Eine Drohne des Typs DJI Matrice 300.
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Für das Technische Hilfswerk Bundesregierung will chinesische Drohnen kaufen

Stand: 14.11.2022 10:00 Uhr

Das Bundesinnenministerium möchte nach Recherchen von WDR und NDR mehr als 60 Drohnen für das Erkunden von Katastrophengebieten beschaffen. Explizit gewünscht sind Geräte einer chinesischen Firma, die auf einer schwarzen Liste der USA steht.

Sie können in Kriegsgebieten den Tod bringen - aber Drohnen können auch helfen, Leben zu retten. Genau deshalb möchte das Bundesinnenministerium jetzt mehr als 60 solcher Fluggeräte anschaffen: Die Drohnen sollen dem Technischen Hilfswerk (THW) bei der Erkundung in Katastrophengebieten und bei der Vermisstensuche helfen. Im Ahrtal etwa hat sich nach der Flut mit mehr als 130 Toten gezeigt, wie wertvoll schnelle Luftaufnahmen hätten sein können.

Ende September hat das Beschaffungsamt des Innenministeriums eine Ausschreibung getätigt. "Unbemannte Luftfahrzeuge" werden demnach gesucht - und zwar nicht irgendwelche Drohnen, sondern ein ganz bestimmtes Modell: "Bis zu 67 Drohnensysteme des Typs DJI Matrice 300" sollen beschafft werden, heißt es in den Unterlagen zur Ausschreibung. Außerdem sollen "erweiterte Schulungen für das Produkt" durchgeführt werden. 

Wunsch-Hersteller genannt

Bemerkenswert ist nicht nur, dass das Innenministerium in der Ausschreibung konkret einen Wunsch-Hersteller nennt. Brisanz kommt in den Fall, weil dieses Unternehmen aus China kommt: Die Drohne Matrice 300, Stückpreis rund 10.000 Euro, wird vom chinesischen Unternehmen Da-Jiang Innovations (DJI) hergestellt. Die Firma gilt weltweit als Marktführer bei Drohnen im privaten und gewerblichen Bereich - auch in Deutschland.

Vor allen in den USA wird DJI zunehmend kritisch gesehen: Der Konzern steht mittlerweile auf einer schwarzen Liste des US-Handelsministeriums, weil er das chinesische Militär unterstützt haben soll bei der Überwachung der muslimischen Minderheit der Uiguren. DJI hat dies bestritten.

Zwar können auch in den USA Kunden weiter DJI-Produkte kaufen, jedoch dürfen US-Firmen nur mit Sondergenehmigungen die chinesische Firma beliefern. Offenbar befürchten die USA,  dass das autoritär regierte China Geschäftsbeziehungen nutzen könnte, um selbst moderner zu werden. Beide Staaten aber ringen derzeit heftig um politischen und wirtschaftlichen Einfluss.

Details "gründlich prüfen"

Kritik an dem geplanten Geschäft kommt aus Reihen der Regierung und aus der Opposition. Die Innenexperten der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic und Konstantin von Notz, betonen zwar den Nutzen von Drohnen - diese könnten "bei Not- und Rettungseinsätzen sowie im Katastrophenschutz wertvolle Unterstützung leisten". Im konkreten Fall warnen sie aber vor einer schnellen Entscheidung und fordern eine gründliche Prüfung.

Aufgrund der aktuellen Risiken müssten alle Fragen zur Beschaffung und zum Einsatz "in allen Details gründlich geprüft werden", sagten die Parlamentarische Geschäftsführerin und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. "Man muss die Vorteile und etwaige Risiken sehr genau gegeneinander abwiegen." Das gelte vor allem für Drohnen von Herstellern aus autoritären Staaten. Mit Blick auf die strenge Einstufung durch die USA sagen beide: "Wir dürfen nicht Gefahr laufen, in sensiblen Sicherheitsbereichen technische Geräte einzusetzen, die zum Sicherheitsrisiko werden können."

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), fordert bereits ein Stopp des Geschäfts: "Chinesische Drohnen eines Unternehmens, das Verbindung zur Volksbefreiungsarmee hat, sind ein Sicherheitsrisiko und haben im Bundesinnenministerium nichts verloren", sagte Throm. Er spricht von einer "Blauäugigkeit der Bundesregierung gegenüber China", die "haarsträubend" sei. Die Beschaffung sei nicht "sachgerecht". Es müssten "übergeordnete Gesichtspunkte bezüglich der Unabhängigkeit von China besser beachtet werden".


Das Bundesinnenministerium verteidigt auf Nachfrage das Vorhaben. "Für den Bereich des Bevölkerungsschutzes bestehen nach aktuellem Stand aufgrund der Einsatzanforderungen und der Einsatzgebiete keine Bedenken gegenüber der Nutzung der Drohnen", erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Demnach gibt es verschiedene Gründe für das Vorhaben: "Die Beschaffung der angesprochenen Drohnen erweitert die Einsatzfähigkeit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk für die Lagebewältigung im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes im Inland", erklärte ein Sprecher.

Die Drohnen stellten demnach eine "Ergänzung zu den bisherigen technischen und biologischen Ortungssystemen" dar, etwa für die "Suche nach Vermissten, für die Menschenrettung und die Lageerkundung im Katastrophenschutz". Die "Summe der einsatztaktischen Anforderungen" führe dazu, dass die Ausschreibung genau dieses eine Modell benenne. Entscheidend seien die "sofortige Einsatzbereitschaft" sowie die Möglichkeit, weitere Komponenten nutzen zu können - etwa Zoom-, Weitwinkel- und Wärmebildkameras. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, so der Sprecher. Ein Zuschlag sei noch nicht erteilt worden.

Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Euro

DJI ist ein Gigant im globalen Drohnengeschäft. Die Firma aus südchinesischen Shenzhen, die einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Euro vorweist, gehört auch hierzulande zu den Marktführern bei zivilen und gewerblichen Drohnensystemen. In den USA allerdings ist es dem Militär schon seit 2017 verboten, DJI-Drohnen zu verwenden. Als Grund wurden "Verwundbarkeiten gegen Cyber-Angriffe" genannt.

Im Jahr 2020 untersagte das US-Handelsministerium US-amerikanischen Firmen dann erstmals Exporte an den chinesischen Drohnen-Hersteller DJI. Im Juli 2021 erklärte das US-Verteidigungsministerium, dass es durch die Nutzung von Drohnen des Herstellers mögliche Risiken für die eigene nationale Sicherheit sieht. Das Verteidigungsministerium sieht offenbar enge Verbindungen zwischen DIJ und dem chinesischen Militär.

Im Dezember 2021 folgten weitere Sanktionen. Das US-Finanzministerium untersagte US-Bürgern, in DJI zu investieren oder Firmenanteile zu kaufen - ein eher symbolischer Akt, denn das Unternehmen ist nicht an der US-Börse gelistet. Allerdings gibt es in den USA bislang keinen klaren Kurs: Während die Warnungen vor allem des Verteidigungsministeriums lauter werden, erklärten mehrere Behörden noch im Sommer, dass sie DJI-Drohnen nutzten. 

"Nie für militärisches Gerät vorgesehen"

DJI wies die Vorwürfe der US-Seite zurück: Es gebe keine Verbindungen zum Militär, hieß es in einem Statement. Die eigenen Drohnen seien auch nie für militärisches Gerät vorgesehen gewesen. Für kriegerische Zwecke habe man auch nie Produkte verkauft, erklärte das Unternehmen. Zahlreiche staatliche Stellen nutzten zudem in der Vergangenheit die Fluggeräte aus China, etwa bei der Bekämpfung von Waldbränden in Kalifornien.  

Palina Milling, Palina Milling, WDR, 14.11.2022 11:48 Uhr