Studie zum Krankenstand DAK warnt vor "Misstrauenskultur in der Arbeitswelt"
Sind die Deutschen "Weltmeister der Krankmacher"? Laut einer Studie der DAK ist dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt. Der Anstieg der Krankentage habe vor allem technische Gründe. Die Krankenkasse warnt vor einer Misstrauenskultur.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren 2023 durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet. Dies geht aus Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hervor. Die Behörde weist allerdings darauf hin, dass dies nur Krankmeldungen erfasst, die eine Abwesenheitsdauer von drei Tagen überschreiten. Die Zahl der Krankheitstage dürfte also faktisch höher liegen. Im internationalen Vergleich sind dies hohe Werte - schon deshalb wird jetzt über die Gründe diskutiert.
Der Effekt der elektronischen Erfassung
Laut einer DAK-Studie ist der Krankenstand nicht auf das "Blaumachen" von Beschäftigten zurückzuführen. Grund für einen sprunghaften Anstieg der Fehltage seien vor allem ein neues elektronisches Meldeverfahren und Erkältungswellen. Durch das neue Meldeverfahren gehen Arztatteste zur Arbeitsunfähigkeit automatisch bei den Krankenkassen ein.
Bei den Fehltagen gab es laut der Studie erstmals von 2021 auf 2022 einen sprunghaften Anstieg um fast 40 Prozent. Die Anzahl durchschnittlicher Fehltage pro Kopf und Jahr stieg damit von etwa 15 Tagen in früheren Jahren auf rund 20 Tage an und verharrt seitdem auf diesem Niveau. Für die Studie ließ die DAK die Daten von 2,4 Millionen erwerbstätigen Versicherten der Krankenkasse aus den Jahren 2019 bis einschließlich 2023 auswerten. Zudem wurden mehr als 7.000 Erwerbstätige befragt.
Ein Drittel der zusätzlichen Fehltage ergebe sich seit 2022 zudem durch verstärkte Erkältungswellen und Corona-Infektionen. Für einen systematischen Missbrauch der telefonischen Krankschreibung, die mit als Grund für den Rekordkrankenstand diskutiert wurde, sieht die Studie keinerlei Anzeichen. DAK-Vorstandschef Andreas Storm forderte eine offene Debatte über die tatsächlichen Ursachen des Krankenstands und warnte vor einer "Misstrauenskultur in der Arbeitswelt".
Ärztepräsident sieht keine Beweise für Simulanten
Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt betonte, dass es nach seiner Einschätzung "nicht in großem Stil" vorkomme, dass Menschen nur krank spielten. Auch er führt den deutlichen Anstieg der Krankentage in den vergangenen Jahren vor allem auf die Einführung der elektronischen Krankschreibung zurück. Sie ersetzt den "gelben Schein" vom Arzt.
Zuvor hätten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Krankschreibung nicht an die Krankenkasse geschickt, sondern nur den Arbeitgeber informiert.
Allianz-Chef fordert Karenztag
Die aktuelle Debatte über den Krankenstand in Deutschland hatte eine Äußerung der Vorstandschef des Allianz-Konzerns, Oliver Bäte, mitausgelöst. Er schlug vor, den sogenannten Karenztag bei Krankmeldungen wieder einzuführen. Damit würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen. Deutschland sei mittlerweile "Weltmeister bei den Krankmeldungen", kritisierte er.
Daraufhin warnte unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund vor den Folgekosten und Ansteckungs- und Unfallgefahren durch immer zahlreichere Fälle von krank bei der Arbeit erscheinenden Personen. Die IG Metall bezeichnete es als unverschämt und fatal, den Beschäftigten Krankmacherei zu unterstellen. "Wer Karenztage aus der Mottenkiste holt, greift die soziale Sicherheit an und fördert verschleppte Krankheiten", sagte Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban.
Boni statt Bestrafung?
In einem Positionspapier der FDP-Bundestagsfraktion wird eine Alternative skizziert. Darin wird vorgeschlagen, dass Arbeitgeber für jeden Kalendermonat ohne Krankmeldung steuer- und abgabenfrei und zusätzlich zum Grundgehalt einen Bonus gewähren könnten. Insgesamt könne ein maximaler Freibetrag für derartige Boni beispielsweise bei 3.000 Euro pro Kalenderjahr liegen, heißt es in dem Papier, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. So könne eine "de-facto Bestrafung" durch positive Anreize für Nicht-Krankmeldungen ersetzt werden. Fraglich ist, ob Arbeitnehmer dadurch nicht ebenfalls animiert fühlen könnten, gesundheitlich angeschlagen zur Arbeit zu gehen.