Die Flaggen der EU und Ungarns
Kommentar

Sanktionen gegen Ungarn Zu schnelles Lob aus Brüssel

Stand: 18.09.2022 21:27 Uhr

Viktor Orban ist auf die EU-Milliarden angewiesen, die Fördergelder sind fest verplant. Doch weil die EU ihre Drohung mit vorschnellen Lobeshymnen ungarischer Fortschritte verbindet, weiß Orban, dass er wohl mit Scheinreförmchen durchkommt.

Ein Kommentar von Helga Schmidt, ARD Brüssel

7,5 Milliarden Euro sollen eingefroren werden. Das hört sich nach viel Geld an und könnte den ungarischen Regierungschef Viktor Orban tatsächlich unter Druck setzen. Geld braucht er nämlich dringend, weil er einen großen Teil der Brüsseler Fördergelder schon ausgegeben oder seinen getreuen Anhängern versprochen hat. 7,5 Milliarden Euro weniger wären wirklich ein Problem für Orban.

Aber bevor die Daumenschrauben wirken können, hat die EU-Kommission sie schon wieder gelockert. Kaum war der Entzug von 7,5 Milliarden angedroht, kamen vom zuständigen Haushaltskommissar milde Worte und die Aussicht auf rettende Hilfe aus Brüssel.

Säuseln in Brüssel

Es gebe in Ungarn vielversprechende Reformpläne, säuselte Haushaltskommissar Johannes Hahn in der Pressekonferenz. Die freundlichen Worte waren verständnisvoll in Richtung Budapest gerichtet. Ganz bedeutende Schritte würden von der Regierung Orban gerade gemacht. Wie Kommissar Hahn zu dieser Einschätzung kommt, bleibt wohl sein Geheimnis.

Setzt Orban auf Scheinreförmchen?

Wie Orban das Ganze auslegen wird, ist dagegen klar: Die 7,5 Milliarden-Kürzung ist gar nicht so ernst gemeint! Es ist nur eine Drohung. Ein paar Scheinreförmchen dürften ausreichen, damit die Gelder am Ende doch freigegeben werden.

Deshalb hat Orban schnell eine neue Anti-Betrugsbehörde in Aussicht gestellt. Das hört man in Brüssel gern, denn in Ungarn versickern zehn Mal so viele EU-Gelder in Korruption und Vetternwirtschaft wie in den nächst platzierten Partnerländern.

Was Orban tun könnte

Orbans Anti-Korruptionsbehörde wird ein Papiertiger bleiben. Auch das weiß jeder in Brüssel, denn Orban hat solche Institutionen bisher immer mit seinen eigenen Leuten besetzt. Sollte er es dieses Mal anders meinen und Ernst mit der Bekämpfung der Selbstbereicherung machen, dann könnte er ganz einfach das tun, was fast alle anderen EU-Regierungen auch schon getan haben: Er könnte die Europäische Staatsanwaltschaft anerkennen.

Damit könnte er zeigen, dass er willens ist, sich dem Urteil unabhängiger internationaler Ermittler und Juristen zu beugen. Genau das tut Orban aber nicht. Er erfindet lieber seine eigene Anti-Korruptionsbehörde, weil er genau weiß, die gucken weg, wenn EU-Millionen wie bisher direkt in die Taschen von Freunden, Verwandten und Parteikollegen fließen.

Die Brüsseler Kommission sollte das verhindern und die Milliarden erst in dem Moment freigeben, wenn auch Budapest endlich der Europäischen Staatsanwaltschaft beitritt.

Redaktioneller Hinweis

Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.

Helga Schmidt, Helga Schmidt, WDR Brüssel, 18.09.2022 21:20 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. September 2022 um 20:00 Uhr.