
Schleswig-Holstein Kommunen in SH am Limit: Zu wenig Geld für zu viele Aufgaben
Rund eine Milliarde Euro fehlt 2025 landesweit nach Berechnungen der kommunalen Landesverbände. Darunter leiden unter anderem Kitas, Ganztags-Betreuung und Straßen. Das Land verweist auf Berlin.
Ein Zettel mit der Aufschrift "Aula gesperrt!!!" ist mit breitem Klebeband an einer Tür der Gemeinschaftsschule Malente (Kreis Ostholstein) befestigt. Malentes Bürgermeister Heiko Godow (CDU) macht für das Team von NDR Schleswig-Holstein eine Ausnahme und öffnet den Raum, der zentral für Versammlungen und Veranstaltungen sein sollte. Doch statt eines Fußbodens gibt es dort nur Holzbalken mit Dämmstoff dazwischen. Wegen eines Wasserschadens musste der Boden entfernt werden. Godow erklärt: "Der Raum fehlt uns für die Theater-AG, für Klassenarbeiten mit größerem Abstand und für den offenen Ganztag." Die Reparaturkosten muss die Gemeinde nun irgendwie stemmen.
Ein Defizit von einer Milliarde Euro droht 2025 landesweit
Für alle Kommunen im Land werden Probleme wie diese immer größer, sagt Sönke Schulz, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Landkreistags.
Wir haben das letzte Jahr mit erheblichen Defiziten abgeschlossen und die Planungen für dieses Jahr zeigen in Summe über alle Kommunen ein geplantes Defizit von ungefähr einer Milliarde Euro."
— Sönke Schulz, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Landkreistags
Leistungen, auf die die Bürgerinnen und Bürger einen Rechtsanspruch haben, bleiben laut Schulz trotz leerer Kassen erhalten. Dennoch könnte es zum Beispiel zu Einschränkungen im Nahverkehr oder zum Personalabbau in den Verwaltungen kommen. Aus eigener Kraft seien die Kommunen nicht in der Lage, das Minus auszugleichen. Schulz fordert: "Auf Bundesebene wird man darüber reden müssen, dass wir eine stärkere Beteiligung der Kommunen an den Steuern brauchen. Wir haben mehr Aufgaben als wir Anteile an den Einnahmen haben. Das passt schlicht nicht zusammen."

Malentes Bürgermeister Heiko Godow (CDU) fehlen dieses Jahr über zwei Millionen Euro im Finanzplan der Gemeinde.
Sanierung oder Neubau übersteigt Malenter Haushalt
Zurück in Malente. Die Gemeinschaftsschule hier ist ein Bau aus den 1970er Jahren. Nach Heiko Godows Angaben würde sich eine Sanierung nicht mehr rechnen, wenn die heutigen energetischen Standards erreicht werden sollen. Die Kosten für einen Neubau der Schule schätzt er auf 45 bis 50 Millionen Euro. Dabei gibt die Gemeinde bereits jetzt mehr Geld aus als sie jährlich einnimmt: Malente rechnet für 2025 mit Einnahmen in Höhe von 29,74 Millionen Euro. Demgegenüber stehen Ausgaben von 31,87 Millionen Euro. Darunter Kosten für die Ganztagsbetreuung, die Kitas oder die Unterbringung Geflüchteter. Weil die Kommunen einerseits zu diesen und weiteren Aufgaben verpflichtet sind, selbst aber nur begrenzt eigene Steuern erheben können, fürchtet Godow auch für die kommenden Jahre ein Minus von jeweils rund 2 Millionen Euro.

Für eine Sanierung oder einen Neubau der Gemeinschaftsschule Malente fehlt der Gemeinde das Geld.
Kommunen: Steuer-Minus verschärft die Lage
Laut der jüngsten Steuerschätzung vom Mai 2025 werden die Einnahmen für die Kommunen um etwa 149 Millionen Euro geringer ausfallen als noch im Oktober 2024 geschätzt. Ursache sind Mindereinnahmen bei Gewerbe- und Lohnsteuer. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag, der Landkreistag und der Städteverband sehen die Handlungsfähigkeit der Kommunen in Gefahr. "Es droht ein Einbruch der kommunalen Leistungen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unabdingbar sind", teilen die Verbände gemeinsam mit. Sie fordern eine Erhöhung der kommunalen Anteile an den Gemeinschaftsteuern, zum Beispiel der Einkommensteuer oder der Umsatzsteuer. Außerdem müsse ein Großteil des milliardenschweren Sondervermögens des Bundes schnell und unbürokratisch an die Kommunen gehen.

Nach einem Wasserschaden musste der Holzfußboden der Aula entfernt werden. Die Reparatur ist eine zusätzliche Belastung für den knappen Gemeindehaushalt von Malente.
Finanzministerin: Bund muss für fairen Lastenausgleich sorgen
Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) sagt, sie kann die Probleme und Forderungen der Kommunen gut verstehen, könne aber selbst wenig machen. Auch das Land selbst leide unter steigenden Ausgaben und geringeren Einnahmen: "Wir haben enorme Kostensteigerungen im Bereich der sozialen Hilfen, der Zinsen, der Personalkosten durch die Tarifsteigerung. Bei den Kommunen und beim Land. Und das geht inzwischen auseinander. Das ist eine Schieflage." Schleswig-Holstein werde sich im Bundesrat dafür stark machen, dass die Bundesregierung bei ihren Steuerplänen die Lasten fair zwischen Bund, Ländern und Kommunen verteilt.

Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) sieht vor allem die Bundesregierung in der Pflicht, für einen fairen Lastenausgleich zu sorgen.
Die Erneuerung des Fußbodens in der Malenter Schul-Aula kostet laut Bürgermeister Godow schätzungsweise 45.000 Euro. Dann wäre der Raum wieder nutzbar, doch am maroden Zustand des gesamten Gebäudes würde diese Investition nicht viel ändern.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 02.06.2025 | 19:30 Uhr