LNG-Terminal Brunsbüttel Fast eine Milliarde Euro für den Staatseinstieg
Das LNG-Terminal in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein galt in der Gaskrise als Beispiel für schnelles Handeln. Das Projekt wird offenbar deutlich teurer als geplant, wie NDR-Recherchen zeigen.
Im Januar 2023 war es fast wie ein Staatsakt, als mit der "Höegh Gannet" die ersten 160.000 Tonnen flüssiges Erdgas LNG in Brunsbüttel anlandeten. Gemeinsam schleppten der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, sein Umweltminister Tobias Goldschmidt und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das dicke Tau über den Anleger, um den Gefahrguttanker festzumachen.
Habeck lobte sich damals selbst. "Das finde ich, ist die richtige Haltung, nicht immer alles bequatschen und auf Papieren beschreiben. Sondern am Ende sich daran messen lassen, dass hier ein Schiff liegt und die Leitung gebaut ist."
Das Schiff sollte damals mitten in der Gaskrise die Versorgung mit Erdgas sichern. Später sollte es als schwimmendes LNG-Terminal durch ein landseitiges Terminal ersetzt werden. Unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte die Bundesregierung die Planungen für dieses festes LNG-Terminal reaktiviert - mit finanzieller Staatsbeteiligung.
Mehr Geld gefordert
Diese Beteiligung wird für den Staat offenbar deutlich teurer, wie NDR-Recherchen zeigen. Gerade erst musste das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) dem Haushaltsauschuss des Bundestages mitteilen, dass das Geld, das im Haushalt für den Bau und Betrieb des Brunsbütteler Terminals eingeplant ist, nicht reichen könnte. Es gebe einen neuen Geschäftsplan, heißt es in dem internen Schreiben, das dem NDR vorliegt. Demnach sollen sich die Investitionskosten des LNG-Terminals in Brunsbüttel auf rund 1,5 Milliarden Euro erhöhen. Hinzu kämen erhöhte Projektvorbereitungs- und Entwicklungskosten.
Die zusätzlichen Kosten, die der Bund als sogenannte Verpflichtungsermächtigungen hinterlegen muss, summieren sich gemäß dem Schreiben an den Haushaltsausschuss auf rund 200 Millionen Euro. Ursprünglich eingeplant hatte das BMWK Kosten in Höhe von rund 740 Millionen. Euro. Damit wird das Projekt aus Sicht des Bundes um fast 30 Prozent teurer.
Mittel per Verpflichtungsermächtigung hinterlegt
Das geplante feste Terminal in Brunsbüttel ist ein einzigartiges Konstrukt: Der Bund ist über die staatliche Förderbank KfW als Investor mit eingestiegen, hält einen Anteil von 50 Prozent. Die anderen 50 Prozent teilen sich der Energiekonzern RWE und das niederländische Staatsunternehmen Gasunie. Die eigens dafür gegründete Betreibergesellschaft German LNG rechnete zunächst mit Investitionskosten von rund 1,3 Milliarden Euro. Entsprechend der Beteiligung steuerte die KfW die Hälfte bei, also zunächst 740 Millionen Euro. Nun sollen es rund 940 Millionen Euro werden. Die Mittel dafür sind im Bundeshaushalt für die kommenden Jahre per Verpflichtungsermächtigung hinterlegt.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärt die gestiegenen Kosten auf NDR-Anfrage mit den allgemein gestiegenen Baukosten. Zudem habe sich in der Detailplanung herausgestellt, dass unter anderem die Kosten für die "Greenreadiness" - also eine spätere Umrüstung auf grüne Gase höher ausfielen als ursprünglich kalkuliert und die Errichtung des Infrastrukturkorridors für das Terminal eine höhere technische Komplexität aufweise.
Zweifel an Bedarf für LNG-Infrastruktur
Nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen hatte die Bundesregierung für das deutsche Staatsgebiet noch eine Versorgungslücke von rund 28 Milliarden Kubikmeter Gas erwartet. Zusätzlich dazu prognostizierte sie Mehrbedarfe aus Mittel- und Osteuropa, die künftig Gas über Deutschland importieren könnten. Diese sollten zunächst über die schwimmenden Terminals gedeckt werden, die laut der Prognose aus dem Jahr 2023 insgesamt rund 37 Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr regasifizieren könnten. Langfristig sollten die schwimmenden Terminals von festen Terminals ersetzt werden.
Kritik an diesen Prognosen kam unter anderem von Niklas Höhne, Professor an der Universität Wageningen und Begründer des New Climate Institutes. "Damals war unsere Befürchtung, dass wir Überkapazitäten aufbauen, heute wissen wir sicher, dass wir Überkapazitäten haben." Denn nur drei schwimmende Terminals sind bislang in Betrieb und sie landen deutlich weniger Gas an als sie könnten. Höhne kann sich nicht vorstellen, dass sich die Terminals wirtschaftlich rechnen.
Höhne begründet das auch mit den Klimazielen, zu denen sich die Bundesregierung auch mit dem deutschen Klimaschutzgesetz verpflichtet hat. Diese sehen vor, dass der Gasverbrauch in Deutschland bis 2030 im Vergleich zu 2019 um zehn Prozent zurückgeht und bis 2035 um 50 Prozent. Ziel ist es, bis 2045 klimaneutral zu sein, also wahrscheinlich gar kein Erdgas mehr zu verbrauchen. Die aktuellen Pläne für die landseitigen LNG-Terminals sehen vor, dass diese langfristig für die Nutzung von grünen Gasen umgerüstet werden. Somit könnten sie auch in einem klimaneutralen Wirtschaftssystem weiter genutzt werden.
Weitere Investitionen für Umstellung nötig
Ob eine Umrüstung technisch möglich ist, ist aber noch ungewiss, betont Franziska Holz, stellvertretende Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Erdgas sei ein sehr spezieller Energieträger, der spezifische Infrastrukturen benötige. Wenn man die Terminals in Zukunft für grünen Wasserstoff oder andere grüne Gase betreiben wolle, seien dafür nochmal hohe Investitionen nötig.
Die festen Terminals, die jetzt kommen sollen, seien alle schon vor Jahren erstmals geplant worden. Vor der Gaskrise hätten sich aber keine Investoren gefunden, die die Pläne umsetzen wollten. "Wir sehen jetzt, dass nur mit öffentlichen Geldern, mit sehr hohen staatlichen Investitionen diese Investitionsentscheidung getroffen wird. Also eigentlich haben diese Terminals keine Aussicht auf ausreichend Rentabilität, Erdgasimporte und Verkäufe in einem Markt, der mittelfristig ganz stark rückläufig sein wird."
Andere Betreiber drohten offenbar mit Ausstieg
Auch für das Terminal in Brunsbüttel war die Frage der wirtschaftlichen Perspektive offenbar bis vor kurzem ungeklärt. Darauf deutet das dem NDR vorliegende Schreiben an den Haushaltsausschuss hin. Darin heißt es, dass die privaten Investoren RWE und Gasunie aus dem Projekt aussteigen könnten, sollte die Bundesregierung nicht zusätzliche Mittel zusagen. Die finale Investitionsentscheidung könne dann "nicht rechtzeitig bis Ende September getroffen werden".
Der Betreiber - die German LNG - teilte auf NDR-Anfrage mit, die finale Investitionsentscheidung sei inzwischen getroffen worden. Das BMWK schreibt, die Investitionskostenerhöhung werde zwischen KfW, RWE und Gasunie entsprechend ihrer Beteiligung aufgeteilt. Zusätzlich müsse der Bund Geld für "Kaufpreiskomponenten aus dem Beteiligungserwerb sowie für Refinanzierungskosten bis 2043 haushälterisch absichern." Die Bundesregierung gehe gegenwärtig jedoch davon aus, dass die Beteiligungskosten der KfW an dem LNG Terminal durch Rückflüsse refinanziert werden.
Auch von Seiten der Opposition gibt es Kritik: Victor Perli, der für die Linkspartei im Haushaltsausschuss des Bundestages sitzt, sagt, die Bundesregierung habe sich mit der "bedingungslosen Unterstützung für LNG-Terminals erpressbar gemacht. Sie muss nun teuer draufzahlen, damit die Betreiberkonzerne nicht aussteigen." Es bleibe völlig unklar, ob die Gasimporteure die gestiegenen Kosten über höhere Gebühren trügen oder die Terminals dauerhaft subventioniert werden müssten.
Planfeststellungsbeschluss erteilt
Unterdessen schreitet die Umsetzung in Brunsbüttel voran. Erst in der vergangenen Woche erteilte das Amt für Planfeststellung Verkehr (APV) Schleswig-Holstein den Planfeststellungsbescheid für den Bau des festen LNG-Terminals in Brunsbüttel. Zudem genehmigte das Landesamt für Umwelt Schleswig-Holstein einen vorzeitigen Baubeginn nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz.
Bereits im Februar hatte das APV erste vorbereitende Arbeiten für das Terminal bewilligt. Im Zusammenhang mit dem Bau genehmigte die EU-Kommission eine staatliche Beihilfe. Gegen diesen Beihilfebescheid klagen die Betreibergesellschaft des Konkurrenzprojektes in Stade sowie die Deutsche Umwelthilfe.