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Rechtsextremismus-Vorwurf BND entzieht Professor Sicherheitsfreigabe

Stand: 02.06.2022 13:36 Uhr

Der BND hat einem Professor, der angehende Geheimdienstler ausbildet, die Beschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit untersagt. Grund: Der Verfassungsschutz sieht Anhaltspunkte für eine extremistische Einstellung.

Von Georg Heil und Markus Pohl, rbb

Der Politologe Martin Wagener darf keine Geheimdienstler mehr ausbilden. Dem Professor, der an der Hochschule des Bundes gelehrt hat, wurde vom Geheimschutzbeauftragten des Bundesnachrichtendienstes (BND) der sogenannte Sicherheitsbescheid entzogen. Damit ist Wagener die Fortführung seiner bisherigen Lehrtätigkeit nicht mehr möglich, zudem wurde ihm der Zugang zu geheimen Verschlusssachen untersagt. Dies habe man ihm mit Schreiben vom 10. Mai mitgeteilt, sagte Wagener in seinem Podcast.

Am "Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung" (ZNAF), einer gemeinsamen Einrichtung von BND und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Berlin, bildete Wagener bis vor Kurzem Geheimdienst-Nachwuchs im Bereich Internationale Politik und Sicherheitspolitik aus. Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte der BND Wagener Hausverbot erteilt und seine Sicherheits-Freigabe vorübergehend eingeschränkt - eine Entscheidung, die er nun noch einmal geprüft und bestätigt hat.

Hintergrund ist nach Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste eine Mitteilung des BfV an den BND, der zufolge "sicherheitsrelevante Erkenntnisse" zu Wagener vorliegen. Diese ergaben sich nach einer Überprüfung von Wageners Buch "Kulturkampf um das Volk - Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen". Wagener stellt darin die These auf, Ziel der Bundesregierung sei es, das angestammte deutsche Volk in eine multikulturelle Gesellschaft umzuformen.

Argumentative Nähe zur Identitären Bewegung

Nach Kontraste-Informationen ergab die Prüfung des Buches durch das BfV, dass insbesondere die Passagen, in denen Wagener von "Ethnopluralismus" schreibt, als extremistisch bewertet werden. Wageners Argumentation in seinem Buch weise danach Ähnlichkeiten zur Argumentation der rechtsextremen "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD) auf.

Der Begriff des Ethnopluralismus, der auch von rechtsextremen Vereinigungen wie der IBD verwendet wird, gilt als Kampfbegriff der "Neuen Rechten", die kulturell homogene Gesellschaften - möglichst frei von fremden Einflüssen - anstreben. Ethnopluralismus wird dabei von Sozialwissenschaftlern auch als Form einer rassistischen Ideologie gesehen, in der der Rassebegriff aber bewusst ersetzt werde durch Begriffe wie "Ethnie" oder "Kultur".

Wagener selbst bestätigt im Gespräch mit Kontraste, ihm werde vom Verfassungsschutz ein ethnisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff vorgeworfen, der mit der Menschenwürde-Garantie des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Dies sei aber "inhaltlich frei erfunden". Er nutze diesen Volksbegriff in seinem Buch nicht und lehne ihn sogar ab. Davon abgesehen könne dieser Volksbegriff auch nicht pauschal als verfassungsfeindlich gelten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Wagener auffällt: Schon 2019 hatte der BND eine frühere Publikation Wageners auf rechtsextremistische Inhalte prüfen lassen. Damals ging es um das Buch "Deutschlands unsichere Grenze - Plädoyer für einen neuen Schutzwall". Darin erhob Wagener die Forderung, Deutschland vollständig mit einer vier Meter hohen Betonmauer zu umfassen, um Migranten abzuwehren und das deutsche Volk vor "Überfremdung" zu schützen. Auch anerkannte Asylbewerber sollten lediglich in Lagern in Grenznähe untergebracht werden dürfen. Die Prüfung ergab damals aber keinen hinreichenden Beleg für eine verfassungsfeindliche Einstellung des Autors.

Wagener sieht sich als Opfer einer Intrige

Im aktuellen Fall hat sich der Auslandsgeheimdienst offenbar weitgehend auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes verlassen. Wagener sagt, ihm gegenüber habe sich der BND auf den Grundsatz "in dubio pro securitate" berufen - im Zweifel für die Sicherheit. Der Professor selbst spricht von einem "Behördenversagen" und sieht sich als Opfer einer Intrige der Leitung des Verfassungsschutzes, die einen unliebsamen Kritiker loswerden wolle. Um seinen Ausschluss noch abzuwenden, hat Wagener nach eigenen Angaben einen ungewöhnlichen Vorschlag gemacht: So habe er angeboten, seine Verfassungstreue mit einem Test an einem Lügendetektor unter Beweis zu stellen. "Darauf ist man leider nicht eingegangen", so Wagener.

Der Verfassungsschutz wollte auf Kontraste-Anfrage nicht zu der Angelegenheit Stellung nehmen. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu Einzelpersonen, die nicht im Verfassungsschutzbericht des Bundes aufgeführt sind. Auch der BND gab an, sich nicht zu laufenden Personalvorgängen zu äußern.

Wagener hat angekündigt, sich an das Bundeskanzleramt und an das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages zu wenden, um den Vorgang untersuchen zu lassen. Zwar kann er seine Lehrtätigkeit am ZNAF nun nicht mehr fortführen - beamtenrechtlich hat der Verlust seiner Sicherheitsfreigabe aber keine Konsequenzen. Auch seine Professur wird nicht entzogen. Ob Wagener nun eine gleichwertige Tätigkeit in einem nicht-sicherheitsempfindlichen Bereich angeboten werden kann beziehungsweise muss, ist noch unklar.