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Der Meeresspiegel steigt schneller, als noch vor wenigen Jahren vorhergesagt
Seit 1870 ist der Meeresspiegel bereits um über 25 cm angestiegen, wie durch Gezeitenhöhen-Messungen und seit 1993 auch durch Satelliten-Messungen belegt ist. Zwischen 1901 und 1971 ist der Meeresspiegel um durchschnittlich 1,3 mm pro Jahr angestiegen, seit 1993 um durchschnittlich 3,4 mm pro Jahr. Im Jahre 1990 ging man noch von einem künftigen Anstieg um lediglich 1,9 mm pro Jahr aus.
Wie stark der Meeresspiegel innerhalb eines Jahrhunderts ansteigen kann zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Zu Beginn der neuzeitlichen Erwärmung vor etwa 9 Tausend Jahren erhöhte sich der Meeresspiegel um etwa 1,3 Meter pro Jahrhundert, insgesamt um 6,6 Meter. Auch für die Eem-Warmzeit vor rund 120 Tausend Jahren haben neuere Untersuchungen eine Rate von 1,6 Metern pro Jahrhundert ermittelt. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass bei einem weiteren ungebremsten Klimawandel der Meeresspiegel durchaus deutlich stärker ansteigen könnte als bisher vermutet.
Aus zwei Gründen ist der Meeresspiegelanstieg eine direkte Folge der globalen Erwärmung: einerseits dehnt sich das Ozeanwasser durch seine Erwärmung aus, andererseits gelangt zusätzliches Wasser durch Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden in die Weltmeere. Die thermische Ausdehnung des Wassers trägt etwa 50 Prozent zum Meeresspiegelanstieg bei, schmelzende Gletscher ungefähr 22 Prozent, Abschmelzen von Eisschilden 20 Prozent und Änderungen der Wasserspeicherung an Land 8 Prozent.
Die weitere Entwicklung unterliegt beträchtlichen Unsicherheiten. Die wesentliche Ursache dieser Unsicherheiten resultiert aus dem dynamischen und schwer berechenbaren Verhalten der großen Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis. Der Beitrag abschmelzender Eisschilde zum Meeresspiegelanstieg hat sich zwischen den Vergleichszeiträumen 1992 bis 1999 und 2010 bis 2019 vervierfacht. Aktuell sind das pro Jahr etwa 400 Milliarden Tonnen Eis, also etwa 50 Tonnen pro Kopf der Weltbevölkerung.
Somit steht zu befürchten, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 deutlich stärker ansteigen wird, als die noch in 2007 abgeschätzten 18 bis 59 cm, da die damals zu Grunde gelegten Computermodelle das dynamische Verhalten des Inlandeises noch nicht berücksichtigt hatten. Jüngere Studien gelangen zu dem Schluss, dass der Anstieg bis zum Ende dieses Jahrhunderts wahrscheinlich doppelt so stark ausfallen wird. Der IPCC hat mittlerweile seine Schätzungen angepasst: Der Anstieg bis 2100 liegt je nach betrachtetem Emissionsszenario zwischen 28 und 101 cm gegenüber dem Niveau aus den Jahren 1995 bis 2014. Andere Studien halten sogar einen Anstieg bis 2100 um bis zu 2 Meter für möglich.
Aufgrund der großen Trägheit der Weltmeere und Eisgebiete wird der Meeresspiegelanstieg noch viele Jahrhunderte andauern, auch nachdem sich das weltweite Temperaturniveau wieder stabilisiert hat. Ein ungebremster Klimawandel könnte den Meeresspiegel in den kommenden Jahrhunderten um mehrere Meter ansteigen lassen. Hierbei bestehen große Unsicherheiten aufgrund von noch nicht hinreichend verstandenen Prozessen der Eisdynamik der antarktischen Eisschilde. Hier kann es zu Instabilitäten kommen, von denen noch nicht bekannt ist, bei welcher Erwärmung sie mit welcher Geschwindigkeit einsetzten. Dadurch kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei weiteren ungebremsten Treibhausgasemissionen der Meeresspiegel bis 2300 bis über 15 Meter ansteigen wird. Dann würden viele Großstädte in Küstennähe und ganze Inselstaaten verloren gehen.