Thüringen Gebietsreform, Minderheitsregierung und Corona: Die Achterbahnfahrt des Bodo Ramelow
Nach über zehn Jahren geht am Donnerstag die Zeit von Bodo Ramelow als Thüringer Ministerpräsident zu Ende. Guido Fischers Meinung zur Bilanz des ersten und einzigen Ministerpräsidenten der Linken.
Bodo Ramelow hat Geschichte geschrieben. Ramelow ist der einzige Ministerpräsident, den die Linke je in Deutschland gestellt hat. Geschafft hat das der christliche Gewerkschafter mit seinem untrüglichen Gespür für Sorgen, Nöte und Wünsche der Menschen - und wenn nötig - mit maximaler Distanz zur eigenen Partei.
Erster Ministerpräsident der Linken
Überhaupt Ramelow und die Linke. Als er 1999 zum ersten Mal in den Landtag einzog, fand er sich umringt von Altkadern, die das hohe Lied der DDR sangen. Die meisten dieser Karrieren hat Ramelow gnadenlos beendet. Als sich aber 2014 die Chance auf die Staatskanzlei bot, hat er entschlossen zugegriffen, ohne sich daran zu stören, dass sich seine hauchdünne Mehrheit auf zwei ehemalige Stasi-Spitzel stützte.
Ähnlich schillernd hat Ramelow als Ministerpräsident agiert. Einerseits hat er zunächst versucht den Städten und Kreisen eine Gebietsreform aufzudrücken, die viel mit parteipolitischen Strategien, aber wenig mit den Interessen der Kommunalpolitiker zu tun hatte. Andererseits war er penibel darauf bedacht, die bei seiner Partei verhasste Schuldenbremse einzuhalten. Mit der dröge-konservativen Bilanz "wir haben das Land ordentlich verwaltet" hat er 2019 einen fulminanten Wahlsieg eingefahren.
Turbulente zweite Amtszeit
Diesen hatte Ramelow dann nach einem halben Jahr schon wieder verspielt - als nicht er, sondern überraschend FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Regierungschef gewählt wurde. Damit war Ramelows politische Karriere eigentlich vorbei, aber er kämpfte sich - auch mit Unterstützung der CDU-Kanzlerin Angela Merkel - zurück ins Amt. Doch seine zweite Amtszeit stand unter keinem guten Stern.
Flüchtlingskrise, Corona und der Krieg in der Ukraine haben die Schönwetter-Demokratie - auch in Thüringen - beendet. Der Versuch einer linksgeführten Minderheitsregierung musste scheitern. Gerade in der Corona-Politik wurde Ramelow seine Sprunghaftigkeit zum Verhängnis. Einerseits ließ er einen rigiden Zusperrkurs fahren, der viele Existenzen zerstörte. Andererseits lobte er Regelverstöße, etwa wenn sich christliche Musiker an Ostern über Auftrittsverbote hinwegsetzten. Die Quittung war ein Absturz bei der Landtagswahl.
"Aktion Silberlocke"
Größe bewies Ramelow nach dieser Niederlage. Statt der neuen Koalition Knüppel zwischen die Beine zu werfen, will er seinem mutmaßlichen Nachfolger Mario Voigt am Donnerstag die Staatskanzlei geordnet übergeben. Ramelow strebt seit Kurzem nach neuen Ufern: Am 23. Februar will er in Erfurt und Weimar das Bundestagsmandat für die Linke holen und damit deren parlamentarisches Überleben sichern. Ausgang ungewiss.
MDR (nir)