Schleswig-Holstein Mecklenburg-Vorpommern Vor 25 Jahren: Orkan "Anatol" verwüstet Teile Norddeutschlands
Nordeuropa war vom 3. auf den 4. Dezember 1999 von dem schwersten Orkan seit Jahren betroffen. In Norddeutschland hinterließ "Anatol" eine Spur der Verwüstung. Menschen starben. Die Schäden gingen in die Millionen.
"Anatol" war ein Orkan, der am 3. Dezember 1999 über Dänemark und Südschweden hinwegfegte. Seine Ausläufer reichten weit nach Deutschland hinein, wo das Orkantief vor allem im Norden eine Spur der Zerstörung hinterließ. An der Nordseeküste lief in der Nacht zum 4. Dezember eine schwere Sturmflut auf, die Deiche an Nordsee und Elbe hielten dem Wasser aber stand.
"Anatol", der zeitweilig Windstärke zwölf erreichte, richtete Schäden in Millionenhöhe an: Dächer wurden abgedeckt, Bäume entwurzelt, Autos versanken im Wasser, Stromleitungen wurden unterbrochen. Auch der Bahn- und Autoverkehr wurde zum Teil schwer behindert.
Höherer Pegelstand in Hamburg als bei der Sturmflut 1962
In Hamburg sperrten die Behörden große Teile des Hafens. Im tief gelegenen Stadtteil Wilhelmsburg wurden die Bürger aufgefordert, in die oberen Stockwerke zu gehen. Hunderte Keller liefen voll und standen unter Wasser. In der Hansestadt starb ein 76-jähriger Rentner beim Auspumpen seines Kellers. 5,86 Metern über Normalnull in St. Pauli war der höchste Wasserstand, der gemessen wurde. Der Pegel lag damit höher als bei der tödlichen Flut von 1962, als mehr als 300 Menschen ertranken. Die Deiche wurden seitdem allerdings deutlich erhöht und verstärkt.
MV: Mann stirbt nach Unfall
Auf der Insel Hiddensee war damals Wetterexperte Stefan Kreibohm für den NDR im Einsatz. Der Leuchtturm habe damals gepfiffen wie ein "startender Düsenjet". Man habe sich nicht auf den Beinen halten können. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte er dem NDR Nordmagazin.
Ein 42 Jahre alter Autofahrer aus Mecklenburg-Vorpommern erlag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Er war mit seinem Wagen von einer Sturmböe erfasst und gegen einen Baum geschleudert worden.
Noch das ganze Wochenende über waren einige Haushalte im Nordosten noch ohne Strom.
Häuser auf Sylt abgedeckt, Frachter in Seenot
Die Orkanböen brachten auf Sylt Menschen zu Fall, hoben ganze Dächer ab, begruben Autos unter Bäumen, warfen Wohnwagen auf die Seite und knickten Verkehrsschilder wie Streichhölzer ab. "Als wenn ein Hurrikan über eine amerikanische Kleinstadt gewalzt wäre", sagte Westerlands damalige Bürgermeisterin Petra Reiber den "Sylter Nachrichten" in einer Rückschau am 6. Dezember 2019.
"Anatol" zerstörte etliche Häuser - wie dieses in Kampen auf Sylt.
Westlich von Sylt geriet der Frachter "Lucky Fortune" in Seenot und trieb mit 24 Mann Besatzung und 1.200 Tonnen Schweröl an Bord auf die Insel zu. Aber nomen est omen: Am nächsten Morgen bestand keine Gefahr mehr für das 185 Meter lange Schiff. Der Seenotschlepper "Oceanic" konnte es an die Leine nehmen. Auch in der Elb-Mündung tosten neun Meter hohe Wellen, die meisten Seetonnen wurden einfach weggerissen. Bei Stade lief der Frachter "Chinobulk" auf Grund.
Provinzial wurden 35.000 Schadenfälle gemeldet
In Jardelund riss der Orkan etwa 10.000 Festmeter Holz um, ein Drittel der Waldfläche. Nach Informationen des Schleswig-Holstein Magazins vom 11. Dezember 1999 betrug der wirtschaftliche Schaden 1,5 Millionen D-Mark. In einer Nacht vernichtete "Anatol" die Arbeit von rund 20 Jahren.
In Schleswig-Holstein wurden insgesamt 35.000 Schadensfälle allein dem größten Versicherer - der Provinzial-Versicherung - gemeldet. Dafür müsse das Unternehmen etwa 60 Millionen D-Mark aufwenden, bilanzierte ein Sprecher der Versicherung gegenüber dem Schleswig-Holstein Magazin am 4. Januar 2000. Den größten Schaden richtete "Anatol" demnach an der Westküste, auf Sylt sowie im Raum Flensburg an.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Mein Nachmittag | 07.11.2019 | 16:00 Uhr