Experiment mit dezentraler Plattform tagesschau startet auf Mastodon
Die tagesschau betritt digitales Neuland: Mit einem Account auf dem Microblogging-Dienst Mastodon sollen erstmals auf einer unabhängigen Plattform neue Erkenntnisse gesammelt werden.
Die Social-Media-Redaktion der tagesschau geht mit dem Launch auf den Mikroblogging-Dienst Mastodon (tagesschau@ard.social) erste Schritte in eine Digitalwelt jenseits kommerzieller Plattformen. Dabei sollen Erfahrungen für die ganze ARD und ihre Ausspielwege gesammelt werden. Diese sollen auch in die Weiterentwicklung eigener ARD-Digitalplattformen einfließen.
Mastodon bietet den Nutzern viel Bekanntes: Kurznachrichten, Hashtags, Likes und Follower sowie private Nachrichten. Auf Mastodon wird "getrötet" - und nicht "getweetet" - wie bei Twitter. Statt mit Herzchen wird auf Mastodon mit Sternchen auf Beiträge reagiert. Ein "Tröt" darf bis zu 500 Zeichen lang sein. Das Besondere: Im Vergleich zu Twitter und anderen Social-Media-Diensten werden die Kurznachrichten nicht nach einem bestimmten Algorithmus angezeigt, sondern chronologisch entsprechend dem Zeitpunkt der Veröffentlichung. Zudem ist Mastodon werbefrei - aktuell ist es nicht möglich, über die Plattform selbst Werbung zu schalten.
"Social Media noch einmal anders denken"
Für den ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke ist der Start der tagesschau auf Mastodon "ein vielversprechender Ansatz, das Internet und Social Media noch einmal anders zu denken". Die Plattform sei stärker auf die Nutzerinnen und Nutzer fokussiert und weniger abhängig von amerikanischen oder chinesischen Tech-Konzernen. Der Versuch biete die Möglichkeit, neue öffentlich-rechtliche Standards auf Social Media zu setzen, etwa zur "Teilhabe des Publikums, Unabhängigkeit und faktenbasierter, hassfreier Kommunikation".
Zuletzt wurden Netzwerke wie TikTok oder Facebook immer wieder von Nutzenden wegen ihrer mangelnden Datensicherheit und ihres undurchsichtigen Algorithmus kritisiert. Kritiker bemängeln, dass die Plattformen nicht genug gegen Hatespeech vorgehen. Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales ARD-aktuell, sieht im Launch des tagesschau-Accounts auf Mastodon den Wunsch der Communitys erfüllt, "die nach Alternativen zu den kommerziellen Plattformen fragen".
Mastodon-Netzwerk dezentral aufgebaut
Im Gegensatz zu anderen Plattformen wie Twitter ist das Mastodon-Netzwerk dezentral aufgebaut. Es haben sich verschiedene Server, die jeder für sich unabhängig sind, zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Diese unterschiedlichen Server sind sogenannte "Instanzen". Diese können von Organisationen oder Einzelpersonen betrieben werden.
"Wir wollen den Aufbau der tagesschau-Mastodon-Community von Anfang an intensiv begleiten", sagen die Social-Media-Redaktionsleitenden Isabella David-Zagratzki und Patrick Weinhold. Nach dem Erfolg der tagesschau auf TikTok und Instagram wolle man jetzt das "Fediverse" erobern, dessen Teil Mastodon ist. Das "Fediverse" beschreibt einen Zusammenschluss von unterschiedlichen voneinander unabhängigen Systemen, in denen sich eine Reihe von nicht-kommerziellen Social-Media-Diensten und Communitys vernetzen.
Mastodon wurde bereits 2016 vom Entwickler Eugen Roschko aus Jena gestartet. Große Aufmerksamkeit hat die Plattform allerdings erst bekommen, als Milliardär Elon Musk im Herbst 2022 Twitter gekauft hat und seitdem das Netzwerk nach seinen Vorstellungen umbaut - trotz anhaltender Kritik.
Nach eigenen Angaben von Mastodon waren im Frühjahr 2023 weltweit mehr als 10,7 Millionen Nutzer registriert. Im Vergleich dazu: Twitter hatte nach eigenen Angaben rund 238 Millionen Nutzende im Frühjahr 2023.