Der Internationale Gerichtshof in Den Haag.
liveblog

Nahost-Krieg + Südafrika stellt Eilantrag gegen Israel bei UN-Gericht +

Stand: 10.05.2024 23:22 Uhr

Wegen der israelischen Offensive in Rafah hat Südafrika erneut Sofortmaßnahmen gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof beantragt. Deutschland betont das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung. Die Entwicklungen im Liveblog.

10.05.2024 • 23:22 Uhr

Ende des Liveblogs

Für heute beenden wir den Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse!

Der Weltsicherheitsrat in New York verlangt Aufklärung zu im Gazastreifen entdeckten Massengräbern. "Die Mitglieder des Sicherheitsrats betonten die Notwendigkeit einer Rechenschaftspflicht für Verstöße gegen das Völkerrecht und forderten, dass den Ermittlern ungehinderter Zugang zu allen Orten von Massengräbern in Gaza gewährt werden muss", teilten die Vereinten Nationen mit.

Das mächtigste UN-Gremium sei über die Funde seit Ende April tief besorgt. Nahe dem Nasser-Krankenhaus in Chan Junis und dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt waren in den vergangenen Wochen Gräber mit mehreren hundert Leichen gefunden worden. 

Angesichts der Zuspitzung im Gazastreifen hat Südafrika beim Internationalen Gerichtshof weitere Maßnahmen gegen Israel gefordert. Die humanitären Folgen des Angriffs auf Rafah bedeuteten nicht nur eine Eskalation der bisherigen Situation, sondern schüfen eine neue Sachlage, heißt es in einem Eilantrag an das oberste UN-Gericht in Den Haag.

Zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung vor "genozidaler Vernichtung" solle der Gerichtshof eine neue Anordnung erlassen. Konkret verlangte Südafrika einen militärischen Rückzug Israels aus Rafah und wirksame Maßnahmen für einen ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe durch die Vereinten Nationen, andere Organisationen sowie für Ermittler und Medien. Mit Blick auf die "extreme Dringlichkeit" solle die vorläufige Maßnahme ohne weitere Anhörung der Konfliktparteien bis spätestens 17. Mai ausgesprochen werden.

Angesichts der Angriffe auf Rafah hat die militant-islamistische Hamas mögliche Auswirkungen auf die indirekten Gespräche über eine Waffenruhe ins Spiel gebracht. Die israelische Regierung nutze die Verhandlungen, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln, als "Feigenblatt, um Rafah und die Grenzübergänge anzugreifen und um ihren Auslöschungskrieg gegen unser Volk fortzusetzen", hieß es in einer Erklärung, die die palästinensische Organisation veröffentlichte.

Die israelische Seite trage nun die "volle Verantwortung", falls die Gespräche scheitern sollten, so die Terrormiliz. Die Führung der Hamas werde sich mit ihren palästinensischen Verbündeten beraten, "um unsere Verhandlungsstrategie zu überdenken". 

Bei einem Raketenangriff der Hamas ist in der südisraelischen Stadt Be’er Scheva eine Frau leicht verletzt worden. Der israelische Rettungsdienst David Adom teilte mit, die 37-Jährige sei am Freitag auf einem Spielplatz der Stadt von Schrapnell getroffen worden. Der bewaffnete Flügel der militant-islamistischen Hamas reklamierte den Angriff für sich

Die militant-islamistische Hamas wirft Israel vor, durch Änderungen an einem Entwurf für einen Friedensplan die Bemühungen um ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen auf den Ausgangspunkt zurückgeworfen zu haben. Die palästinensische Organisation kündigte an, mit verschiedenen palästinensischen Fraktionen die Strategie bei den Friedensverhandlungen zu überprüfen.

Nach seiner Enthaltung bei der UN-Abstimmung zur Empfehlung einer palästinensischen Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen hat Deutschland das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung in Nahost betont. "Wenn die sofortige Vollmitgliedschaft all das Leid, das wir erleben, beenden würde, hätten wir heute aus vollem Herzen mit Ja gestimmt", sagte der stellvertretende deutsche Botschafter Thomas Zahneisen vor der UN-Vollversammlung in New York. Jedoch könnten lediglich direkte Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zu einem nachhaltigen Frieden führen.

Die Empfehlung der UN-Vollversammlung für eine Vollmitgliedschaft der Palästinenser bei den Vereinten Nationen spricht nach Angaben von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas für eine erneute Abstimmung im Sicherheitsrat. "Palästina wird an seinem Vorhaben festhalten, eine Vollmitgliedschaft in der UN zu erlangen", sagte er.

Hilfsorganisationen warnen, Lebensmittel und andere Waren gingen im Gazastreifen zur Neige, weil keine Lieferungen über die Grenzübergänge bei Rafah mehr möglich seien. Dem Welternährungsprogramm würden bis Samstag die Lebensmittel für die Verteilung im südlichen Gazastreifen ausgehen, sagte ein Vertreter des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in Rafah, Georgios Petropoulos.

Andere Organisationen teilten mit, dass auch der Treibstoff bald zur Neige gehen werde, so dass Krankenhäuser ihre Notversorgung einstellen müssten. Auch Lastwagen, die Hilfsgüter in den südlichen und zentralen Gazastreifen lieferten, könnte nicht mehr fahren.

Bei einem Einsatz in der Stadt Gaza sind nach Angaben der israelischen Armee vier Soldaten getötet worden. Die israelischen Soldaten seien "durch einen Sprengsatz in der Nähe einer Schule in der Gegend von Seitun" getötet worden, teilte das Militär unter Verweis auf ein Viertel im Süden der Stadt mit. Zwei weitere Soldaten, darunter ein Offizier, seien bei dem Vorfall "schwer verletzt" worden. Augenzeugen hatten zuvor von Luftangriffen und Gefechten in der Stadt Gaza berichtet. 

Der israelische Außenminister hat die Empfehlung der UN-Vollversammlung für eine Vollmitgliedschaft der Palästinenser bei den Vereinten Nationen verurteilt. Dies sei eine "Auszeichnung für die Hamas", teilte das Büro von Israel Katz mit. "Die absurde Entscheidung, die heute in der Generalversammlung der UN getroffen wurde, unterstreicht die strukturelle Voreingenommenheit der UN und die Gründe, warum sie sich unter der Führung von Generalsekretär Guterres in eine irrelevante Institution verwandelt hat."

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen stärkt die Rolle der Palästinenser innerhalb des größten UN-Gremiums deutlich. Eine mit überwältigender Mehrheit angenommene Resolution in New York räumt dem Beobachterstaat Palästina eine deutlich erweiterte Teilnahme an den Sitzungen der Vollversammlung ein, gibt ihm aber kein reguläres Stimmrecht. Zudem forderte das Gremium mit 193 Mitgliedsstaaten vom ausschlaggebenden Weltsicherheitsrat die "wohlwollende" Prüfung einer Vollmitgliedschaft Palästinas. 

Für die Resolution stimmten 143 Länder, neun Staaten votierten dagegen. 25 Länder enthielten sich, darunter auch Deutschland. Israels engster Verbündeter, die USA, lehnten den Antrag ab. Die Vollversammlung stellte mit dessen Annahme fest, dass der "Staat Palästina (...) zur Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen zugelassen werden sollte" - der Sicherheitsrat solle diese "noch einmal wohlwollend prüfen".

Die US-Polizei hat ein propalästinensisches Protestlager auf dem Campus der renommierten Universität Massachusetts Institute of Technology (MIT) geräumt. Bei dem Einsatz in den frühen Morgenstunden an der Hochschule seien mindestens zehn Menschen festgenommen worden, wie Universitätspräsidentin Sally Kornbluth mitteilte. Sie erklärte, nach mehreren vergeblichen Aufrufen an die Demonstranten zur freiwilligen Räumung habe sie die Polizei rufen müssen. Rund um das Camp habe sich der Konflikt zudem zwischen den Kritiker und Unterstützern Israels zugespitzt. Die polizeiliche Räumung des Lagers sei ihr "letztes Mittel" zur Bewältigung der Lage gewesen.

Schilder und Fahnen sind vor einer Gruppe von Zelten aufgestellt.

Vor der Räumung hatten die Demonstrierenden vor dem Protestlager Schilder und Fahnen aufgestellt.

Bei einem israelischen Drohnenangriff sind im Südlibanon laut Medienberichten zwei Menschen getötet worden. Bei den Opfern handelte es sich um einen Sanitäter und den Mitarbeiter eines Telekommunikationsunternehmens, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete. Ziel des Angriffs war demnach das Dorf Teir Harafa, etwa drei Kilometer von der israelischen Grenze entfernt.

Bei einem ähnlichen Angriff auf ein Auto in der Region waren am Donnerstag vier Mitglieder der militanten Hisbollah-Miliz getötet worden.

Deutschland fordert Israel dazu auf, UN-Personal besser zu schützen. Man verurteile die Eskalation der gewaltsamen Proteste gegen UNRWA in Ost-Jerusalem, so das Auswärtige Amt im Onlinedienst X. "Israel muss den Schutz der UN-Einrichtungen und des UN-Personals in den besetzten palästinensischen Gebieten gewährleisten." Die Vereinten Nationen müssten in der Lage sein, ihr wichtiges Mandat im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem zu erfüllen, so das Auswärtige Amt weiter.

Das Hauptquartier des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in Ostjerusalem wurde nach bewaffneten Angriffen geschlossen.

10.05.2024 • 13:13 Uhr

Gefechte in Rafah und Stadt Gaza

Israelische Soldaten haben sich in der im Süden des Gazastreifens gelegenen Stadt Rafah Gefechte mit militanten Extremisten geliefert. Kämpfe tobten auch im Gebiet Seitsun am Rand der Stadt Gaza im Norden des Küstengebiets. Der nördliche Gazastreifen war das erste Ziel der israelischen Bodenoffensive. Das Militär hatte Ende vergangenen Jahres erklärt, die militant-islamistische Hamas dort in die Knie gezwungen zu haben. In einer Mitteilung am Freitag hieß es, das Militär habe im Osten von Rafah, nahe der Grenze mit Ägypten, mehrere Tunnel entdeckt und Extremisten im Nahkampf sowie mit einem Luftangriff ausgeschaltet.

Der militärische Flügel der Hamas teilte mit, er habe im Rahmen einer komplexen Attacke ein Haus getroffen, in dem israelische Soldaten Stellung bezogen hatten, außerdem einen gepanzerten Truppentransporter und Soldaten, die zu Fuß unterwegs gewesen seien. Vom israelischen Militär lag dazu zunächst keine Stellungnahme vor. Es war nicht möglich, die Berichte beider Seiten unabhängig zu bestätigen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die israelische Armee hat für die Möglichkeit eines größeren Kriegs mit dem nördlichen Nachbarland Libanon trainiert. Das Militär teilte mit, im Verlauf der Woche hätten Reservisten einer Brigade verschiedene Übungen abgehalten, "um die Bereitschaft an der nördlichen Grenze zu verbessern". Ziel seien Einsatzbereitschaft und Vorbereitung "auf verschiedene Kampfszenarien". 

Das in Galiläa im Norden des Landes abgehaltene Training habe Kampfsituationen im Libanon simuliert. Infanterie sowie gepanzerte Truppen hätten gemeinsam mit Soldaten von Logistik- und Kommunikationseinheiten die Zusammenarbeit in unwegsamem Gelände trainiert. Andere Truppen hätten außerdem auch mit der Luftwaffe dafür geübt, "Bodentruppen in feindlichem Gebiet rasch aus der Luft zu versorgen". 

Alle in Israel eingesetzten Mitarbeiter des katarischen Nachrichtensenders Al Jazeera haben das Land verlassen. Die Mitarbeiter seien alle nach Ramallah im Westjordanland umgezogen, um die Berichterstattung von dort fortzusetzen, teilte der Sender der Nachrichtenagentur AP mit. Israel hatte jüngst die Schließung aller Büros des Senders in dem Land angeordnet und die Vor-Ort-Berichterstattung von Al Jazeera gestoppt. Am Donnerstag durchsuchte die israelische Polizei ein Büro des Senders in Nazareth und warf ihm vor, von dort live gesendet zu haben. Wer solche Kommentare abgebe, verstehe die modernen Technologien nicht, die es Nutzern ermöglichten, ein einfaches Mobiltelefon zu nutzen, um online Videos zu teilen oder zu veröffentlichen, erklärte der Sender, dessen Zentrale im katarischen Doha liegt.

Die Versorgung der Menschen im Gazastreifen mit Nahrungsmitteln und Treibstoff könnte binnen Tagen zum Erliegen kommen. Grund sei, dass wichtige Grenzübergänge nach wie vor geschlossen seien, sagt Hamish Young, der für das UN-Kinderhilfswerk Unicef für den Gazastreifen zuständig ist, in London. Krankenhäuser seien bereits zur Schließung genötigt, auch die Unterernährung nehme zu. Seit fünf Tagen sei nichts mehr bei den Menschen angekommen. "Wir kratzen schon alles vom Boden der Fässer auf", sagt Young.

Das Massaker der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel stellt eine tiefe Zäsur in der Geschichte der Nahost-Region dar. Das schlimmste Blutbad an Juden seit dem Holocaust - mit etwa 1.200 Toten - und der darauffolgende verheerende Gaza-Krieg hat auch zu einem weltweiten Anstieg von Antisemitismus geführt. Der israelische Künstler und Fotojournalist Erez Kaganovitz will mit der Ausstellung "Humans of October 7th" (Menschen des 7. Oktober) Geschichten von Menschen erzählen, die den verhängnisvollen Tag am eigenen Leib miterlebt haben. 

Die Ausstellung wurde am Freitag im Foyer der deutschen Botschaft in Tel Aviv eröffnet. In 20 Bildern stellt Kaganovitz 16 Schicksale vor und Geschichten hinter dem 7. Oktober. Dazu gehören etwa Menschen, die gegen die Terroristen kämpften oder als Holocaust-Überlebende diesen Angriff miterleben mussten. 

Israel verhindert nach Worten des UN-Untergeneralsekretärs für humanitäre Angelegenheiten, Martin Griffiths, dringend benötigte humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen. "Seit drei aufeinanderfolgenden Tagen darf nichts und niemand mehr in den Gazastreifen hinein oder heraus", schrieb er am Donnerstagabend auf der Plattform X. Die Zivilbevölkerung in Gaza werde "ausgehungert und getötet". Aufgrund der Schließung der Grenzübergänge komme kein Treibstoff in den Gazastreifen. Entsprechend gebe es keine Stromversorgung, kein Wasser, keinen Personen- oder Warenverkehr.

Ähnlich äußerte sich am Donnerstagabend der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Der Warenübergang Kerem Schalom sei zwar technisch offen, es gelangten aber keine Hilfsgüter nach Gaza, sagte er laut Medienberichten. Die USA fordern die Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah nach Ägypten für die Lieferung von Treibstoff und anderen humanitären Hilfsgütern.

Die palästinensische Terrororganisation Hamas hat erneut den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom angegriffen. Der militärische Arm der Gruppe, die Kassam-Brigaden, übernahmen dafür die Verantwortung. Es ist der vierte Angriff der Hamas auf Kerem Schalom seit Sonntag. Diesmal wurden Mörsergranaten abgefeuert.

Die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat teilte mit: "Die Hamas hat gerade auf Kerem Schalom geschossen, den wichtigsten Übergang für humanitäre Hilfe nach Gaza." Cogat warf der Hamas vor, sie tue "alles, um zu verhindern, dass Hilfslieferungen zu den Menschen in Gaza gelangen".

Bewaffnete Israelis haben am Donnerstagabend das Hauptquartier des UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in Ostjerusalem angegriffen. Dabei wurde das Gelände in Brand gesetzt, erklärte UNRWA-Generalsekretär Philippe Lazzarini. Das Büro werde vorerst geschlossen, bis die Sicherheit wiederhergestellt sei.

Bei dem Übergriff seien keine Mitarbeitenden verletzt worden, es habe aber erheblichen Schaden gegeben. Es handelt sich laut Lazzarini um den zweiten gewalttätigen Protest innerhalb einer Woche, nachdem bei einer Demonstration Steine auf Mitarbeiter geworfen worden seien. Lazzarini beklagte "seit Monaten anhaltende Schikanen und Einschüchterungen gegen UNRWA-Angehörige". Kritik übte er auch an der israelischen Polizei und Feuerwehr. Diese seien so spät eingetroffen, dass anwesende Mitarbeiter das Feuer selbst löschen mussten.

Im Januar war UNRWA in die Schlagzeilen geraten, weil zwölf Mitarbeiter in die verheerenden Terrorakte der Hamas vom 7. Oktober verwickelt gewesen sein sollen. Ein Untersuchungsbericht unabhängiger Experten kam kürzlich zum Schluss, das Hilfswerk habe eine Reihe "robuster Mechanismen" etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu gewährleisten. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf.

Am Donnerstag hatte US-Präsident Joe Biden Israel gedroht, keine Waffen mehr zu liefern, falls die israelische Armee eine Großoffensive auf Rafah im Gazastreifen starten sollte. Dafür sieht ARD-Reporter Marcel Müller sowohl innen- als auch außenpolitische Motive: Mit Blick auf die nahende Präsidentenwahl wolle Biden die arabischstämmige Bevölkerung in den USA nicht verlieren. Zudem gelte es, die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu den Ländern im Nahen Osten nicht zu gefährden.

"Er will arabischstämmige Bevölkerung in Michigan nicht verlieren", Marcel Müller, ARD Washington, zu Bidens Konfrontation mit Israel

tagesschau24, 10.05.2024 09:00 Uhr

Etwa 110.000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit dem Vorrücken der israelischen Armee in Rafah aus der Küstenstadt geflohen. Sie seien auf der Suche nach Sicherheit, teilte das UN-Hilfswerk für Palästinenser UNRWA mit. Die Lebensbedingungen seien grausam. Die einzige Hoffnung sei eine sofortige Waffenruhe.

Das israelische Militär hatte am Montag Einwohner des östlichen Teils von Rafah dazu aufgerufen, das Gebiet zu verlassen. In Rafah sollen sich insgesamt mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aufhalten.

Israels westliche Partner, allen voran die USA, haben die israelische Regierung wegen der erwarteten dramatischen humanitären Folgen eindringlich vor einem groß angelegten Militäreinsatz in Rafah gewarnt. Israel will die islamistische Hamas nach den Massakern in Israel am 7. Oktober vollständig zerstören, deren Anführer es in Tunneln unter Rafah vermutet, wo vermutlich auch israelische Geiseln festgehalten werden.

Karte des Gazastreifen, graue Flächen: bebaute Flächen im Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Karte des Gazastreifen, graue Flächen: bebaute Flächen im Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Der Studierendenverband fzs hat sich für die Auflösung propalästinensischer Protestcamps an deutschen Hochschulen ausgesprochen, zugleich aber vor einer Eskalation durch Polizeigewalt gewarnt. "Auch wenn wir die Auflösung dieser stark radikalisierten und antisemitischen Camps für gerechtfertigt und notwendig halten: Ein unrechtmäßig brutales Vorgehen der Polizei ist nie zu entschuldigen", erklärte Sascha Wellmann, Vorstandsmitglied der Organisation "freier zusammenschluss von student*innenschaften" (fzs).

"Propalästinensische Forderungen werden immer wieder durch propagandistische Falschinformationen ergänzt. Es herrscht eine aktiv antiisraelische Haltung vor, welche flächendeckend eine antisemitische Rhetorik aufweist", sagte Debora Eller, fzs-Referentin für Antifaschismus, Antirassismus und Emanzipation. So werde das Leid der Bevölkerung im Gazastreifen bei den Uniprotesten auch für antisemitische Hetze instrumentalisiert.

In den vergangenen Tagen gab es an einigen deutschen Hochschulen Proteste gegen das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen, zum Beispiel in Berlin, Leipzig und Bremen. An der Freien Universität (FU) Berlin war ein propalästinensisches Protestcamp am Dienstag kurzfristig geräumt worden.

In den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln hat das Vermittlerland Ägypten die palästinensische Terrororganisation Hamas und Israel aufgefordert, "Flexibilität" zu zeigen. Der ägyptische Außenminister Samih Schukri sagte nach Angaben seines Ministeriums in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Antony Blinken, es sei wichtig, die Parteien zu ermahnen, "Flexibilität zu zeigen".

Außerdem müssten sie "alle notwendigen Anstrengungen unternehmen", um eine Vereinbarung über eine Waffenruhe zu erreichen und damit die humanitäre Tragödie im Gazastreifen zu beenden.

In den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen macht die Terrororganisation Hamas Israel für ein Voranschreiten verantwortlich. Israel habe einen Vorschlag abgelehnt, den die Vermittler gemacht und den die Hamas akzeptiert habe, erklärte die islamistische Gruppe. Daher "liegt der Ball nun vollständig" bei Israel. Die Hamas teilte weiter mit, ihre Delegation habe den Verhandlungsort Kairo in Richtung Katar verlassen.

Zuvor hatte der den ägyptischen Behörden nahestehende Sender Al-Kahera News unter Berufung auf eine "hochrangige Quelle" berichtet, dass die Delegationen der Hamas und Israels nach zweitägigen Gesprächen wieder abgereist seien. Die Bemühungen der internationalen Vermittler sollten dessen ungeachtet weitergehen. Die Verhandlungen in Kairo laufen bereits einige Wochen. Sie werden indirekt über die Vermittler geführt.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hofft, dass er und US-Präsident Joe Biden ihre Meinungsverschiedenheiten über den Krieg im Gazastreifen überwinden können. "Wir hatten oft unsere Vereinbarungen, aber wir hatten auch unsere Meinungsverschiedenheiten. Wir waren in der Lage, sie zu überwinden. Ich hoffe, wir können sie auch jetzt überwinden, aber wir werden tun, was wir tun müssen, um unser Land zu schützen", sagte Netanyahu in einem Interview in der Sendung "Dr. Phil Primetime".

Wenn Israel mit einer großen Militäroffensive in Rafah voranschreite, würden die USA Israel bestimmte Waffen zur Unterstützung einer solchen Operation nicht liefern, erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Er bekräftigte damit eine entsprechende Drohung von US-Präsident Joe Biden in einem Interview mit CNN.

Israel müsse eine Entscheidung darüber treffen, ob es seine Operationen in Rafah ausweiten werde. Und damit die Entscheidung von Präsident Biden auszulösen, zusätzliche Waffenlieferungen zurückzuhalten, sagte Kirby.

Der Präsident sei der Meinung, dass mit einem Einmarsch in Rafah das Ziel, die Hamas zu besiegen, nicht erreicht werde. Israel habe die militärische Führung der Hamas bereits "effektiv eliminiert". Es gebe nun bessere Möglichkeiten als eine Operation mit erheblichem Risiko für die Zivilbevölkerung, so Kirby. Die USA seien außerdem der Ansicht, dass jede größere Bodenoperation die Hamas am Verhandlungstisch stärken werde - und nicht Israel.

Mit Informationen von Nina Barth, ARD-Studio Washington

Nina Barth, ARD Washington, tagesschau, 10.05.2024 05:15 Uhr

Nach wiederholten Drohnenangriffen auf den Norden Israels hat das israelische Militär erneut Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz im Süden des Libanons attackiert. Wie die israelische Armee in der Nacht mitteilte, griffen Kampfflugzeuge dort militärische Gebäude und "terroristische Infrastruktur" an. Die Angaben der Armee können nicht unabhängig überprüft werden.

Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen zwischen der Terrororganisation Hamas und dem israelischen Militär kommt es an Israels Grenze zum Libanon täglich zu militärischen Konfrontationen mit der Hisbollah und anderen Gruppierungen.

10.05.2024 • 03:08 Uhr

Israel steht im ESC-Finale

In Malmö hat sich Israel trotz Gegenwind im Eurovision Song Contest Halbfinale durchgesetzt, während vor der Tür demonstriert wurde. Tausende forderten den Ausschluss Israels. Vor dem zweiten ESC-Halbfinale hatten mehr als 10.000 Menschen friedlich gegen die Teilnahme Israels protestiert. Sie forderten den Ausschluss Israels von dem Musikwettbewerb.

Das Publikum wählte Sängerin Eden Golan ins Finale. Bereits bei den Proben wurde die Künstlerin mit Buhrufen, aber auch mit Applaus begrüßt. Bei der Verkündung des Ergebnisses ertönten mitunter Pfiffe. Bei der Show selbst hingegen überwog massiv der Jubel. Bei einer gefühlvollen Ballade tanzte Golan in einem weißen Kleid, das optisch an Bandagen erinnerte. Die Teilnahme Israels ist seit Monaten stark umstritten.

Wie ein hochrangiger israelischer Regierungsmitarbeiter mitgeteilt hat, ist die letzte Verhandlungsrunde in Kairo zum Thema Waffenruhe im Gazastreifen am Donnerstagabend beendet worden. Israel werde seine Operation in Rafah und anderen Teilen des Gazastreifens wie geplant fortsetzen, erklärte er. Sein Land habe den Vermittlern seine Vorbehalte gegenüber dem Vorschlag der Hamas zur Freilassung von Geiseln mitgeteilt.

Israels Premier Netanyahu hat nach der Kritik aus den USA angekündigt, notfalls alleine kämpfen zu wollen. Die Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel stecken offenbar fest. Die Entwicklungen vom Donnerstag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Mai 2024 um 07:00 Uhr.