Spionage Geheime Hilfe für die Ukraine
Die Ukraine bekommt neben Waffen auch Geheimdienstinformationen aus dem Westen. Über diese heimliche Unterstützung soll nichts bekannt werden - denn sie gilt bislang als großer Erfolg.
In dem Bild, das an der Wand im Büro des ukrainischen Militärgeheimdienstchefs Kyrylo Budanov hängt, steckt viel Symbolik. Das Gemälde zeigt eine Eule, die eine Fledermaus in den Fängen hält. Die Eule ist das Wappentier von Budanovs Truppe, die Fledermaus ist das Symbol des Gegners, des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Nicht Wladimir Putins Spione sind hier die Jäger, so die Botschaft des Bildes, sie sind vielmehr die Beute.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist auch ein Krieg der Spione. Seit Wochen leisten die ukrainischen Streitkräfte erbitterten Widerstand gegen die russischen Invasoren. Dabei werden sie von westlichen Staaten unterstützt, und zwar nicht nur mit Waffen, Munition, Ausrüstung, Ausbildung und Hilfsgütern, sondern auch mit geheimdienstlichen Informationen.
Allen voran die USA und Großbritannien, aber auch andere NATO-Staaten, unterstützen mit ihren Geheimdiensten die ukrainischen Truppen. Sie liefern etwa Satellitenbilder, helfen bei der elektronischen Aufklärung, beim Abhören von russischen Funksprüchen oder warnen vor bevorstehenden Luftangriffen. Die IT-Experten des britischen Abhördienstes GCHQ sollen der Ukraine zudem schon seit Monaten bei der Abwehr russischer Cyberattacken behilflich sein.
Nachrichtendienstlicher Erfolg
Wie umfangreich die Hilfe der ausländischen Dienste ist, wie konkret sie aussieht und was sie bewirkt, darüber wird öffentlich grundsätzlich geschwiegen. In US-Geheimdienstkreisen allerdings spricht man schon von einem der größten nachrichtendienstlichen Erfolge überhaupt, vergleichbar mit der Kuba-Krise und dem Aufspüren von Top-Terrorist Osama Bin Laden in Pakistan.
"Wir stellen den Ukrainern auf dem Schlachtfeld regelmäßig detaillierte und zeitnahe nachrichtendienstliche Informationen zur Verfügung, um ihnen zu helfen, ihr Land gegen die russische Aggression zu verteidigen, und werden dies auch weiterhin tun", so lautete noch Ende April die offizielle, knappe Stellungnahme des Weißen Hauses zu der Thematik.
Mehr Details gab es nicht. Jedoch sollen es wiederholt gerade die Hinweise der westlichen Geheimdienste gewesen sein, die dem ukrainischen Militär den entscheidenden Vorteil verschafft haben - und für erhebliche Verluste auf Seiten des russischen Militärs sorgten. Das zumindest berichteten jüngst mehrere US-Medien.
Nach Recherchen der "New York Times" sollen es US-Geheimdienstinformationen gewesen sein, die dem ukrainischen Militär dabei halfen, bislang zwölf russische Generäle zu töten. In der "Washington Post" wiederum war zu lesen, Amerikas Dienste hätten den Ukrainern die genauen Koordinaten des russischen Kriegsschiffes "Moskwa" geliefert, das mit einem präzisen Raketenangriff versenkt worden war. Auch dass russischen Fallschirmjägern in den ersten Kriegstagen kein Überraschungsangriff auf den Flughafen Hostomel bei Kiew gelang, sollen die Ukrainer einer CIA-Warnung zu verdanken haben.
CIA-Chef Burns warnt
Die US-Regierung ist über die Berichte alles andere als begeistert und sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Ein Pentagon-Sprecher erklärte, die USA lieferten der Ukraine zwar Informationen zum Kriegsgeschehen, aber man stelle keine genauen Daten zur Lokalisierung von ranghohen russischen Militärs zur Verfügung. Man nehme auch keinen Einfluss darauf, welche Ziele die Ukraine angreife. "Die Ukrainer haben, ehrlich gesagt, viel mehr Informationen als wir", so der Sprecher.
CIA-Chef William Burns mahnte vor allem Verschwiegenheit bezüglich der Geheimdienst-Hilfe für die Ukraine an. Bei einer öffentliche Podiumsdiskussion in der vergangenen Woche dementierte Burns die Medienberichte nicht, sondern erklärte lediglich: "Es ist unverantwortlich. Es ist gefährlich, wenn Leute zu viel über geheimdienstliche Angelegenheiten reden, egal ob das im privaten Raum geschieht oder in der Öffentlichkeit."
USA wollen keine Kriegspartei sein
Es gibt einen ganz praktischen Grund, warum anders als bei den Waffenlieferungen, nicht über die Geheimdienst-Kooperationen gesprochen wird: Die Dienste wollen ihre Quellen nicht verlieren, seien es menschliche Zugänge im russischen Militär oder gar im Kreml, oder die technische Möglichkeiten der Überwachung von Kommunikation.
Auch politische Aspekte spielen eine Rolle: Je mehr über die facettenreiche Unterstützung für die Ukraine im Detail bekannt wird, umso mehr könnte sich der Eindruck eines Stellvertreterkrieges aufdrängen. Etwas, was vor allem die USA offensichtlich weiterhin vermeiden wollen, obwohl unstrittig sein dürfte, dass die amerikanische Unterstützung und das jahrelange Training durch US-Militärs wohl ganz erheblich zu den bisherigen militärischen Erfolgen der Ukraine beigetragen haben.
Schon einmal haben die USA auf ähnliche Weise mehr oder weniger heimlich dabei geholfen, Moskaus Truppen zurückzudrängen - mit Erfolg: in den 1980er-Jahren in Afghanistan. Damals war die Sowjetunion in das Nachbarland einmarschiert, um eine kommunistische Marionettenregierung zu installieren. Die USA und weitere Staaten unterstützten daraufhin die afghanischen Aufständischen, die Mudschaheddin, mit Waffen. Die Sowjetunion wurde in einen Guerilla-Krieg verwickelt, der zehn Jahre andauerte und damit endete, dass die Sowjetarmee 1989 abzog.
BND in Afghanistan involviert
Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) mischte damals in Afghanistan mit. Mitte der 1980er-Jahre wurde auf Initiative einiger Bundestagsabgeordneter die geheime Operation "Sommerregen" gestartet. Der BND lieferte jahrelang Hilfsgüter aus Deutschland an die Mudschaheddin, darunter Jacken, Stiefel, Zelte, Schlafsäcke, Taschenlampen, Nachtsichtgeräte, Motorräder und sogar Feldlazarette. Im Gegenzug beschafften die afghanischen Kämpfer neueste sowjetische Rüstungsgüter vom Schlachtfeld, die vom BND ausgewertet und die Ergebnisse der NATO zur Verfügung gestellt wurden.
Aufklärungsinteresse in der Ukraine
Über die derzeitigen Aktivitäten des BND in der Ukraine hält sich die Bundesregierung bedeckt. In geheimen Runden im parlamentarischen Raum wurde vor einigen Wochen angedeutet, dass aktuell zwar keine BND-Mitarbeiter unmittelbar im Kriegsgebiet aktiv seien, aber dass man in regem Austausch mit den Ukrainern und anderen Diensten in der Region stehe sowie dass das Aufklärungsinteresse des Dienstes breitgefächert ist und auch russische Rüstungstechnologie und Ausrüstung umfasst.
Mittlerweile gilt es als nicht unwahrscheinlich, dass der BND bald schon wieder über eine Residentur in Kiew verfügen könnte. Immerhin hat auch die deutsche Botschaft vor kurzem wieder ihre Arbeit aufgenommen. Als Ende Februar der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, waren die deutschen Diplomaten und auch die Spione abgezogen. BND-Präsident Bruno Kahl war damals gerade zu einem Besuch in Kiew. Er war es auch, der als letzter die Botschaft verließ, die Tür abschloss und mit einer kleinen Zahl an Mitarbeitern im Autokonvoi das Land verließ.