EU-Wettbewerbsrecht "Fusionsregeln sind keine Bibel"
Wirtschaftsminister Altmaier hat eine Mission: die Verschärfung des EU-Wettbewerbsrechts. Er will EU-Kommissarin Vestager davon überzeugen, dass die Konkurrenz aus China und den USA sonst zu stark wird.
Brüssel und die EU-Kommission verbindet sie: Margrete Vestager, die EU-Wettbewerbskommissarin, und Peter Altmaier. Er ist nicht nur deutscher Wirtschaftsminister, sondern auch EU-Kommissionsbeamter, wenn auch seit 1994 beurlaubt.
Vestager und Altmaier mögen sich. Sie sind aber in Fragen der Interpretation des Wettbewerbsrechts und der Fusionskontrolle häufig nicht einer Meinung.
Scharfe Kritik an Fusionsverboten
Die Pläne des deutschen Siemens- und des französischen Alstom-Konzerns, gemeinsam zum "Airbus der Schiene" zu werden, hat Wettbewerbskommissarin Vestager ebenso durchkreuzt wie die Fusion des ThyssenKrupp-Konzerns mit dem indischen Stahlproduzenten Tata. Bei beiden Entscheidungen habe sie sich strikt an das Wettbewerbsrecht gehalten, verteidigte Vestager ihre Entscheidung.
Doch beide Fusionsverbote lösten bei Wirtschaftsminister Altmaier und seinem französischen Finanzministerkollegen Bruno Le Maire Kopfschütteln aus. Bei einer Podiumsdiskussion der Brüsseler Denkfabrik "European Policy Center" machte Altmaier bereits im Frühjahr aus seinem Missfallen an den Verboten durch Verstager keinen Hehl.
Altmaier pocht auf sein Konzept
Auf offener EU-Bühne erklärte Altmaier der dänischen Pfarrerstochter Vestager, Fusionsregeln seien keine Bibel, sondern durchaus reformierbar. Bei deren Interpretation müsse man zudem die chinesische Herausforderung im Hinterkopf haben - und die amerikanische:
Die ganzen großen Unternehmen der letzten Jahre sind entstanden in den USA oder in China.
Da Vestager auch in der künftigen Von-der-Leyen-Kommission unter anderem für die Bereiche Wettbewerb und Fusionskontrolle zuständig ist, versucht Altmaier ihr sein Industriekonzept der EU-Champions nahe zu bringen. Diese hätten gegen die Herausforderung durch China und die USA nur eine Chance, wenn das EU-Wettbewerbsrecht verschärft werde.
Bleibt auch in der künftigen EU-Kommission für die Bereiche Wettbewerb und Fusionskontrolle zuständig: Margrete Vestager.
Radikalität des Wandels unterschätzt?
Vestager unterschätzt aus Altmaiers Sicht die Geschwindigkeit und Radikalität des Wandels, dem sich Unternehmen ausgesetzt sehen. "Von den laut Börsenwert 100 größten Unternehmen der Welt kommt ein deutsches Unternehmen erst auf Platz 60", betont Altmaier immer wieder bei seinen Auftritten. Aus EU-Perspektive sehe es nicht viel besser aus: "Von den europäischen jedenfalls nicht vor Platz zehn."
Sogar unter den 15 wertvollsten Unternehmen der Welt - gemessen an der Marktkapitalisierung - ist in diesem Jahr kein einziges europäisches zu finden. Erst auf Platz 16 findet sich Europas Spitzenreiter, die Firma Nestlé.
Chinesen bauen EU-bezuschusstes Brückenprojekt
Während die EU-Kommission einerseits Fusionen wie Siemens-Alstom und ThyssenKrupp mit Tata Steel verhindert, muss sie gleichzeitig tatenlos zusehen, wie vom Staat subventionierte chinesische Unternehmen EU- Ausschreibungsverfahren gewinnen.
Das größte Bücken-Bauprojekt der EU wird vom chinesischen Staatsunternehmen "China Road and Bridge Corporation" realisiert. Der österreichische Strabag-Konzern konnte preislich nicht mithalten. Auf rund 420 Millionen Euro beläuft sich das Brückenprojekt in Kroatien. 85 Prozent der Summe stammen aus EU-Fonds.
EU-Wettbewerbsrecht greift nicht
Altmaiers Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der EU ist also berechtigt. Eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts - wie von Altmaier in seinem Brief an Vestager gefordert - reicht allerdings nicht aus.
Denn das EU-Wettbewerbsrecht greift nicht für chinesische Wettbewerber. Nur durch eine Änderung der EU-Ausschreibungsregeln kann verhindert werden, dass der EU-Steuerzahler zahlt und China in der EU baut.