Einwohner Barcelonas schwingen in der Nacht der Regionalwahl eine Katalonienflagge.
Kommentar

Einschätzung zum Wahlausgang Eine Wahl der machtlosen Sieger

Stand: 22.12.2017 12:49 Uhr

Wer hat denn nun gewonnen bei der Wahl - das Pro für die Unabhängigkeit oder das Kontra? So richtig keiner. Denn die mit den meisten Stimmen müssen auf die Rückkehr des entmachteten Regierungschefs hoffen und die mit den meisten Mandaten haben zu schwache Partner an der Seite.

Ein Kommentar von Marc Dugge, HR

Die Wahl in Katalonien ist gelaufen. Es ist eine Wahl, die schlecht für die Region ist, weil sie keine Lösungen bringt -  und keine klaren Sieger kennt.

Da ist die eine Siegerin: Inés Arrimadas von den liberalen Ciudadanos, die Anführerin der Unabhängigkeitsgegner. Sie ist mit 36 Jahren eine politische Newcomerin - und hat auf Anhieb die meisten Stimmen geholt. Und trotzdem: Der Jubel muss ihr im Halse stecken bleiben, denn die Mehrheit der Sitze im Parlament haben die anderen inne, die Separatisten. Allen voran Carles Puigdemont. Er ist der andere Sieger des Abends.

Regieren hinter Gittern?

Politisch schon totgesagt, kann Puigdemont ein Comeback feiern. Aber auch er kann sich nicht ungebremst freuen, denn er muss in Brüssel anstoßen, im selbstgewählten Exil. Sollte er nach Spanien zurückkehren, müsste er damit rechnen, sofort festgenommen zu werden. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl vor, weil er sich bei seinem Unabhängigkeitsvorhaben mutmaßlich strafbar gemacht hat.

Für Katalonien verheißt das alles nichts Gutes. Puigdemont hat bereits klargemacht, dass er keinen Anlass sieht, von seinem Unabhängigkeitskurs abzuweichen. Für ihn bleiben die spanische Regierung und mittlerweile auch die EU-Kommission die Quelle allen Übels.

Vieles ist jetzt unklar. Etwa, ob Puigdemont selbst an die Macht will. Ob er dafür bereit ist, notfalls aus dem Gefängnis heraus zu regieren. Und ob er sich künftig an Recht und Gesetz halten will. Die politische Zukunft Kataloniens liegt im Nebel. Für die Wirtschaft ist das Gift. Möglich, dass noch mehr Unternehmen Katalonien den Rücken kehren als bisher.

Brückenbauer sind gefragt

Der Wahlabend macht vor allem aber deutlich: Katalonien ist tief gespalten. Das spiegelt sich im Parlament wider. Dort stehen sich auch künftig zwei etwa gleich große Blöcke gegenüber: Auf der einen Seite jene, die die Unabhängigkeit wollen - auf der anderen Seite diejenigen, die sie strikt ablehnen.

Die Zuspitzung der vergangenen Wochen hat bewirkt, dass jene, die die Unabhängigkeit nicht wollen, Farbe bekennen. Spanische Fahnen hat man früher selten in Barcelona an den Balkongeländern hängen sehen. Heute sieht man sie oft. Spätestens jetzt können die Unabhängigkeitsbefürworter nicht mehr so tun, als würden sie im Auftrag aller Katalanen handeln. Sie stehen für ein politisches Projekt, das weite Teile der Bevölkerung nicht unterstützen. Und sie werden auch künftig mit einer starken Opposition zu rechnen haben.

Es geht ein tiefer Riss durch Katalonien. Mehr denn je sind in Spanien Brückenbauer gefragt. Vermittler, die die entfremdeten Lager zusammenführen können. Nach dem gestrigen Abend sind kurzfristig keine in Sicht. 

Redaktioneller Hinweis

Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 22. Dezember 2017 die tagesschau um 12:00 Uhr und Deutschlandfunk Kultur um 05:12 Uhr.