Viktor Orban und Emmanuel Macron auf einem EU-Gipfel in Prag
Kommentar

Eingefrorene EU-Finanzhilfen Europa ist kein Geldautomat

Stand: 13.12.2022 16:44 Uhr

Diesmal hat sich die EU nicht erpressen lassen. Volle Finanzhilfen wird Ungarn erst kriegen, wenn Regierungschef Orban echte Reformen abliefert. Nun bekommt er für seine jahrelangen Extratouren eine teure Quittung.

Ein Kommentar von Stephan Ueberbach, ARD-Studio Brüssel

Das ist nun wirklich mal eine historische Entscheidung. Und eine schwere Niederlage für den ungarischen Regierungschef Viktor Orban - man kann es nicht anders sagen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte blockiert die Europäische Union Fördergelder für einen Mitgliedsstaat. Sie will verhindern, dass die Gelder in dunklen Kanälen versickern, weil Ungarn nach wie vor zu wenig gegen die grassierende Korruption unternimmt.

Zwar hat die Regierung in Budapest versucht, die Kürzung mit ein paar eilig zusammengeschusterten Reformvorschlägen in letzter Sekunde zu verhindern. Für die anderen EU-Länder war das aber "too little, too late" - zu wenig und zu spät. Auch die für Ungarn vorgesehenen Finanzhilfen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds werden erst dann fließen, wenn sich das Land an rechtsstaatliche Vorgaben hält.

Der finanzielle Druck hat gewirkt

Die Europäische Union hat sich diesmal also nicht erpressen lassen, sondern im Gegenteil den Spieß umgedreht und damit gedroht, einen Großteil der Corona-Gelder für Ungarn verfallen zu lassen, sollte Orban seine Vetos gegen wichtige EU-Projekte nicht zurückziehen. Und siehe da: Plötzlich war der Weg für die milliardenschwere Ukraine-Hilfe und die Mindeststeuer für Unternehmen frei.

Ganz offensichtlich hat der finanzielle Druck gewirkt. Kein Wunder. Der ungarischen Staatskasse fehlen nämlich Stand heute knapp zwölf Milliarden Euro an EU-Mitteln. Geld, das Orban fest eingeplant oder womöglich schon ausgegeben hat. Man könnte es auch so sagen: Der Demokratieverächter aus Budapest bekommt für seine jahrelangen Extratouren eine ziemlich teure Quittung.  

Orban lernt auf die harte Tour

Dafür wurde es allerhöchste Zeit. Denn die Europäische Union hat sich schon viel zu lange von den ungarischen Rechtspopulisten vorführen lassen. Jetzt lernt Orban auf die harte Tour: Europa ist kein Geldautomat. In Brüssel die Hand aufhalten, aber zu Hause den Rechtsstaat schleifen und die EU verteufeln, um innenpolitisch ein paar billige Punkte zu machen - damit ist es jetzt erstmal vorbei. Und das völlig zu Recht. Gut so.

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Stephan Ueberbach, Stephan Ueberbach. SWR Brüssel, 13.12.2022 15:57 Uhr