichtsgremium soll befugt sein, über nationale Grenzen hinweg einzuschreiten, wenn Regierungen sich nicht an die Spielregeln des Euroraumes halten. Die Politik müsse endlich handeln und die Zeit nutzen, die ihr die EZB verschafft hat, so Draghi.
Die Zeit drängt: Im Juli betrug die Inflationsrate im Euroraum nur noch 0,4 Prozent. Das ist weit weg vom angestrebten Ziel von knapp zwei Prozent. Eine Deflations-Spirale im Euroland wird immer wahrscheinlicher. Darunter verstehen Volkswirte Lähmung der Wirtschaft, weil die Bevölkerung auf immer weiter fallende Preise spekuliert und Ausgaben aufschiebt. Dies schadet der Wirtschaft noch mehr und kostet Arbeitsplätze. Ein Teufelskreis. Die EZB befürchtet jahrelange Stagnation im Euroraum ohne nennenswertes Wachstum und begründet damit auch die im Juni beschlossenen außerordentlichen Maßnahmen.
Revolutionäre Aussagen
Damit die Inflationsrate nicht noch weiter abrutscht, fordern die Währungshüter jetzt höhere Löhne. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zieht derzeit durch die Lande und propagiert Lohnzuwachs von drei Prozent. Diese revolutionären Aussagen eines konservativen Notenbankers zeigen den Ernst der Lage.
Die portugiesische Skandal-Bank mit dem heiligen Anschein hat hingegen erst einmal ganz andere Probleme: Sie lässt schicke neue Schilder mit dem geänderten Namen am Lissaboner Hauptsitz anschrauben. Schließlich hält man etwas auf sich, an der Avenida da Liberdade.