Zwei Mitglieder der Partei Die Grünen posieren für ein Foto im Freien.

Thüringen Nach Scheitern bei der Landtagswahl: Wie geht’s weiter bei den Thüringer Grünen?

Stand: 13.09.2024 18:41 Uhr

3,2 Prozent waren das Ergebnis für die Grünen bei der Thüringer Landtagswahl vor knapp zwei Wochen. Damit sind sie nicht mehr im Landtag vertreten. Am Samstag treffen sich die Thüringer Grünen in Bad Langensalza zu einer internen Mitgliederversammlung. Dabei soll nochmal ausführlich das Ergebnis der Landtagswahl ausgewertet mit der Frage, wie es in den nächsten Jahren für die Partei weitergeht.

Von Anna Hönig, MDR THÜRINGEN

Vor dem linken Gang im Erdgeschoss des Abgeordnetengebäudes steht noch der Aufsteller mit dem Schriftzug "Bündnis 90/Die Grünen" - doch nicht mehr lange. In den kommenden Tagen und Wochen werden die fünf Abgeordneten, die in der vergangenen Legislatur im Landtag saßen, ihre Büros räumen. Darunter ist auch Madeleine Henfling, Spitzenkandidatin im Wahlkampf.

Laut Henfling wurde die Minderheitsregierung in den vergangenen Jahren und auch zum Wahlkampf häufig schlecht geredet - obwohl sie so schlecht gar nicht war. "Wir haben trotz zweier großer Krisen, der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg, jedes Jahr einen Haushalt gehabt. Wir waren kompromissbereit und haben Gesetze beschlossen", sagt Henfling.

Ein langer Flur mit offenen Türen in einem Gebäude.

Der "grüne" Flur im Abgeordnetegebäude im Thüringer Landtag. Diese Räume wird vermutlich bald die SPD-Fraktion beziehen.

Rot-Rot-Grün hat laut Henfling jedoch versäumt, eine positive Erzählung der Minderheitsregierung zu vermitteln. Doch trotz Verbesserungen für den Personalschlüssel in Kindergärten und Windkraftenergiebeteiligungsgesetz, dass die Grünen unter anderem auf den Weg gebracht haben, ist bei den Wählern von der Landespolitik der Partei nicht viel hängen geblieben.

Wahlkampf beeinflusst von Bundespolitik und Falschinformationen

"Die Bundespolitik war bestimmend - sowohl bei der Kommunalwahl als auch bei der Landtagswahl", sagt Henfling. Und die Parteikollegen stimmen ihr zu. Landessprecherin Ann-Sophie Bohm berichtet, dass sich die Gespräche mit Wählern zu 80 Prozent um bundespolitische Themen drehten.

Laut Martin Schulze, Sprecher des Grünen-Kreisverbandes Greiz, ist das einzige Landesthema in den Gesprächen der "Rechtsruck" gewesen, ansonsten sei es vor allem um den Ukraine-Krieg gegangen. Dabei hatte die Partei in ihrer Wahlkampfkampagne "Für Mensch, Natur und Thüringen" ausschließlich auf Landesthemen gesetzt - "doch das wurde nicht belohnt", sagt Landessprecherin Bohm.

Der Kreisverband Kyffhäuser-Kreis wollte die Wähler unter anderem mit dem Regionalthema "Unstrut-Bahn" überzeugen. "Das hat am Wahlkampfstand aber kaum gezogen", sagt Kreisverbandssprecher Armin Heinrich. Stattdessen hätte er viel Aufklärungsarbeit zu Falschinformationen geleistet. Die Gespräche seien dabei nicht mehr faktenbasiert gewesen, "häufig gab es auch Unterstellungen, dass wir schuld am Krieg in der Ukraine seien", so der Kreisverbandssprecher. "Es wurde ordentlich Stimmung gegen die Grünen gemacht - wir waren der Hassgegner in dieser Wahl", sagt Heinrich. Doch der Landesverband ist sich einig: Im Wahlkampf selbst seien keine großen Fehler gemacht worden.

Wie sieht die Landesebene die grüne Bundespolitik?

Die bundespolitischen Entscheidungen tragen die Thüringer Grünen trotz aller Kritik von außen mit. "Die Entscheidungen zu den Kriegsfragen auf Bundesebene sind immer schwierig für die Landespolitik. Aber auch wir sind für Waffenlieferungen an die Ukraine und werden bei dieser Haltung bleiben", sagt Landessprecherin Bohm. Man hätte im Wahlkampf aber vielleicht noch mehr über Frieden und den Weg dorthin reden können.

Madeleine Henfling sieht die Bundespolitik kritischer: "Wir brauchen dringend eine Wende in Sachen Schuldenbremse - die bricht uns auf Landesebene das Genick." Es bräuchte jetzt dringend Geld für Investitionen in Infrastruktur und Bildung - das sei auch die Antwort auf den Populismus der AfD.

Zukunftsvisionen vs. Populismus

"Wir haben im Wahlkampf versucht, eine Zukunftsvision zu vermitteln und nicht Wahlkampf nach Schema F zu machen, wie die anderen Parteien", sagt Co-Landessprecher Max Reschke. BSW und AfD hatten im Wahlkampf unter anderem auf Themen wie den Ukraine-Krieg gesetzt. Themen, die durch die Landespolitik nicht beeinflusst werden können. "Das ist Populismus - über Sachen zu reden, die ich nicht ändern kann", sagt die ehemalige Abgeordnete Madeleine Henfling.

Eine junge Frau posiert neben einem Aufsteller Bündnis90/DieGrünen für ein Foto.

Madeleine Henfling war Spitzenkandidatin im Landtagswahlkampf - nun muss sie ihr Abgeordnetenbüro räumen.

Auf bei den Wählern gefragte Themen wie Migrationspolitik haben die Grünen nicht gesetzt. Die Partei vertrete laut Henfling eine positive Migrationspolitik. "Wir wollen, dass die Menschen, die herkommen, hier schnell in Arbeit gebracht und nicht weggeschickt werden. Dann würde es auch weniger Straftaten geben", sagt der Spitzenkandidat und Noch-Umweltminister Bernhard Stengele. Landessprecherin Ann-Sophie Bohm ergänzt, auch wenn es keine Plakate zu dem Thema gegeben habe, hätte man an den Wahlständen dennoch auch über Migration gesprochen.

Bündnis 90 - eine Ostpartei?

Die AfD hatte ihren Wahlkampf unter die Überschrift "Der Osten machts" gesetzt und ist damit offenbar angekommen. Die Grünen haben ihre Verbundenheit zu Ostdeutschland mit "Bündnis 90" sogar im Namen - warum wird sie dann nicht als Ostpartei wahrgenommen?

"Wir wollen diesen Teil unseres Namens wieder mit Leben füllen", sagt Bohm. Das Problem sei laut Co-Landessprecher Max Reschke vermutlich die Zukunftsgewandheit der Partei - einhergehend mit Themen wie Energie- und Mobilitätswende. "Veränderungsprozesse sind für viele Menschen in Ostdeutschland nicht positiv besetzt", ergänzt Bohm. Durch die Wende hätten einige Menschen viel verloren, was sie sich hart erarbeitet hatten. "Wir müssen es schaffen - nicht nur wir Bündnisgrünen sondern Politik insgesamt - Angst vor der Veränderung zu nehmen und klar zu machen, es wird keiner zurückgelassen", sagt Bohm.

Die Zukunft in der außerparlamentarischen Opposition

Für die kommende Zeit haben die Grünen sich schon jetzt einige Hausaufgaben gegeben. "Wir müssen an unserem Narrativ arbeiten - das ist im Moment komplett fremdbestimmt", sagt Madeleine Henfling. Aktuell würden die Grünen als Verbotspartei wahrgenommen. "Wir sind eine Partei, die nach vorne schaut, wir haben Antworten zu Themen wie Klimapolitik, aber auch Wirtschaft und dem demographischen Wandel", so Henfling.

Die Partei wird sich politisch in der sogenannten "außerparlamentarischen Opposition (APO) einbringen. In den kommenden Jahren will sie wieder mehr auf die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Bündnissen setzen. Die Landespolitik werde sie vom "Spielfeldrand" beobachten und kommentieren, sagt Madeleine Henfling.

Bis sich eine neue Regierung konstituiert hat und es einen neuen Ministerpräsidenten gibt, will der Landesverband seine beiden Minister weiterhin unterstützen. Aber auch eine kleine Verschnaufpause soll es laut Landessprecherin Bohm geben.

Ende des Jahres stehen dann die nächsten Wahlen für die Landessprecher an. Und natürlich ist der Blick schon auf die nächsten Wahlen gerichtet: "Fakt ist, dass wir in die Zukunft schauen und wissen, dass halt Themen wie Klimawandel, ökologische Krise auch das gesellschaftliche Miteinander, dass das alles Themen sind, wo wir uns als Grüne viele Gedanken drum machen - und die bleiben auch in den nächsten fünf Jahren präsent - dafür werden wir uns weiter einsetzen. Natürlich mit dem Fokus darauf, wieder in den Landtag zu kommen", sagt Landessprecher Max Reschke.

MDR (nir)